Sonntag, 17. Dezember 2017

Einmal Hirtin sein.


Manchmal wäre ich gerne eine Hirtin.
Nicht so sehr wegen den Schafen.
Und wegen der Lagerfeueridylle.
Oder weil man möglicherweise ein Abenteuer erlebt,
da draußen auf den Feldern.
Nein, der Hirtenberuf ist hart.
Schlecht bezahlt und allem ausgesetzt, was eine Schafherde erleiden muss:
Hitze, Kälte, Dauerregen und Dürre.
Das Hirtenleben ist kein schönes Leben.

Trotzdem wäre ich manchmal
gerne eine Hirtin.
Eine wie der alte Hirte, 
der sein Leben lang gehofft und geglaubt hat.
Der die Geschichten kennt und weiß,
dass sie gut ausgehen.
Auch wenn es manchmal anders aussieht.
Ich wäre gerne eine Hirtin,
die an der Krippe steht.
Dort beim Kind. Im Stall.
Ich mag dort stehen und staunen.
Und sicher sein:
Das ist Gottes Sohn.
Das ist der König, der Frieden bringt.
Ich kann ihn sehen. Hören, Riechen. Berühren.
Und jetzt wird wahr, was wir seit Jahrhunderten
glauben
und hoffen
und wünschen.

Ich wäre manchmal gerne eine Hirtin.
Eine, die überrascht wird.
So wie der junge Hirte,
der es gar nicht glauben konnte,
wer da in der Krippe liegt.
Ich wäre gerne eine Hirtin,
die trotz Zweifel und Skepsis
und falschen Vorstellungen an der Krippe steht
und lacht.
Und das Kind lacht zurück.
Dann wären sie weggeblasen, die Zweifel.
Und ich würde dem Kind etwas vorflöten… obwohl…
vielleicht mag es ja lieber die Kelly Family?
Moderne junge Hirten können ja Spotify.

Manchmal wäre ich gerne eine Hirtin.
Eine, die dem Engel begegnet.
Der sagt: Fürchte dich nicht.
Und der mich einfach losschickt dahin,
wo auch heute
Gott zur Welt kommt.
Dann stehe ich da und staune
über einen kleinen Frieden in der Familie.
Über eine offene Tür für den Einsamen.
Über eine zweite Chance für die Chancenlose.

Fürchte dich nicht
würde der Engel zu MIR sagen.
MIR ist Gott geboren.
Für MICH ist Frieden auf Erden.

Ich glaube, wenn ich eine Hirtin wäre:
ICH würde mitgehen zur Krippe.
Und ich würde flöten.
Oder mit Spotify mitsingen.
Nur ein einfaches Hirtinnenlied.
Aber es wäre MEIN Lied.
Amen


(Gottesdienst mit dem Weihnachtsspiel der Kinderkirche am 17. Dezember in der Eusebiuskirche Wendlingen am Neckar)

Donnerstag, 9. November 2017

Neunter November



1918: Novemberrevolution
1923: Hitlerputsch
1938: Reichsprogromnacht
1989: Mauerfall

2017: Donnerstag

Mir fällt Dietrich Bonhoeffer ein:
„Ich glaube,
dass Gott aus allem,
auch aus dem Bösesten,
Gutes entstehen lassen kann und will.
Dafür braucht er Menschen,
die sich alle Dinge zum Besten dienen lassen.
Ich glaube,
dass Gott uns in jeder Notlage
soviel Widerstandkraft geben will,
wie wir brauchen.
Aber er gibt sie nicht im Voraus,
damit wir uns nicht auf uns selbst,
sondern allein auf ihn verlassen.
In solchem Glauben
müsste alle Angst vor der Zukunft
überwunden sein.
Ich glaube,
dass auch unsere Fehler und Irrtümer
nicht vergeblich sind,
und dass es Gott nicht schwerer ist
mit ihnen fertig zu werden,
als mit unseren vermeintlichen Guttaten.
Ich glaube,
dass Gott kein zeitloses Fatum ist,
sondern dass er auf aufrichtige
Gebete und verantwortliche Taten
wartet und antwortet.“
(Quelle: Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 30 f)


Freitag, 3. November 2017


Ich glaube, die Zukunft ist tot.
Gestern war sie noch da.
Ganz sicher.
Im Weltraum meiner Seele
bin ich ihr begegnet.
Recht oft und bisweilen
auch zu oft.
(Träumen wird man ja wohl dürfen.)

Im Nebelgewölk verborgen
aber da.
Manchmal leicht und schnell
kaum sichtbar wie eine Feder
im Herbstwind.

Manchmal mächtig und gewaltig
und unzerstörbar
wie eine feste Burg oder
die Fahrgastzelle bei Mercedes.
Bunt war die Zukunft
und farbenfroh und sauber
wie ein unbenutzter
Wasserfarbenkasten von Pelikan.

Ziemlich spontan war sie auch
Und ausgesprochen schlecht planbar.
Aber da.
Im Weltraum meiner Seele.

Da und auch wieder fort.
Gewonnen und zerronnen.
Täglich. Stündlich. Augenblicklich.
Da und wieder fort.
Fort und wieder da.
Greifbar und wieder entrückt.

Nun ist die Zukunft über Nacht
gänzlich abhanden gekommen.
Hat sich still und leise
und klammheimlich
aus dem Staub gemacht.
ist dem Heute gewichen.
Dem, wie es wirklich ist.
Realität jetzt.
Schwarz ist der Weltraum meiner Seele.
Ich suche den Wasserfarbenkasten  
aber finde den Kalender.
Seelenlos und zahlenvoll
bekomme ich die Rechnung präsentiert
für das, was kommt.
Vorkasse quasi?

Manchmal befahre ich
den Weltraum meiner Seele
im Nebel.
Ohne Licht.
Kalender ist Navi.
Der Weg ist Ziel.  
Ich übe Vertrauen.
Einer ist bei mir im finsteren Tal,
bei mir ist einer, der mich tröstet.
Wider Erwarten
finde ich
Licht am Ende des Weltraums
Farben im Nebel,
Zukunft
und
mich.

(Mein Beitrag zum 1. Böblinger Predigtslam am 03.11.2017 im Alten Amtsgericht) 


Sonntag, 4. Juni 2017

Pfingsten: Ein Lied - 7 Strophen - 7 Bilder


Komm, Gott Schöpfer Heiliger Geist (Pfingstlied von Martin Luther, EG 126)
Liedpredigt zu Pfingstsonntag 2017
in der Stephanuskirche im Roßdorf.




1. Ein Lied, ein Bild, ein Wort

Manchmal verschwimmen
Zahlen und Buchstaben
vor unseren Augen.
Manchmal fühlt man einen Knoten im Kopf.
Manchmal hat man mehr Fragen als Antworten.
Und mit einer Erklärung kommt man nicht weiter.

Manchmal sagen Bilder mehr als Worte.
Und nicht nur Pinsel und Papier helfen weiter.
Auch Worte können Bilder malen.



Manchmal ist ein Lied
mehr als eine Predigt.
Und ein Chor aus vielen Stimmen
mehr, als der Versuch eines Einzelnen,
ein Gebet zu stammeln

Manchmal braucht es ein Lied, ein Bild, ein Wort
um zu sehen
und zu glauben.
Manchmal braucht es einen wie Martin Luther,
der uns 7 Bilder vor Augen malt,
die wir singen können – bis heute.


2. Sieben Strophen, sieben Bilder, sieben Worte

a. Herz (Motiv: Herz)

1. Komm, Gott Schöpfer, Heiliger Geist,
besuch das Herz der Menschen dein.
mit Gnaden sie füll, wie du weißt,
dass sie dein Geschöpfe sein.

Es schlägt in mir.
Es hält mich am Leben.
Es gibt die Taktzahl vor.
Das Herz hält am Leben
was Gott geschaffen hat.  
Ein kleines Kraftwerk ist es.
Eine kaum faustgroße Maschine,
die unermüdlich ihren Dienst tut.
Die kleinste Unregelmäßigkeit bringt
alles durcheinander,
macht Beschwerden,
ist behandlungsbedürftig.

Mein Herz.
Es erhält in mir
die Erinnerungen an mein Leben.
Es definiert die Taktzahl für
Freude und Schmerz,
Glück und Verzweiflung,
Dankbarkeit und Trauer.
Das Herz fühlt das Leben,
das Gott erschaffen hat.
Mein Leben.

Dort hinein kommst du,
Gott, Schöpfer, Heiliger Geist.  
Nimmst den Takt auf.
Dirigierst und komponierst
mein Leben
und ich bin gewiss:
Mein Herz
und ich
sind Deins.

Jesus spricht:
Wer mich liebt, der wird mein Wort halten;
und mein Vater wird ihn lieben
und wir werden zu ihm kommen
und Wohnung bei ihm nehmen.
(Joh 14,23)



b. Tröster (Motiv: Pflaster)

2. Denn du bist der Tröster genannt,
des Allerhöchsten Gabe teu’r,
ein geistlich Salb an uns gewandt,
ein lebend Brunn, Lieb und Feu’r.

Mama!!! Trösten!!!Dann ein Schluchzer.
Tränen und Rotz.
Und Mamas Arm.
Ein Kuss,
ein Taschentuch.
Ein Glas Sprudel. 
Ein Pflaster.
Das mit dem Marienkäfer.
Oder das mit dem Schlumpf.

Diese Welt braucht so viel Pflaster!
Wir alle brauchen so viel Pflaster.
Nicht nur wegen aufgeschlagener Knie und
Holzspreiseln vom Gartenzaun.

Ein Pflaster gegen Einsamkeit am Sonntag abend
und eins gegen den Hass verbitterter Menschen.
Eins gegen böse Gerüchte.
Eins gegen Krebs und
eins gegen Krieg.
Eins gegen Terror. Ganz besonders Heute.
Ein Pflaster gegen schlechte Noten
und Männergrippe und
grölende Nachbarn.
Wir brauchen ein Pflaster gegen
Wut und Trauer und Heimweh.
Und ein Pflaster gegen Liebeskummer auch.

Im Notfall ist für alles ist gesorgt.
Du bist Mutter und Vater.
Und Tröster.
Du bist da.

Jesus spricht:
Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen,
ich komme zu euch.
(Joh 14,18)



c. Verstand  (Motiv: Kopf/Glühbirne)

3. Zünd uns ein Licht an im Verstand,
gib uns ins Herz der Liebe Inbrunst,
das schwach Fleisch in uns, dir bekannt,
erhalt fest dein Kraft und Gunst.

Verstehen möchte ich
wie das ist mit dem Glauben.
Und dem Himmel.
Und dem Leben.
Warum Katzen schnurren
und warum Löwenmäulchen nicht beissen.
Irgendwann möchte ich wissen,
warum es Liebe gibt und Hass,
warum manche Freunde immer noch da sind und
andere seit Jahren schweigen.
Warum man Angst hat vor Fremdem
und vor Nähe auch.
Und warum das Stockbrot am Strand
besser schmeckt als 5 Gänge im Hilton.

Und sehen will ich das, was man nicht sieht.
Den unsichtbaren Draht zwischen zwei Menschen,
die sich erst kurz kennen,
aber schon ewig verstehen.
Den Schutzengel,
der schneller fliegt als das Auto fährt.
Die Stärke des Todkranken,
der sich nie aufgibt und den Tumor besiegt.

Ich möchte wissen,
warum ich liebenswert bin
obwohl schlechte Gedanken
sich pausenlos im Kreis drehen.
Ich möchte sicher sein,
auch etwas richtig gemacht zu haben.
Ich möchte Entscheidungen richtig treffen.
Mich auf meine Intuition verlassen.

Jesus spricht:
Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit,
kommen wird, wird er euch in alle Wahrheit leiten.
(Joh 16,13)

d. Finger an Gottes rechter Hand (Motiv: Hand)

4. Du bist mit Gaben siebenfalt
der Finger an Gottes rechter Hand;
des Vaters Wort gibst du gar bald
mit Zungen in alle Land.


Finger
bist du.
Ein Fingerzeig,
der erinnert,
der Orientierung gibt.
Der hinweist auf das,
was richtig ist. Und wichtig. Und gut.
Ein Fingerzeig, der Aufmerksam macht
auf die kleinen Dinge,
die das Leben wertvoll machen.
Der Besuch bei der alten Nachbarin im Heim.
Der auf dem Schulweg gepflückte Blumenstrauß.
Das Singen der Amsel am Ende der Nacht.

Ein Fingerzeig bist du,
der wachrüttelt und aufrüttelt.
Der sich hineinlegt in offene Wunden.
Der hinweist auf falsche Entscheidungen
und irrsinnige Politik.
Ein Finger, der sich selbst verwundet
am Stacheldraht, der Europa schützen soll.
Der umwirft die Mauern in den Köpfen derer,
die anderen vorschreiben,
wen und wie sie zu lieben haben.

Fingerzeig bist du,
der erinnert
an  Wichtiges,
an Versprochenes,
an Heiliges.

Jesus spricht:
Aber der Tröster, der heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.
(Joh 14,26)



e. Frieden  (Motiv: Peace-Zeichen)

5. Des Feindes List treib von uns fern,
den Fried schaff bei uns deine Gnad,
dass wir deim Leiten folgen gern
und meiden der Seelen Schad.

Frieden.
Schalom.
Salam.
Peace.

Weltfrieden brauchen wir!
Dringend!
Doch wo beginnen wir den?
Die Welt ist so groß!
Dann lieber nur
Frieden in Europa.
Vielleicht klappt ja der.
Wobei…
Selten war er so wackelig.
Aber kann ich das ändern?
Frieden in Deutschland:
schon das ist manchmal schwer genug.
Frieden in unserer Stadt?
Unserem Stadtteil?
Frieden jetzt und hier?
Vielleicht.
Vielleicht auch nicht.
Kleinkrieg ist Alltag.
Kleinfrieden?
Ist auch Alltag.
Oft merken wir den gar nicht,
den kleinen Frieden.

Frieden ist
wo Nachbarn zusammen Kaffee trinken,
auch wenn die Katze des Einen
den Koi-Karpfen des anderen gefressen hat.
Frieden ist, wenn Kollegen einander
ehrlich Feedback geben können
und niemand Angst haben muss
vor der Konkurrenz.
Frieden ist, wenn Ehepartner
nicht alles auf die Goldwaage legen.
Auch nicht die Socken in der Sofa-Ritze.
Frieden ist, wenn Muhammad aus Syrien
meinen Hund streichelt,
ohne schreiend von ihm wegzurennen.
Frieden ist, wenn Lehrerin
und Schüler zusammen Eis essen.
Frieden ist, wenn Yaya aus Gambia und
Trudi aus Frickenhausen zusammen 4gewinnt spielen.
Frieden ist, wenn man nicht nur Erfolg mit anderen teilen kann, sondern auch Wut und Angst,
Wurst und Schnaps,
Tod und Leben.

Jesus spricht:
Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.
Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.
Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.
(Joh 14,27)


f. Glauben (Motiv: Haus)

6. Lehr uns den Vater kennen wohl, dazu Jesu Christ, seinen Sohn,
dass wir des Glaubens werden voll,
dich, beider Geist, zu verstehn.


Gott kennen.
Eine Vorstellung von ihm haben.
Wissen, wo man ihn findet.
Wo sein Wohnsitz ist.
Glaubensgewissheit haben.
Nicht mehr über Zweifel sinnieren.
Gibt es einen Gott oder bilden wir uns das nur ein?
Haben alle den gleichen Gott -
oder ist Allah unter einer anderen Adresse erreichbar?
Wer ist denn Gott überhaupt –
und wenn ja: wieviele?
Und was kann man eigentlich
über Gott wissen?

Glauben lernen hört nie auf.
Vom ersten bis zum letzten Atemzug
lässt sich Gott suchen und finden. 
In der Geschichte, die die Oma erzählt.
In der Kinderbibel, die man schon selber lesen kann.
Im Konfirmandenunterricht.
Beim Traugespräch.
Im Hauskreis.
Beim Kaffee trinken mit der besten Freundin
auf der Eckbank in der Küche
und beim Allein sein draußen im Wald.
Hier im Gottesdienst.
Und  später beim Feiern
mit der Familie.

Jesus spricht:
Euer Herz erschrecke nicht!
Glaubt an Gott und glaubt an mich!
In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.
(Joh 14,1.2)


g. Vater, Sohn und Tröster  (Motiv: leeres Bild)

7. Gott Vater sei Lob und dem Sohn,
der von den Toten auferstand,
dem Tröster sei dasselb getan
in Ewigkeit alle Stund.

Alles in einem
und einer in allen.
Ein Geheimnis ist es
immer noch – und bis
ans Ende unserer Tage.
Gott ist die eine – und doch drei.
Er sprengt unsere Vorstellung.
Alle haben wir andere Ideen von Gott.
Für die eine ist Gott weiblich
und sie hat dunkle Haut.
Für den anderen ist Gott männlich,
mittelalt und mit Vollbart.

Gott ist anders.
Nicht für alle gleich.
Manchmal sogar für mich
heute so und morgen ganz neu.
Aber Gott ist.
Und Gott ist gut.
Und Gott bleibt gut.

Jesus redete in Bildern.
Weil seine Freunde Bilder verstehen konnten.

Martin Luther hat versucht,
für seine Zeit ein Bild zu zeichnen von Gott.
Ein Bild, das man singen kann.
Vielleicht hat er deshalb
Gott etwas besser verstanden.

Wir dürfen heute
für unsere Zeit ein Bild zeichnen für Gott.
Ein leerer Rahmen
lässt Platz
für mein Bild von Gott.
Meine Erfahrung mit Gott.
Meinen Wunsch an Gott.

Lässt Platz für
Schöpfer, Jesus und Heiligen Geist.

Vielleicht hat manches Bild Ähnlichkeit
mit dem von Martin Luther.
Vielleicht entstehen auch etwas ganz Neues.
Vielleicht fällt euch auch ein Lied dazu ein.

Nehmt einen leeren Rahmen mit.
Jede/r kann selber malen.   

Jesus spricht:
Das habe ich euch in Bildern gesagt.
Es kommt die Zeit, da ich nicht mehr in Bildern mir euch reden werde, sondern euch frei heraus verkündigen von meinem Vater.
Denn er selbst, der Vater hat euch lieb, weil ihr mich liebt und glaubt, dass ich von Gott ausgegangen bin.
(Joh 16,25.27)



3. Ein Lied, ein Bild, ein Wort II

Manchmal braucht es ein Lied, ein Bild, ein Wort
um zu sehen
und zu glauben.
Manchmal braucht es mich.
Ich kann anderen Bilder vor Augen malen,
dazu singen und erzählen:
Mein Lied.
Mein  Bild.
Mein Wort.
Gott.

Amen


Samstag, 6. Mai 2017

Mensch aus Titan


I. Titanium

(Musik: Titanium impro)

Du schreist es laut
Aber ich kann dich nicht hören
Ich rede laut, sag nicht viel
Ich werde kritisiert,
aber alle Schüsse prallen an mir ab
Du schießt mich nieder,
aber ich stehe wieder auf

Ich bin kugelsicher,
hab nichts zu verlieren
Feuer frei, Feuer frei
Es prallt ab, du zielst
Feuer frei, Feuer frei
Du schießt mich nieder,
aber ich werde nicht fallen
Ich bin Titanium
Hau mich um -
du wirst derjenige sein,
der tiefer fallen wird
Geisterstadt, Geisterliebe
Erhebe die Stimme,
Stöcke und Steine
können meine Knochen brechen
Ich rede laut, aber nicht viel

Steinhart: Maschinengewehre
schießen auf den einzigen, der noch rennt
Steinhart: wie Panzerglas
Ich bin kugelsicher, hab nichts zu verlieren
Feuer frei, Feuer frei
Es prallt ab, du zielst
Feuer frei, Feuer frei
Du schießt mich nieder,
aber ich werde nicht fallen
Ich bin Titanium
Ich bin Titanium

(Musik)
 II. Mensch aus Titan
Ich bin ein Mensch
aus Titan.
Unverwundbar.
Steinhart.
Allem kann ich mich aussetzen:
Es prallt an mir ab.
Macht mir nichts aus.
Ich kann weiterleben
als ob nichts wäre.

Ich bin ein Mensch
aus Titan.
Unverwundbar.
Steinhart.
Ich habe keine Angst
vor bösen Worten
und Briefen
und Mails
die mich treffen sollen.
Und zerstören.
Nichts haut mich um.

Ich bin ein Mensch
aus Titan.
Unverwundbar.
Steinhart.
Es macht mir nichts aus
wenn Freunde
meine Geheimnisse erzählen
und Klassenkameraden schikanieren.
Ich kann gut damit leben,
dass Eltern enttäuschen,
Kinder rebellieren und
Freunde verletzen.
Ich bin aus Titan
und wenn meine Schwester lügt
und der Onkel mich
zu Geheimnissen zwingt
und die Nachbarin
dumme Witze reißt,
dann stecke ich das weg.
Ich bin ein Mensch
aus Titan.
meine kugelsichere Weste
funktioniert.
Du denkst, du triffst mich.
Zerstörst
  mich.
Tötest mich.
Aber das Leben geht weiter.
Immer.
Traum Ende.

(Musik)

III. Mensch aus Fleisch und Blut
Er war
kein Mensch aus Titan.
Verwundbar war er.
Und die,
die bei ihm waren
auch.

Wolkenweich
aus Fleisch und Blut.
Jesus.
Sohn Gottes.
Freunde und Eltern hatte er,
Geschwister und Lehrerinnen,
Nachbarn - und vor allem:
Jüngerinnen und Jünger.
Keine Menschen aus Titan.
Nicht einer.
Keiner von ihnen unverwundbar.
Keiner mit kugelsicherer Weste.
Und Jesus war einer von ihnen.
Sohn und Bruder,
Freund und Neffe,
Nachbar und Rabbi.
Jesus ist
wie ich und du.
Wolkenweich
aus Fleisch und Blut.
Und ohne kugelsichere Weste.
 

IV. Würde ist antastbar
Menschen gegen Menschen:
Schon seit Anbeginn der Erde
wird gezielt und erschlagen.
Geschossen und verletzt
mit Worten und Waffen.
Es wird gelogen und gefakt
im virtuellen und im realen Leben.
Es wird
gemobbt,
getratscht,
gelacht und
zerstört,
verraten und
verkauft,
missbraucht und
verletzt.


Die Würde ist antastbar.
Du bist was du dealst und
bekommst, was du verdienst.
Was und wieviel das ist,
entscheiden andere.
Die Würde ist antastbar.
Diese Fotos von dir
darf niemand sehen -
außer der eine,
über den du dich ausschweigst.
Morgen sind sie im Klassenchat.
Die Würde ist antastbar.
Und es trifft.
Jedes Mal.
Die volle Wucht des
außer Kontrolle geratenen
Feierabendbiers genau so,
wie am Tag danach
die Laune der Mitbewohnerinnen
und Mitbewohner.
Es trifft.
Und es tut weh.
Jedes verdammte Mal.
Es wäre so schön,
wenn mir nichts ausmachen würde,
was andere auf mich abfeuern.
Ich schaffe es nicht.
Ich bin
nicht aus Titan.
Bin wie Jesus.
Und Jesus wie ich.
  
 

V. Abendmahl (Lukas 22,14-21)
Als es Zeit war,
setzte sich Jesus an den Tisch-
und die Apostel mit ihm.

Und er sprach zu ihnen:
Mich hat herzlich verlangt,
dies Passalamm mit euch zu essen,
ehe ich leide.
Denn ich sage euch,
dass ich es nicht mehr essen werde,
bis es erfüllt wird im Reich Gottes.
Und er nahm den Kelch, dankte und sprach:
Nehmt ihn und teilt ihn unter euch;
denn ich sage euch:
Ich werde von nun an nicht trinken
von dem Gewächs des Weinstocks,
bis das Reich Gottes kommt.
Und er nahm das Brot,
dankte und brach's
und gab's ihnen und sprach:
Das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen auch den Kelch
nach dem Mahl und sprach:
Dieser Kelch ist
der neue Bund in meinem Blut,
das für euch vergossen wird!
Doch siehe,
die Hand meines Verräters
ist mit mir am Tisch.

(Musik bis Ende)
VI. Gemeinschaft der Verwundbaren

Ich bin ein Mensch.
Nicht aus Titan.
Verwundbar.
Wolkenweich und
aus Fleisch und Blut.
Allem bin ich ausgesetzt
und nichts prallt an mir ab.
Und an den anderen auch nicht.
Keiner von uns ist aus Titan.

Wir sitzen am Tisch.
Brauchen einander.
Verstehen uns
manchmal mit Worten und
manchmal ohne.
Spüren die Hand des anderen
auf unserer Schulter und
Tränen auf der Haut.
Fühlen Schmerz und Trauer,
Zuneigung und Verständnis.
Kein Panzerglas zwischen uns
und keine kugelsichere Weste.

Wir sitzen am Tisch.
Jesus, ich
und all die anderen.
Judas verrät.
Petrus verleugnet.
Maria gibt die Hoffnung auf.
Es schmerzt.
Jesus,
der Verwundbarste
und Wunderbarste,
teilt Brot und Wein.
Lebt nicht weiter
als ob nichts wäre
sondern
teilt seine Angst
vor den Wunden,
dem Sterben und
dem Tod.
Liebt den Verleugner,
den Verräter,
die Hoffnungslose.
Liebt mich
und spricht:
Nimm und iss
und trink!
Und erinnere dich daran:
das Reich Gottes
ist nicht verwundbar.
Und du bist nicht verwundbarer
als ich.
      
Die kugelsichere Weste
hängt am Stuhl.

Amen.
(Predigt zum Konfirmandenabendmahl am 06. Mai 2017 in der Eusebiuskirche Wendlingen)

Dienstag, 2. Mai 2017

Von Hirten und Schafen



Und des HERRN Wort geschah zu Hesekiel: Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.

Es entspann sich eine längere Diskussion zwischen Heide, Cloud und  Mopple the Whale. Mopple the Whale bestand darauf, dass die Güte eines Schäfers sich ausschließlich an Futtermenge und -qualität erweisen würde und dass es hier nichts, aber auch gar nichts gegen George Glenn zu sagen gäbe.

Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.

Schließlich einigte man sich darauf, dass ein guter Schäfer sei, der niemals den Lämmern die Schwänze kupiert, keinen Schäferhund einstellt, Futter in Hülle und Fülle verabreicht, vor allem Brot und Zucker, aber auch gesunde Sachen wie Kräuter, Kraftfutter und Rüben (ja, sie waren alle sehr vernünftig) und sich ganz und gar in die Produkte seiner eigenen Herde kleidet, etwa mit einem Ganzkörperfell aus gesponnener Schafswolle. Das würde dann sehr schön aussehen, beinahe so, als wäre er auch ein Schaf. Natürlich war allen klar, dass ein solch vollkommenes Wesen auf der ganzen Welt nicht zu finden war. Aber ein schöner Gedanke war es trotzdem.

Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR.

(Hesekiel 34 in Auszügen)

Man seufzte ein bisschen und wollte dann wieder auseinander gehen, hochzufrieden damit, alle offenen Fragen geklärt zu haben.

(aus: Leonie Swann; GLENKILL; S. 13)



Gebet eines Schafs


Ich bin ein Schaf.
Und du bist mein Hirte.
Wir gehören zusammen.
Brauchen einander.

Ohne mich
bist du nichts.
Und ohne dich
bin ich nichts.

Ohne Hirte
Bin ich ein verlorenes Schaf.
Ohne Schafe
bist du ein unnützer Hirte.

Schafe brauchen Schutz.
Und frischen Wiesen.
Ein paar Zuckerrüben extra.
Und manchmal auch besondere Kräuter
damit wir gesund bleiben.
Jemand muss den Wolf
von der Herde fern halten
und die Maul- und Klauenseuche.


Es muss uns jemand
von der Last der Wolle befreien
und daraus Pullover stricken.
Wenn ein Lamm geboren wird
bist du da
und nimmst Anteil
und hilfst
beim Hineinfinden ins Leben
und in die Herde.
Du bist
für mich da.
Immer.
Das ist deine Aufgabe.

Ewiger Hirte,
ich bin so ein Schaf.
Manchmal ein
sehr menschliches Schaf.
Manchmal auch ein
Dämliches.
Manchmal auch ein
Treues.
Manchmal auch
alles auf einmal.

Es ist nötig,
d
ass du beschützt
vor bösen Gedanken
und schlechten Träumen
und unrealistischen Ideen.
Ich bin bei dir sicher.

Da ist meine Angst,
mein Leichtsinn,
mein Übermut:
auch damit
kommst du
klar.

Die eine oder andere
Bauchlandung
hast du verhindert.
Manch eine auch nicht.
Dann hast du getröstet.

Du kennst
die Umgebung.
Fruchtbaren Boden
für Worte
und Ideen
und Visionen
hast du im Blick.

Das Innerste
meiner Seele kennst du.
Auch das Kribbeln im Bauch
und
den Stein auf dem Herzen.

Wenn das Unheil
bedrohlich nah kommt,
gehst du dazwischen
und hältst fern,
was mir schaden will.
Wenn die Neugier
mich von der Herde
und von dir
wegführt,
gehst du mir nach.

Ich bin ein Schaf.
und du du bist mein Hirte.
Dir vertraue ich.

Amen.





Freitag, 28. April 2017

Trauer und Hoffnung





(Piano)
Nur Gott weiß, was sich in diesen schwachen und
taumelnden Herzen verbirgt.
Ich schätze mal, dass du die Mädels geküsst
und sie zum Weinen gebracht hast -
all diese Unglücksköniginnen
mit ihren versteinerten Gesichtern.


Nur Gott weiß, was sich in deren schwachen
und tiefliegenden Augen verbirgt,
eine feurige Schar verstummter Engel,
deren Liebe unerwidert bleibt.


Nur Gott weiß.
Gott.
Allwissend und Geheimnisvoll.
Kennt zerbrochene Herzen
und
sammelt Tränen
wie Edelsteine.
Hütet die Liebe.
Beschützt das Schwache.
Tröstet die Traurigen.
Ermutigt die Zweifelnden.
Bewahrt die Suchenden.

Nur Gott weiß
wo Zweifel
und Fragen
an der Seele nagen:
nichts fühlen kann man.
Nichts sehen kann man.
Nur glauben.
Und hoffen.

Glauben
dass da etwas ist
hinter dem
was für die Welt
und dich
und mich
erkennbar ist.

Hoffen
dass es nicht vorbei ist
mit dieser Welt
und dir
und mir
wenn etwas zu Ende geht.

Glauben und hoffen.
Hoffen und glauben.
Und nachfragen
bei Jesus.


Noch eine kleine Weile,
dann werdet ihr mich nicht mehr sehen;
und abermals eine kleine Weile,
dann werdet ihr mich sehen.
Da sprachen einige seiner Jünger untereinander:
Was bedeutet das?


(Piano)
Menschen, helft euch gegenseitig
und wenn du Heimweh hast,
gib mir deine Hand, ich halte sie fest.

Menschen, helft euch
dann wird euch nichts unterkriegen.


Heimweh.
Die Seele schmerzt
und sehnt sich nach Himmel.
Dorthin, wo es schön ist.
Wo man füreinander da ist
und keiner die Einsamkeit
aushalten muss.
Wo man aufeinander achtet.
Wo Worte nicht verletzen
und Blicke nicht herabwürdigen.
Heimweh nach dort, wo Gott wohnt.
Wo er sein Haus unter uns baut.
Wo er den Himmel auf Erden schenkt.
Heimat.
Etwas, das bleibt -
und morgen nicht schon wieder anders ist.
Einen Ort zum Zuhause sein
und Wurzeln schlagen.
Wo Herzensdinge sicher sind.
Wo Freunde warten
und Jesus,
der spricht:


Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Ihr habt nun Traurigkeit;  
aber ich will euch wiedersehen,
und euer Herz soll sich freuen,
und eure Freude soll niemand von euch nehmen.

(Piano)
Hätte ich Verstand,
wäre ich kalt wie ein Stein und reich wie der Narr,
der all die Guten zurückgewiesen hat.

Nur Gott weiß, was sich in dieser Welt verbirgt,
in der wir kaum für etwas grade stehen müssen.
Was sich hinter den Tränen verbirgt, inmitten der Lügen:
in den tausend langsamen Sonnenuntergängen.


Gott weiß
um Kaltes
und Närrisches.
und Tränen.
und Lügen.
Um Sonnen - und Weltuntergänge.
Um verpasste Chancen und
vergessene Versprechen.

Er weiß um alles.
Und setzt sich trotzdem an den Tisch
mit Narren und Steinen.
Mit denen von den Hecken und Zäunen,
und von der Landstraße.
Mit denen, die übers Mittelmeer kamen
und denen, die schon da waren.
Mit denen, die sich Heldenhaft und
mit einem großen Glauben
ins Rampenlicht setzen
und
mit dem Verräter.

Er sitzt an den Tisch
mit euch Konfis,
die ihr euch neu und unsicher fühlt
wie Anfänger
im Leben und im Glauben.
Und er sitzt an den Tisch
mit denen,
die seit langem aus- und eingehen
in Gottes Wohnzimmer
und deshalb wissen,
wo das Brot im Kasten liegt und
der Wein im Keller.

Nehmt und esst vom Brot des Lebens.
Nehmt und trinkt vom Kelch des Heils.


(Piano)
Nur Gott weiß, was sich in diesen schwachen und trunkenen Herzen verbirgt.
Stell dir vor, die Einsamkeit würde sich einschleichen,
dann denk dran: niemand MUSS allein sein - rette mich!
Menschen helft euch gegenseitig
und wenn Du Heimweh hast,
gib mir deine Hand, ich halte sie fest.

Der Tisch ist groß genug für alle.
Und ist Heimat.
Für alle,
die im täglichen
Sonnenuntergang ihres Lebens
stranden
und ihren Weg irgendwohin weitergehen.
Und wieder hierher zurückfinden.
Oder an einen anderen Tisch
an anderem Ort
mit Brot und Wein.

Und Jesus,
ist hier
und dort
und streckt die Hand aus
und spricht:

Das habe ich mit euch geredet
damit ihr Frieden habt.
In der Welt habt ihr Angst;
aber seid getrost,
ich habe die Welt überwunden.

Amen
(Predigt zu Johannes 16 anlässlich des Konfi-Abendmahls 2016 in der Wendlinger Eusebiuskirche)

Sonntag, 2. April 2017

Lernen fürs Leben: Abraham.


I. Geschichten

Nach diesen Geschichten prüfte Gott Abraham
und sprach zu ihm: Abraham!
Und er antwortete: Hier bin ich.


Nach diesen Geschichten
prüfte Gott Abraham.

Nach diesen Geschichten,
die das Leben schrieb.

Abraham, hast du deine Lektion gelernt?

Du hast neu angefangen im fremden Land.
Mut brauchtest du,
aber Sara war ja mit dabei.
„Wir werden das schaffen.“
Und ihr schafftet den Anfang.

Abraham, hast du daraus gelernt?

Zuerst hat es sich noch gut angefühlt.
Aber dann bleibt der ersehnte Nachwuchs aus.
Emotionales und soziales Ende.
Die Leute reden.
Geben Tipps.
Ihr sucht nach Schuld bei euch.
Fühlt euch als Versagerin und Versager.


Und mittendrin:
Segensversprechungen.
Der Biologie zum Trotz.
„Ich will dich zum großen Volk machen
und du sollst ein Segen sein“.
 

Abraham, hast du daraus etwas gelernt?

Hungersnot und Flucht
habt ihr kennengelernt.
Bis nach Ägypten habt ihr euch durchgeschlagen.
Sicher fühltet ihr euch dort nicht.
Schmierengeschäfte mit dem Pharao
waren ein leidiger Versuch,
deine Haut zu retten.
Sara als deine Schwester ausgegeben:
was hast du dir dabei eigentlich gedacht?
Immerhin hat es dir materiell nicht geschadet.
Reich warst du, als du von dort zurück kamst.
So reich, dass das Zusammenleben mit
deiner Verwandtschaft nicht mehr möglich war.
Bruch mit der Familie
und Teilung der Sippe waren die Konsequenz.

Abraham, hast du das alles vergessen?


Und immer wieder:
Segen. Und Versprechen.
Aber kein Kind.
Keinen Sohn.
Was ist denn mit diesem Versprechen?
„Sieh gen Himmel und
zähle die Sterne:
Kannst du sie zählen?
So zahlreich sollen deine Nachkommen sein!“
Wieviel ist Gottes Versprechen wert?

Weißt du darauf eine Antwort, Abraham?

Du hast deinem Schicksal nachgeholfen.
Hagar war auch eine Frau,
mit der man einen Sohn zeugen kann.
Du hast diese Chance nicht ungenutzt gelassen.
Irgendwann muss doch Wirklichkeit werden
was Gott dir versprochen hat.
Endlich.
Das Glück hat einen Namen: Ismael.
Und alles ist gut.
Für den Moment.
Ab und zu hast du Zweifel,
ob das alles richtig war so.

Abraham, was hast du daraus gelernt?

Hart verhandelt hast du mit Gott.
Sodom und Gomorra
dürfen nicht vernichtet werden.
Du hast nicht locker gelassen.
Schließlich ging es um deinen Neffen Lot.
Gott lässt lange mit sich reden.
Und doch ist es passiert:
Gott hat dich zurück gelassen
und schweigt.
Das hoffnungslose Bild
zerstörter Städte
brannte sich in deine Seele.
Es schmerzt,
auch wenn du Lot
aus der Hölle heraus gehandelt hast.

Abraham, weißt du das noch?

Nach diesen Geschichten
prüfte Gott Abraham.
Abraham, hast du aus all dem gelernt?



II. Wunder

Wie durch ein Wunder
ist es passiert.
Damit gerechnet hast du nicht mehr.
Isaak wird geboren.
Sohn der Verheißung.
Eltern seid ihr geworden.
Im Alter.
Dann, wenn man sich eigentlich                               
vom Leben langsam verabschiedet.
Anfangs war es pures Glück.
Aber dann immer wieder diese Gedanken:
Zwei Söhne sind einer zuviel.
Einer zuviel für diese Verheißung.


Nein… es hat bestimmt alles so sein sollen.
Aber man macht sich halt Gedanken.
Verständlicherweise.

Du hast viel erlebt, Abraham.
Mit Gott und den Menschen.

Aber hast du daraus gelernt?

Als Sara deinen ersten  Sohn
mit seiner Mutter Hagar
in die Wüste schickte:
verbuchtest das auch einfach
unter Lebenserfahrung?
Hast du keinen Moment gezweifelt?
Versucht, mit Gott zu handeln?
Ismael war, nein IST dein Sohn!
Ach nein… da ist ja noch Isaak.


III. Isaak

Und Gott sprach: Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast, und geh hin in das Land Morija und opfere ihn dort zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde.

Isaak.
Sohn.
Geliebter.
Dein Stolz
aus Fleisch und Blut.
Noch nicht lange
ist es her,
dass er zum ersten Mal
Papa gesagt hat.
Die ersten Schritte
im Sand der Wüste:


Drei hat er geschafft.
Dann ist er wieder
auf dem Hintern gesessen.
Als er zum ersten Mal
die Schafe zum Tränken getrieben hat
mit kaum 4 Jahren
ist er am Ende selbst im Brunnen gelegen
und hat gequietscht vor Freude!

Dein ganzer Stolz ist Isaak!
Menschgewordener Segen.



Und jetzt?
Was will Gott von dir?
Deinen Sohn?
Diesen einen, von ihm Versprochenen?

Das darf doch nicht wahr sein!
Ismael hast du weggeschickt -
und ihn willst du opfern?
Umbringen?
Ermorden?



IV. Weg

Da stand Abraham früh am Morgen auf und gürtete seinen Esel und nahm mit sich zwei Knechte und seinen Sohn Isaak und spaltete Holz zum Brandopfer, machte sich auf und ging hin an den Ort, von dem ihm Gott gesagt hatte.

Abraham, weißt du, was du tust?
Was willst du deinem Gott beweisen?
Du machst dich also tatsächlich auf den Weg.
Offensichtlich bist du davon überzeugt,
dass du diese Sache zu Ende bringen musst.
Alternativlos.



V. Bergauf

Am dritten Tage hob Abraham seine Augen auf und sah die Stätte von ferne und sprach zu seinen Knechten: Bleibt ihr hier mit dem Esel. Ich und der Knabe wollen dorthin gehen, und wenn wir angebetet haben, wollen wir wieder zu euch kommen. Und Abraham nahm das Holz zum Brandopfer und legte es auf seinen Sohn Isaak. Er aber nahm das Feuer und das Messer in seine Hand; und gingen die beiden miteinander. Da sprach Isaak zu seinem Vater Abraham: Mein Vater! Abraham antwortete: Hier bin ich, mein Sohn. Und er sprach: Siehe, hier ist Feuer und Holz; wo ist aber das Schaf zum Brandopfer? Abraham antwortete: Mein Sohn, Gott wird sich ersehen ein Schaf zum Brandopfer. Und gingen die beiden miteinander.

Abraham, was hast du Isaak eigentlich gesagt?
Was war für ihn das Ziel der Reise?
Drei Tage wart ihr zusammen unterwegs.
 
Was redet man da so?
Männergespräche?
Isaak stellt Fragen.
Fühlt dir auf den Zahn.
Es ist doch auch nicht logisch:
ein Brandopfer ohne Tier.
Aber du weichst aus.
Faselst etwas von Schaf und Gott.
Oder hast du etwa geglaubt,
was du da sagst?
Und hat Isaak dir geglaubt?
Ihm die Wahrheit zu sagen,
hast du nicht übers Herz gebracht.




VI. Altar

Und als sie an die Stätte kamen, die ihm Gott gesagt hatte, baute Abraham dort einen Altar und legte das Holz darauf und band seinen Sohn Isaak, legte ihn auf den Altar oben auf das Holz und reckte seine Hand aus und fasste das Messer, dass er seinen Sohn schlachtete.

Abraham, du tust es,
nicht wahr?
Eine andere Option hast du nicht mehr.
Dieser Gott, hat ihn dir gegeben,
er hat auch das Recht,
ihn wieder zu nehmen.
Diesen deinen Sohn.
Davon bist du überzeugt.
Trauer, Wut und Enttäuschung
hast du hinunter geschluckt.
Schritt für Schritt weggeatmet
auf dem langen Weg
nach oben zum Altar.
Der Schmerz, der dich innerlich zerreisst
schreit lauter als die Hoffnung
dass Gott gnädig ist.
Dass er keine Menschenopfer will,
so wie die Heiden.
Könntest du anders reagieren?
Ist blinder Gehorsam
die einzige Möglichkeit,
das Richtige zu tun?


Du opferst doch mit deinem Sohn
alle gelernten Lektionen
deines langen Lebens!
Du opferst Gottes Versprechen,
dich zu segnen!
Du opferst auch die Gewissheit,
vor Gott gerecht zu sein.
Gerecht zu sein,
auch ohne alles richtig zu machen.
Bist du dir sicher, dass du das alles
mit Isaak opfern willst?


Da rief ihn der Engel des HERRN vom Himmel und sprach: Abraham! Abraham! Er antwortete: Hier bin ich. Er sprach: Lege deine Hand nicht an den Knaben und tu ihm nichts;
denn nun weiß ich, dass du Gott fürchtest und hast deines einzigen Sohnes nicht verschont um meinetwillen. Da hob Abraham seine Augen auf und sah einen Widder hinter sich in der Hecke mit seinen Hörnern hängen und ging hin und nahm den Widder und opferte ihn zum Brandopfer an seines Sohnes statt.


Uff.
Das ist jetzt gerade nochmal gut gegangen.
Gerade noch rechtzeitig
hast du dich umgesehen.
Vielleicht hast du auch
seinen Blick nicht mehr ertragen,
wie er da liegt,
gefesselt und festgezurrt
auf dem Steinhaufen.
Mit aufgerissenen Augen,
starr vor Schrecken.
Engel waren da,
die deinen Sohn
beschützt haben.


Vor dir selber.
Vor deiner eigenen Radikalität
und dem Irrtum,
dass es nur die eine Lösung gibt.
Wie zufällig
blöckt ein Widder im Gebüsch.
Und du kannst deinen Sohn
freigeben.
Du kannst ihn freigeben
ohne vor deinem Gott
das Gesicht zu verlieren.
 
Man hört den Stein

von deinem Herzen rumpeln.

Und jetzt ist es
wie in einem anderen Film.
Die Gedanken gehen durcheinander.
Alles ist,
als ob es gerade jetzt erst geschehen wäre.
Du erinnerst dich daran,
dass Freude und Schmerz,
Wut, Hoffnung und Enttäuschung
zum Leben dazugehören.


Du hast Bilder im Herzen von eurem
ersten mutigen Auswandern und
spürst die Aufregung als Kribbeln im Magen.
Ihr wart nicht mehr die jüngsten,
Sara und du.
Aber ihr wart voller Vertrauen,
dass Gott euch einen guten Weg führt.


Dir fällt ein,
wie du mit Gott verhandelt hast.
In Sodom und Gomorra.
Und Lot hat überlebt.
Du kannst ihm sonst
nicht mehr viel helfen,
seit sich eure Sippen getrennt haben.
Aber du hast ihm das Leben gerettet,
weil Gott dir zugehört hat.


Du denkst an Ismael
und die Gedanken werden schwer.
Dein Magen fühlt sich flau an
und die Knie zittern.
Du empfindest Schmerz darüber,
dass du Ismael für immer verloren hast.
Er war nicht der von Gott verheißene Sohn.
Aber er war dein Sohn,
den du immer noch liebst.

Du erinnerst dich,
an das Versprechen Gottes,
ein großes Volk aus dir zu machen
und schaust Isaak dabei an.
Mit zerzaustem Haar sitzt er
auf einem Felsen und starrt zum Horizont.
Mitgenommen sieht er aus.
 
Du empfindest unbändige Liebe
für diesen Sohn,
der zu dir und Sara gehört.
Und du dankst Gott,
dass du ihn
nicht opfern musst.
Auch nicht all das andere,
was dein Leben wertvoll macht.


Du atmest durch.
Du blickst zum Himmel
und bist dankbar.
Jetzt, Abraham,
hast du die Prüfung bestanden.
   
Amen.


(Predigt zu Gen 22 in der Stephanuskirche im Roßdorf am 02. April 2017)