Gottesdienste in den Pflegeheimen
im August 2021 im Rahmen der
Sommerpredigtreihe
"Heiter bis wolkig, mitunter Segen"
Bestimmt erinnern Sie sich an ganz viele
Kinderzeichnungen.
Aus Ihrer eigenen Kindheit.
Oder Bilder, die Ihre Kinder, ihre Enkel oder gar Ihre Urenkel gemalt haben. Die
vielleicht am Kühlschrank hingen oder an der Küchentür.
Oder zusammengerollt
und mit Schleife versehen
zum Geburtstag verschenkt
wurden.
Wissen Sie noch?
Auf ganz vielen dieser Bilder ist eine Sonne zusehen –
und meistens mit einem lachenden Gesicht.
Mich fasziniert das.
Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals zu meiner Tochter gesagt hab: Mal
eine Sonne mit lachendem Gesicht.
Und trotzdem hat sie genau so gemalt.
Wie
alle anderen Kinder auch.
Ich habe mich ehrlich gesagt nicht damit beschäftigt,
was da die
Entwicklungspsychologie dazu sagt.
Und ich weiß auch nicht, seit wann man
dieses Phänomen
bei Kinderzeichnungen beobachten kann.
Aber ich glaube, dass es
etwas mit dem zu tun hat,
was tief in uns Menschen drin steckt.
Und mit einer
Sehnsucht zu tun hat, die uns unser ganzes Leben begleitet:
Die Sehnsucht nach
Wärme und Licht.
Nach Sonnenstrahlen.
Die ist im Menschen angelegt.
Und in einem Sommer, der so ein bisschen kein richtiger Sommer ist,
spüren wir
das um so mehr:
die Sonne fehlt uns – und egal, wo man hinkommt:
alle reden
darüber.
Warum das so ist?
Vielleicht finden wir es heraus.
Ich habe mich auf die Suche gemacht.
Nach Sonnenstrahlen in der
Bibel.
Vielleicht helfen sie uns zu verstehen,
warum die Sonne für uns Menschen
so wichtig ist.
Ein erster
Sonnenstrahl
begegnet uns ganz am Anfang der Bibel.
Da, wo von der
Schöpfung erzählt wird.
Gleich am ersten Schöpfungstag hat Gott das Licht erschaffen.
Aber das war
zuerst einfach nur „Licht“ und „Finsternis“.
Erst am vierten Schöpfungstag kam
Ordnung in die Sache und es heißt: „Lichter sollen am Himmelsdach entstehen,
um
Tag und Nacht voneinander zu trennen.
Sie sollen als Zeichen dienen, um die
Feste,
die Tage und Jahre zu bestimmen.“
Einen Tag zuvor hat Gott die Pflanzen erschaffen, die ganze
Vegetation.
Wir alle wissen: Ohne Sonne wächst nichts.
Ohne Sonne produzieren
Bäume keinen Sauerstoff.
Ohne Sonne wächst weder Getreide, noch Kartoffeln,
noch Tomaten.
Die Sonne ist der Antrieb, der die die Welt am Leben erhält.
Und: die Sonne ordnet die Zeit.
Sie gibt nicht nur den
Rhythmus der Natur vor,
sondern auch den Rhythmus der Menschen.
Zu diesem
Rhythmus gehören nicht nur Tage und Jahre,
sondern auch Feste – und Zeiten ohne
Feste.
Nicht umsonst werden viele Feste von der Sonne abhängig gemacht:
Die
Sommersonnwende ist vor allem im Norden
eines der größten Feste.
Unser
Weihnachtsfest ist an der Wintersonnwende orientiert,
die die Menschen
feierten, lange bevor es das Christentum gab.
Die Sonne macht also, dass unsere
innere Uhr funktioniert.
Und deshalb brauchen wir sie.
Ein
weiterer Sonnenstrahl:
Die Sonne der Gerechtigkeit.
Von ihr haben wir auch
gerade gesungen.
Da wird die Sonne zum Gleichnis.
Es begegnet uns am Ende des Ersten Testaments
im Buch des Propheten Maleachi.
Dort wird unterschieden zwischen den Menschen,
die sich an Gott halten und den anderen.
Und dann heißt es da:
„Dann wird die
Sonne der Gerechtigkeit aufgehen für euch,
die ihr meinen Namen fürchtet.
Unter
ihren Flügeln gibt es Heilung.“
Wenn man weiß, dass im alten Orient
die Sonne als Scheibe mit zwei Flügeln
dargestellt wird,
wird deutlicher, was gemeint ist:
Flügel beschützen und geben Halt
und Sicherheit.
Sie halten die Sonne am Himmel.
Die Sonne der Gerechtigkeit beschützt,
was zerbrochen ist und
Zeit braucht, um Heil zu werden.
Gerade haben wir gesungen:
„Lass uns deine Herrlichkeit sehen auch in dieser
Zeit
und mit unserer kleinen Kraft suchen, was den Frieden schafft.“
Die Sonne der Gerechtigkeit strahlt,
wenn Menschen sich ein Herz fassen und
ihren Streit beseitigen –
obwohl sie ein halbes Leben lang nicht mehr
miteinander geredet haben.
Die Sonne der Gerechtigkeit strahlt,
wenn jemand Kuchen vorbeibringt und damit
zeigt:
„Opa, ich denk an dich,
auch wenn du jetzt nicht mehr bei uns wohnen
kannst.“
Die Sonne der Gerechtigkeit scheint,
wenn eine jahrelang leerstehende
Wohnung nun doch vermietet werden soll – an eine Familie, die in Not ist
und
noch nicht einmal richtig deutsch kann.
Die Sonne der Gerechtigkeit scheint,
wenn Menschen von hier ins Ahrtal fahren
und den Menschen dort helfen,
die
Flutschäden an den Häusern und in den Seelen zu bewältigen.
Und die Sonne der Gerechtigkeit scheint,
wenn Menschen laut ihre Stimme erheben
und auf Ungerechtigkeit und Verantwortungslosigkeit aufmerksam machen.
Ein dritter
Sonnenstrahl:
Ostern.
Die Sonnengeschichte in der Bibel überhaupt.
Und sie beginnt, ganz spektakulär, mit einer Sonnenfinsternis.
Sie alle haben
es schon erlebt:
immer mal wieder kommt es vor, dass sich der Mond
zwischen
Sonne und Erde schiebt.
Ich erinnere mich sehr gut an die totale Sonnenfinsternis
am 11. August 1999.
Morgen sind es 22 Jahre.
Da war ich in der Pampa im Norden Dänemarks unterwegs
und dort
wurde es mitten am Tag tatsächlich richtig dunkel.
Das Licht hat sich
verändert, und, was ganz komisch war:
Die Vögel waren in höchster Aufregung.
Sie haben zuerst ganz laut Alarm gezwitschert, weil sie merkten:
es ist was aus
dem Takt.
Und dann sind sie plötzlich verstummt.
Und es war still wie mitten in
der Nacht.
Vormittags um 11 Uhr.
Es war, als ob die Welt für ein paar Minuten still stand.
Und dann fingen die Vögel wieder an zu zwitschern – wie früh am Morgen – und
sie kehrten ins Leben zurück.
Verrückt.
Ein bisschen wie Ostern.
„Es war die
sechste Stunde,
da breitete sich die Finsternis über das ganze Land.
Sie
dauerte bis zur neunten Stunde.
In der neunten Stunde schrie Jesus laut:
„Mein
Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Markus 15,33f)
Als Gott stirbt, ist die Sonne weg.
Das Licht, das die Welt am Leben erhält,
ist verloschen.
Das war der absolute Stillstand.
Mehr Tod geht nicht.
Wäre die
Geschichte an dieser Stelle zu Ende gewesen,
säßen wir heute nicht hier.
Aber sie
ging weiter.
Die traurigen Menschen mit ihrer Dunkelheit in der Seele
gingen
zum Grab, am Morgen,
als die Sonne aufging.
Und da sagt dann der Engel:
„Fürchtet euch nicht!
Jesus ist nicht hier, Gott hat ihn von den Toten
auferweckt.
Jesus geht euch voraus nach Galiläa.
Ihr werdet ihn dort sehen.“
Und
so ist diese Sonnengeschichte eine Mutmachgeschichte.
Die Ostersonne geht
nämlich auf,
obwohl es in den Herzen und Seelen der Menschen noch dunkel ist.
Da
leuchtet was aus der Ewigkeit in diese Zeit,
obwohl nicht alles gut ist.
Obwohl
uns was weh tut, an Leib oder Seele.
Obwohl es Streit und Krach gibt.
Und
Einsamkeit.
Und Menschen, die mir das Gefühl geben,
dass ich eine Last bin.
Manchmal braucht es eine Weile,
bis die Sonne durch dringt und klar wird:
die Finsternis
ist vorbei.
Auch die Finsternis in der Seele.
Und so singen wir nochmal ein Lied von der Sonne.
Und wenn Sie jetzt die Sonnenstrahlen auf Ihrer Haut spüren,
dann
fühlen Sie sie ganz bewusst als Sonnenstrahlen Gottes,
die Sie bescheinen.
Und
die nicht nur Ihre Haut,
sondern auch Ihre Seele wärmen.
Amen.
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