Freitag, 28. April 2017

Trauer und Hoffnung





(Piano)
Nur Gott weiß, was sich in diesen schwachen und
taumelnden Herzen verbirgt.
Ich schätze mal, dass du die Mädels geküsst
und sie zum Weinen gebracht hast -
all diese Unglücksköniginnen
mit ihren versteinerten Gesichtern.


Nur Gott weiß, was sich in deren schwachen
und tiefliegenden Augen verbirgt,
eine feurige Schar verstummter Engel,
deren Liebe unerwidert bleibt.


Nur Gott weiß.
Gott.
Allwissend und Geheimnisvoll.
Kennt zerbrochene Herzen
und
sammelt Tränen
wie Edelsteine.
Hütet die Liebe.
Beschützt das Schwache.
Tröstet die Traurigen.
Ermutigt die Zweifelnden.
Bewahrt die Suchenden.

Nur Gott weiß
wo Zweifel
und Fragen
an der Seele nagen:
nichts fühlen kann man.
Nichts sehen kann man.
Nur glauben.
Und hoffen.

Glauben
dass da etwas ist
hinter dem
was für die Welt
und dich
und mich
erkennbar ist.

Hoffen
dass es nicht vorbei ist
mit dieser Welt
und dir
und mir
wenn etwas zu Ende geht.

Glauben und hoffen.
Hoffen und glauben.
Und nachfragen
bei Jesus.


Noch eine kleine Weile,
dann werdet ihr mich nicht mehr sehen;
und abermals eine kleine Weile,
dann werdet ihr mich sehen.
Da sprachen einige seiner Jünger untereinander:
Was bedeutet das?


(Piano)
Menschen, helft euch gegenseitig
und wenn du Heimweh hast,
gib mir deine Hand, ich halte sie fest.

Menschen, helft euch
dann wird euch nichts unterkriegen.


Heimweh.
Die Seele schmerzt
und sehnt sich nach Himmel.
Dorthin, wo es schön ist.
Wo man füreinander da ist
und keiner die Einsamkeit
aushalten muss.
Wo man aufeinander achtet.
Wo Worte nicht verletzen
und Blicke nicht herabwürdigen.
Heimweh nach dort, wo Gott wohnt.
Wo er sein Haus unter uns baut.
Wo er den Himmel auf Erden schenkt.
Heimat.
Etwas, das bleibt -
und morgen nicht schon wieder anders ist.
Einen Ort zum Zuhause sein
und Wurzeln schlagen.
Wo Herzensdinge sicher sind.
Wo Freunde warten
und Jesus,
der spricht:


Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Ihr habt nun Traurigkeit;  
aber ich will euch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

(Piano)
Hätte ich Verstand,
wäre ich kalt wie ein Stein und reich wie der Narr,
der all die Guten zurückgewiesen hat.

Nur Gott weiß, was sich in dieser Welt verbirgt,
in der wir kaum für etwas grade stehen müssen.
Was sich hinter den Tränen verbirgt, inmitten der Lügen:
in den tausend langsamen Sonnenuntergängen.


Gott weiß
um Kaltes
und Närrisches.
und Tränen.
und Lügen.
Um Sonnen - und Weltuntergänge.
Um verpasste Chancen und
vergessene Versprechen.

Er weiß um alles.
Und setzt sich trotzdem an den Tisch
mit Narren und Steinen.
Mit denen von den Hecken und Zäunen,
und von der Landstraße.
Mit denen, die übers Mittelmeer kamen
und denen, die schon da waren.
Mit denen, die sich Heldenhaft und
mit einem großen Glauben
ins Rampenlicht setzen
und
mit dem Verräter.

Er sitzt an den Tisch
mit euch Konfis,
die ihr euch neu und unsicher fühlt
wie Anfänger
im Leben und im Glauben.
Und er sitzt an den Tisch
mit denen,
die seit langem aus- und eingehen
in Gottes Wohnzimmer
und deshalb wissen,
wo das Brot im Kasten liegt und
der Wein im Keller.

Nehmt und esst vom Brot des Lebens.
Nehmt und trinkt vom Kelch des Heils.


(Piano)
Nur Gott weiß, was sich in diesen schwachen und trunkenen Herzen verbirgt.
Stell dir vor, die Einsamkeit würde sich einschleichen,
dann denk dran: niemand MUSS allein sein - rette mich!
Menschen helft euch gegenseitig
und wenn Du Heimweh hast,
gib mir deine Hand, ich halte sie fest.

Der Tisch ist groß genug für alle.
Und ist Heimat.
Für alle,
die im täglichen
Sonnenuntergang ihres Lebens
stranden
und ihren Weg irgendwohin weitergehen.
Und wieder hierher zurückfinden.
Oder an einen anderen Tisch
an anderem Ort
mit Brot und Wein.

Und Jesus,
ist hier
und dort
und streckt die Hand aus
und spricht:

Das habe ich mit euch geredet
damit ihr Frieden habt.
In der Welt habt ihr Angst;
aber seid getrost,
ich habe die Welt überwunden.

Amen
(Predigt zu Johannes 16 anlässlich des Konfi-Abendmahls 2016 in der Wendlinger Eusebiuskirche)

Sonntag, 2. April 2017

Lernen fürs Leben: Abraham.


I. Geschichten

Nach diesen Geschichten prüfte Gott Abraham
und sprach zu ihm: Abraham!
Und er antwortete: Hier bin ich.


Nach diesen Geschichten
prüfte Gott Abraham.

Nach diesen Geschichten,
die das Leben schrieb.

Abraham, hast du deine Lektion gelernt?

Du hast neu angefangen im fremden Land.
Mut brauchtest du,
aber Sara war ja mit dabei.
„Wir werden das schaffen.“
Und ihr schafftet den Anfang.

Abraham, hast du daraus gelernt?

Zuerst hat es sich noch gut angefühlt.
Aber dann bleibt der ersehnte Nachwuchs aus.
Emotionales und soziales Ende.
Die Leute reden.
Geben Tipps.
Ihr sucht nach Schuld bei euch.
Fühlt euch als Versagerin und Versager.


Und mittendrin:
Segensversprechungen.
Der Biologie zum Trotz.
„Ich will dich zum großen Volk machen
und du sollst ein Segen sein“.
 

Abraham, hast du daraus etwas gelernt?

Hungersnot und Flucht
habt ihr kennengelernt.
Bis nach Ägypten habt ihr euch durchgeschlagen.
Sicher fühltet ihr euch dort nicht.
Schmierengeschäfte mit dem Pharao
waren ein leidiger Versuch,
deine Haut zu retten.
Sara als deine Schwester ausgegeben:
was hast du dir dabei eigentlich gedacht?
Immerhin hat es dir materiell nicht geschadet.
Reich warst du, als du von dort zurück kamst.
So reich, dass das Zusammenleben mit
deiner Verwandtschaft nicht mehr möglich war.
Bruch mit der Familie
und Teilung der Sippe waren die Konsequenz.

Abraham, hast du das alles vergessen?


Und immer wieder:
Segen. Und Versprechen.
Aber kein Kind.
Keinen Sohn.
Was ist denn mit diesem Versprechen?
„Sieh gen Himmel und
zähle die Sterne:
Kannst du sie zählen?
So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!“
Wieviel ist Gottes Versprechen wert?

Weißt du darauf eine Antwort, Abraham?

Du hast deinem Schicksal nachgeholfen.
Hagar war auch eine Frau,
mit der man einen Sohn zeugen kann.
Du hast diese Chance nicht ungenutzt gelassen.
Irgendwann muss doch Wirklichkeit werden
was Gott dir versprochen hat.
Endlich.
Das Glück hat einen Namen: Ismael.
Und alles ist gut.
Für den Moment.
Ab und zu hast du Zweifel,
ob das alles richtig war so.

Abraham, was hast du daraus gelernt?

Hart verhandelt hast du mit Gott.
Sodom und Gomorra
dürfen nicht vernichtet werden.
Du hast nicht locker gelassen.
Schließlich ging es um deinen Neffen Lot.
Gott lässt lange mit sich reden.
Und doch ist es passiert:
Gott hat dich zurück gelassen
und schweigt.
Das hoffnungslose Bild
zerstörter Städte
brannte sich in deine Seele.
Es schmerzt,
auch wenn du Lot
aus der Hölle heraus gehandelt hast.

Abraham, weißt du das noch?

Nach diesen Geschichten
prüfte Gott Abraham.
Abraham, hast du aus all dem gelernt?



II. Wunder

Wie durch ein Wunder
ist es passiert.
Damit gerechnet hast du nicht mehr.
Isaak wird geboren.
Sohn der Verheißung.
Eltern seid ihr geworden.
Im Alter.
Dann, wenn man sich eigentlich                               
vom Leben langsam verabschiedet.
Anfangs war es pures Glück.
Aber dann immer wieder diese Gedanken:
Zwei Söhne sind einer zuviel.
Einer zuviel für diese Verheißung.


Nein… es hat bestimmt alles so sein sollen.
Aber man macht sich halt Gedanken.
Verständlicherweise.

Du hast viel erlebt, Abraham.
Mit Gott und den Menschen.

Aber hast du daraus gelernt?

Als Sara deinen ersten  Sohn
mit seiner Mutter Hagar
in die Wüste schickte:
verbuchtest das auch einfach
unter Lebenserfahrung?
Hast du keinen Moment gezweifelt?
Versucht, mit Gott zu handeln?
Ismael war, nein IST dein Sohn!
Ach nein… da ist ja noch Isaak.


III. Isaak

Und Gott sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.

Isaak.
Sohn.
Geliebter.
Dein Stolz
aus Fleisch und Blut.
Noch nicht lange
ist es her,
dass er zum ersten Mal
Papa gesagt hat.
Die ersten Schritte
im Sand der Wüste:


Drei hat er geschafft.
Dann ist er wieder
auf dem Hintern gesessen.
Als er zum ersten Mal
die Schafe zum Tränken getrieben hat
mit kaum 4 Jahren
ist er am Ende selbst im Brunnen gelegen
und hat gequietscht vor Freude!

Dein ganzer Stolz ist Isaak!
Menschgewordener Segen.



Und jetzt?
Was will Gott von dir?
Deinen Sohn?
Diesen einen, von ihm Versprochenen?

Das darf doch nicht wahr sein!
Ismael hast du weggeschickt -
und ihn willst du opfern?
Umbringen?
Ermorden?



IV. Weg

Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte.

Abraham, weißt du, was du tust?
Was willst du deinem Gott beweisen?
Du machst dich also tatsächlich auf den Weg.
Offensichtlich bist du davon überzeugt,
dass du diese Sache zu Ende bringen musst.
Alternativlos.



V. Bergauf

Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.

Abraham, was hast du Isaak eigentlich gesagt?
Was war für ihn das Ziel der Reise?
Drei Tage wart ihr zusammen unterwegs.
 
Was redet man da so?
Männergespräche?
Isaak stellt Fragen.
Fühlt dir auf den Zahn.
Es ist doch auch nicht logisch:
ein Brandopfer ohne Tier.
Aber du weichst aus.
Faselst etwas von Schaf und Gott.
Oder hast du etwa geglaubt,
was du da sagst?
Und hat Isaak dir geglaubt?
Ihm die Wahrheit zu sagen,
hast du nicht übers Herz gebracht.




VI. Altar

Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.

Abraham, du tust es,
nicht wahr?
Eine andere Option hast du nicht mehr.
Dieser Gott, hat ihn dir gegeben,
er hat auch das Recht,
ihn wieder zu nehmen.
Diesen deinen Sohn.
Davon bist du überzeugt.
Trauer, Wut und Enttäuschung
hast du hinunter geschluckt.
Schritt für Schritt weggeatmet
auf dem langen Weg
nach oben zum Altar.
Der Schmerz, der dich innerlich zerreisst
schreit lauter als die Hoffnung
dass Gott gnädig ist.
Dass er keine Menschenopfer will,
so wie die Heiden.
Könntest du anders reagieren?
Ist blinder Gehorsam
die einzige Möglichkeit,
das Richtige zu tun?


Du opferst doch mit deinem Sohn
alle gelernten Lektionen
deines langen Lebens!
Du opferst Gottes Versprechen,
dich zu segnen!
Du opferst auch die Gewissheit,
vor Gott gerecht zu sein.
Gerecht zu sein,
auch ohne alles richtig zu machen.
Bist du dir sicher, dass du das alles
mit Isaak opfern willst?


Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts;
denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.


Uff.
Das ist jetzt gerade nochmal gut gegangen.
Gerade noch rechtzeitig
hast du dich umgesehen.
Vielleicht hast du auch
seinen Blick nicht mehr ertragen,
wie er da liegt,
gefesselt und festgezurrt
auf dem Steinhaufen.
Mit aufgerissenen Augen,
starr vor Schrecken.
Engel waren da,
die deinen Sohn
beschützt haben.


Vor dir selber.
Vor deiner eigenen Radikalität
und dem Irrtum,
dass es nur die eine Lösung gibt.
Wie zufällig
blöckt ein Widder im Gebüsch.
Und du kannst deinen Sohn
freigeben.
Du kannst ihn freigeben
ohne vor deinem Gott
das Gesicht zu verlieren.
 
Man hört den Stein

von deinem Herzen rumpeln.

Und jetzt ist es
wie in einem anderen Film.
Die Gedanken gehen durcheinander.
Alles ist,
als ob es gerade jetzt erst geschehen wäre.
Du erinnerst dich daran,
dass Freude und Schmerz,
Wut, Hoffnung und Enttäuschung
zum Leben dazugehören.


Du hast Bilder im Herzen von eurem
ersten mutigen Auswandern und
spürst die Aufregung als Kribbeln im Magen.
Ihr wart nicht mehr die jüngsten,
Sara und du.
Aber ihr wart voller Vertrauen,
dass Gott euch einen guten Weg führt.


Dir fällt ein,
wie du mit Gott verhandelt hast.
In Sodom und Gomorra.
Und Lot hat überlebt.
Du kannst ihm sonst
nicht mehr viel helfen,
seit sich eure Sippen getrennt haben.
Aber du hast ihm das Leben gerettet,
weil Gott dir zugehört hat.


Du denkst an Ismael
und die Gedanken werden schwer.
Dein Magen fühlt sich flau an
und die Knie zittern.
Du empfindest Schmerz darüber,
dass du Ismael für immer verloren hast.
Er war nicht der von Gott verheißene Sohn.
Aber er war dein Sohn,
den du immer noch liebst.

Du erinnerst dich,
an das Versprechen Gottes,
ein großes Volk aus dir zu machen
und schaust Isaak dabei an.
Mit zerzaustem Haar sitzt er
auf einem Felsen und starrt zum Horizont.
Mitgenommen sieht er aus.
 
Du empfindest unbändige Liebe
für diesen Sohn,
der zu dir und Sara gehört.
Und du dankst Gott,
dass du ihn
nicht opfern musst.
Auch nicht all das andere,
was dein Leben wertvoll macht.


Du atmest durch.
Du blickst zum Himmel
und bist dankbar.
Jetzt, Abraham,
hast du die Prüfung bestanden.
   
Amen.


(Predigt zu Gen 22 in der Stephanuskirche im Roßdorf am 02. April 2017)