Samstag, 6. Mai 2017

Mensch aus Titan


I. Titanium

(Musik: Titanium impro)

Du schreist es laut
Aber ich kann dich nicht hören
Ich rede laut, sag nicht viel
Ich werde kritisiert,
aber alle Schüsse prallen an mir ab
Du schießt mich nieder,
aber ich stehe wieder auf

Ich bin kugelsicher,
hab nichts zu verlieren
Feuer frei, Feuer frei
Es prallt ab, du zielst
Feuer frei, Feuer frei
Du schießt mich nieder,
aber ich werde nicht fallen
Ich bin Titanium
Hau mich um -
du wirst derjenige sein,
der tiefer fallen wird
Geisterstadt, Geisterliebe
Erhebe die Stimme,
Stöcke und Steine
können meine Knochen brechen
Ich rede laut, aber nicht viel

Steinhart: Maschinengewehre
schießen auf den einzigen, der noch rennt
Steinhart: wie Panzerglas
Ich bin kugelsicher, hab nichts zu verlieren
Feuer frei, Feuer frei
Es prallt ab, du zielst
Feuer frei, Feuer frei
Du schießt mich nieder,
aber ich werde nicht fallen
Ich bin Titanium
Ich bin Titanium

(Musik)
 II. Mensch aus Titan
Ich bin ein Mensch
aus Titan.
Unverwundbar.
Steinhart.
Allem kann ich mich aussetzen:
Es prallt an mir ab.
Macht mir nichts aus.
Ich kann weiterleben
als ob nichts wäre.

Ich bin ein Mensch
aus Titan.
Unverwundbar.
Steinhart.
Ich habe keine Angst
vor bösen Worten
und Briefen
und Mails
die mich treffen sollen.
Und zerstören.
Nichts haut mich um.

Ich bin ein Mensch
aus Titan.
Unverwundbar.
Steinhart.
Es macht mir nichts aus
wenn Freunde
meine Geheimnisse erzählen
und Klassenkameraden schikanieren.
Ich kann gut damit leben,
dass Eltern enttäuschen,
Kinder rebellieren und
Freunde verletzen.
Ich bin aus Titan
und wenn meine Schwester lügt
und der Onkel mich
zu Geheimnissen zwingt
und die Nachbarin
dumme Witze reißt,
dann stecke ich das weg.
Ich bin ein Mensch
aus Titan.
meine kugelsichere Weste
funktioniert.
Du denkst, du triffst mich.
Zerstörst
  mich.
Tötest mich.
Aber das Leben geht weiter.
Immer.
Traum Ende.

(Musik)

III. Mensch aus Fleisch und Blut
Er war
kein Mensch aus Titan.
Verwundbar war er.
Und die,
die bei ihm waren
auch.

Wolkenweich
aus Fleisch und Blut.
Jesus.
Sohn Gottes.
Freunde und Eltern hatte er,
Geschwister und Lehrerinnen,
Nachbarn - und vor allem:
Jüngerinnen und Jünger.
Keine Menschen aus Titan.
Nicht einer.
Keiner von ihnen unverwundbar.
Keiner mit kugelsicherer Weste.
Und Jesus war einer von ihnen.
Sohn und Bruder,
Freund und Neffe,
Nachbar und Rabbi.
Jesus ist
wie ich und du.
Wolkenweich
aus Fleisch und Blut.
Und ohne kugelsichere Weste.
 

IV. Würde ist antastbar
Menschen gegen Menschen:
Schon seit Anbeginn der Erde
wird gezielt und erschlagen.
Geschossen und verletzt
mit Worten und Waffen.
Es wird gelogen und gefakt
im virtuellen und im realen Leben.
Es wird
gemobbt,
getratscht,
gelacht und
zerstört,
verraten und
verkauft,
missbraucht und
verletzt.


Die Würde ist antastbar.
Du bist was du dealst und
bekommst, was du verdienst.
Was und wieviel das ist,
entscheiden andere.
Die Würde ist antastbar.
Diese Fotos von dir
darf niemand sehen -
außer der eine,
über den du dich ausschweigst.
Morgen sind sie im Klassenchat.
Die Würde ist antastbar.
Und es trifft.
Jedes Mal.
Die volle Wucht des
außer Kontrolle geratenen
Feierabendbiers genau so,
wie am Tag danach
die Laune der Mitbewohnerinnen
und Mitbewohner.
Es trifft.
Und es tut weh.
Jedes verdammte Mal.
Es wäre so schön,
wenn mir nichts ausmachen würde,
was andere auf mich abfeuern.
Ich schaffe es nicht.
Ich bin
nicht aus Titan.
Bin wie Jesus.
Und Jesus wie ich.
  
 

V. Abendmahl (Lukas 22,14-21)
Als es Zeit war,
setzte sich Jesus an den Tisch-
und die Apostel mit ihm.

Und er sprach zu ihnen:
Mich hat herzlich verlangt,
dies Passalamm mit euch zu essen,
ehe ich leide.
Denn ich sage euch,
dass ich es nicht mehr essen werde,
bis es erfüllt wird im Reich Gottes.
Und er nahm den Kelch, dankte und sprach:
Nehmt ihn und teilt ihn unter euch;
denn ich sage euch:
Ich werde von nun an nicht trinken
von dem Gewächs des Weinstocks,
bis das Reich Gottes kommt.
Und er nahm das Brot,
dankte und brach's
und gab's ihnen und sprach:
Das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
das tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen auch den Kelch
nach dem Mahl und sprach:
Dieser Kelch ist
der neue Bund in meinem Blut,
das für euch vergossen wird!
Doch siehe,
die Hand meines Verräters
ist mit mir am Tisch.

(Musik bis Ende)
VI. Gemeinschaft der Verwundbaren

Ich bin ein Mensch.
Nicht aus Titan.
Verwundbar.
Wolkenweich und
aus Fleisch und Blut.
Allem bin ich ausgesetzt
und nichts prallt an mir ab.
Und an den anderen auch nicht.
Keiner von uns ist aus Titan.

Wir sitzen am Tisch.
Brauchen einander.
Verstehen uns
manchmal mit Worten und
manchmal ohne.
Spüren die Hand des anderen
auf unserer Schulter und
Tränen auf der Haut.
Fühlen Schmerz und Trauer,
Zuneigung und Verständnis.
Kein Panzerglas zwischen uns
und keine kugelsichere Weste.

Wir sitzen am Tisch.
Jesus, ich
und all die anderen.
Judas verrät.
Petrus verleugnet.
Maria gibt die Hoffnung auf.
Es schmerzt.
Jesus,
der Verwundbarste
und Wunderbarste,
teilt Brot und Wein.
Lebt nicht weiter
als ob nichts wäre
sondern
teilt seine Angst
vor den Wunden,
dem Sterben und
dem Tod.
Liebt den Verleugner,
den Verräter,
die Hoffnungslose.
Liebt mich
und spricht:
Nimm und iss
und trink!
Und erinnere dich daran:
das Reich Gottes
ist nicht verwundbar.
Und du bist nicht verwundbarer
als ich.
      
Die kugelsichere Weste
hängt am Stuhl.

Amen.
(Predigt zum Konfirmandenabendmahl am 06. Mai 2017 in der Eusebiuskirche Wendlingen)

Dienstag, 2. Mai 2017

Von Hirten und Schafen



Und des HERRN Wort geschah zu Hesekiel: Du Menschenkind, weissage gegen die Hirten Israels, weissage und sprich zu ihnen: So spricht Gott der HERR: Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Sollen die Hirten nicht die Herde weiden? So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an die Hirten und will meine Herde von ihren Händen fordern; ich will ein Ende damit machen, dass sie Hirten sind, und sie sollen sich nicht mehr selbst weiden. Ich will meine Schafe erretten aus ihrem Rachen, dass sie sie nicht mehr fressen sollen.

Es entspann sich eine längere Diskussion zwischen Heide, Cloud und  Mopple the Whale. Mopple the Whale bestand darauf, dass die Güte eines Schäfers sich ausschließlich an Futtermenge und -qualität erweisen würde und dass es hier nichts, aber auch gar nichts gegen George Glenn zu sagen gäbe.

Denn so spricht Gott der HERR: Siehe, ich will mich meiner Herde selbst annehmen und sie suchen. Wie ein Hirte seine Schafe sucht, wenn sie von seiner Herde verirrt sind, so will ich meine Schafe suchen und will sie erretten von allen Orten, wohin sie zerstreut waren zur Zeit, als es trüb und finster war. Ich will das Verlorene wieder suchen und das Verirrte zurückbringen und das Verwundete verbinden und das Schwache stärken und, was fett und stark ist, behüten; ich will sie weiden, wie es recht ist.

Schließlich einigte man sich darauf, dass ein guter Schäfer sei, der niemals den Lämmern die Schwänze kupiert, keinen Schäferhund einstellt, Futter in Hülle und Fülle verabreicht, vor allem Brot und Zucker, aber auch gesunde Sachen wie Kräuter, Kraftfutter und Rüben (ja, sie waren alle sehr vernünftig) und sich ganz und gar in die Produkte seiner eigenen Herde kleidet, etwa mit einem Ganzkörperfell aus gesponnener Schafswolle. Das würde dann sehr schön aussehen, beinahe so, als wäre er auch ein Schaf. Natürlich war allen klar, dass ein solch vollkommenes Wesen auf der ganzen Welt nicht zu finden war. Aber ein schöner Gedanke war es trotzdem.

Ja, ihr sollt meine Herde sein, die Herde meiner Weide, und ich will euer Gott sein, spricht Gott der HERR.

(Hesekiel 34 in Auszügen)

Man seufzte ein bisschen und wollte dann wieder auseinander gehen, hochzufrieden damit, alle offenen Fragen geklärt zu haben.

(aus: Leonie Swann; GLENKILL; S. 13)



Gebet eines Schafs


Ich bin ein Schaf.
Und du bist mein Hirte.
Wir gehören zusammen.
Brauchen einander.

Ohne mich
bist du nichts.
Und ohne dich
bin ich nichts.

Ohne Hirte
Bin ich ein verlorenes Schaf.
Ohne Schafe
bist du ein unnützer Hirte.

Schafe brauchen Schutz.
Und frischen Wiesen.
Ein paar Zuckerrüben extra.
Und manchmal auch besondere Kräuter
damit wir gesund bleiben.
Jemand muss den Wolf
von der Herde fern halten
und die Maul- und Klauenseuche.


Es muss uns jemand
von der Last der Wolle befreien
und daraus Pullover stricken.
Wenn ein Lamm geboren wird
bist du da
und nimmst Anteil
und hilfst
beim Hineinfinden ins Leben
und in die Herde.
Du bist
für mich da.
Immer.
Das ist deine Aufgabe.

Ewiger Hirte,
ich bin so ein Schaf.
Manchmal ein
sehr menschliches Schaf.
Manchmal auch ein
Dämliches.
Manchmal auch ein
Treues.
Manchmal auch
alles auf einmal.

Es ist nötig,
d
ass du beschützt
vor bösen Gedanken
und schlechten Träumen
und unrealistischen Ideen.
Ich bin bei dir sicher.

Da ist meine Angst,
mein Leichtsinn,
mein Übermut:
auch damit
kommst du
klar.

Die eine oder andere
Bauchlandung
hast du verhindert.
Manch eine auch nicht.
Dann hast du getröstet.

Du kennst
die Umgebung.
Fruchtbaren Boden
für Worte
und Ideen
und Visionen
hast du im Blick.

Das Innerste
meiner Seele kennst du.
Auch das Kribbeln im Bauch
und
den Stein auf dem Herzen.

Wenn das Unheil
bedrohlich nah kommt,
gehst du dazwischen
und hältst fern,
was mir schaden will.
Wenn die Neugier
mich von der Herde
und von dir
wegführt,
gehst du mir nach.

Ich bin ein Schaf.
und du du bist mein Hirte.
Dir vertraue ich.

Amen.