Sonntag, 28. April 2019

Wie geht das Leben weiter?

Gottesdienst in Frickenhausen

Sonntag Quasimodogeniti
28.04.2018

Gnade sei mit euch
und Frieden
von dem der war,
der ist und
der kommt.
Amen. 

#Fragen

Wie geht das Leben weiter?
So fragt man sich
wenn die Sonne untergeht
und es Nacht wird in der Seele
und – wenn überhaupt -
nur in winziger Funke Hoffnung
noch da ist
der fast verglimmt.

Wie geht das Leben weiter?
Wenn Menschen diese Welt verlassen
nicht nur eine kleine Zeit
sondern für immer?
Und einer bleibt zurück.

Wie geht das Leben weiter?
Wenn alle Hoffnungen auf ein gutes Leben
wie Sand
zwischen den Fingern zerrinnen
und am Ende
nichts bleibt
als Angst
und Not
und Tränen?

Wie geht das Leben weiter,
wenn schon das Lachen eines Kindes
und das Zwitschern der Vögel
und der orangerote Sonnenuntergang
der Seele Schmerz bereiten?

Wie geht das Leben weiter?
Wenn man zwar weiß,
dass es eine Zukunft gibt,
diese aber
in dicke Nebelschwaden gehüllt ist
und jede Idee fehlt
wie alles gut werden kann?
(NEBEL heißt übrigens
rückwärts gelesen
LEBEN. Zufall?)

Wie geht das Leben weiter?
Nach Ostern?
Trotz Ostern?
Wegen Ostern?

Gekreuzigt ist er.
Gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Ich glaube.
Glaube ich?

Glaube ich,
dass Leben tatsächlich weitergeht?


#Fragen2019

Wie geht das Leben weiter
für die Menschen in Sri Lanka,
die ihre Liebsten
bei den Anschlägen am Ostersonntag
verloren haben?

Wie geht das Leben
weiter für die Eltern aus Dänemark,
die dabei drei ihrer vier Kinder verloren?

Wie geht das Leben weiter für Tina und ihren
Trans-Mann Ong aus Malaysia, die ihren
Abschiebebescheid in den Händen halten
und auf die in ihrer Heimat der sichere Tod wartet?

Wie geht das Leben weiter?
Für die hoch betagte Mutter,
deren Tochter den Kampf gegen den Krebs
für immer verloren hat?

Wie geht das Leben weiter?
Für Heiko, dessen begrenzte Job-Chancen  
sich diese Woche wieder zerschlagen haben:
Langzeitarbeitslos = chancenlos = wertlos.

Wie geht das Leben weiter?
Wenn die Depression zuschlägt
und für Marie die Sehnsucht nach dem Tod
größer ist, als der Wille zum Leben?



#Thomas&Friends

Wie geht das Leben weiter?
Das war auch ihre Frage.
Sie begleiteten Jesus in den Tod:
Maria und Johannes, Salome, Petrus und
Jakobus, Bartholomäus, Thomas
und alle anderen.
Und als würde das alleine nicht reichen,
beginnt für sie der Ostermorgen,
mit dem Schrecken
eines leeren Grabes.
„Fürchtet euch nicht!“
war die Botschaft des Engels.
Zwischen Hoffen und Bangen
leben sie seither
und warten
und vertrauen darauf,
dass sich das alles als wahr erweisen wird.

Gekreuzigt ist er.
Gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Und dann tatsächlich
den trauernden und verwirrten
Jüngerinnen und Jüngern
begegnet er
am Abend in Jerusalem.

Sie können ihn sehen.
Können glauben.
Und hoffen, dass das alles wahr ist.
Friede mit euch
hat er gesagt.
Ihr Leben geht weiter
weil sie dem Auferstandenen begegnet sind.
Weil der Tod dann wohl doch nicht das Ende war.

Thomas glaubt nicht.
Weil er nicht da war.
Thomas ist Realist.
Erzählen kann man ihm viel.
„Solange ich ihn nicht selbst gesehen habe
und solange ich nicht
die Wunden der Nägel
in seiner Handfläche gespürt habe:
Solange glaube ich nicht.“
So sagte er es.  
Eine Woche vergeht in der Gewissheit:
Thomas hat Jesus verpasst.

Aber Jesus hat Thomas
und seine Zweifel
nicht verpasst.
Jesus kommt zurück und
lässt den ihn, den Zweifler,
näher an sich heran,
als alle anderen.
Lässt sich berühren.
Friede mit euch!
Frieden ist mit Thomas.
Er hat Jesus gesehen und weiß jetzt:
Das Leben geht weiter.


#SeligGlauben

Selig, sind,
die nicht sehen und doch glauben!
Jesus findet
klare Worte
zum Abschied.
Sieht die Menschen,
die voll von Zweifel,
aber auch von Hoffnung erfüllt
sehen, hören, spüren und riechen wollen,
dass der Tod entmachtet ist
und das Leben weitergeht.
Jesus weiß,
dass es sich in Zukunft so anfühlen wird,
als ob er weit weg wäre.
Weiß auch, dass die Zeit kommen wird,
in der keiner mehr auf dieser Erde lebt,
der ihm leibhaftig begegnet ist.
Selig sind,
die nicht sehen und doch glauben!
Ein Vermächtnis
für Maria und Johannes,
Salome, Petrus und Jakobus, Bartholomäus,
und alle anderen.
Ein Vermächtnis für diejenigen,
die Jesus nie gesehen haben.  
Für die Zweifler wie Thomas.
Für uns.

Das Leben geht weiter
für die, die glauben.

Gesandt hat er sie
zu den Menschen
bis an die Enden der Erde
und das Ende der Zeit.
Gesandt hat er sie auch nach
Pontus, Galation, Kappadozien,
in die Provinz Asia und nach Bithynien.
Es entstehen Gemeinden der Glaubenden.
Und an die Christen dort
ist ein Brief überliefert,
der im Laufe der Geschichte
dem Apostel Petrus zugeschrieben wurde.
Er schreibt:


#Brief
(1. Petrus 1,3-9, BigS)

Gelobt sei Gott,
Ursprung von Jesus Christus,
zu dem wir gehören.
Gott hat großes Mitleid gehabt
und uns wiedergeboren,
so dass Hoffnung
in uns lebendig geworden ist,
weil Jesus Christus
von den Toten
aufgestanden ist.
Wir hoffen,
dass wir etwas erben werden, das nie vergeht,
das ohne Fehler ist und nicht verwelkt.
Es wird in den Himmeln für uns aufbewahrt,
für uns, die wir behütet werden von Gottes Kraft,
weil wir an die Rettung glauben,
die darauf wartet,
am Ende der Zeit für alle offen gelegt zu werden.
(…)
Obwohl ihr den, dem ihr vertraut,
jetzt nicht seht,
jubelt ihr mit einer Freude,
die nicht mit Worten ausgedrückt werden kann,
die im Glanz strahlt,
denn ihr erreicht das Ziel eures Glaubens
:
euer Leben wird gerettet
.


#GuterHoffnungsein

Wenn ein Kind unterwegs ist
dann sagte man früher:
„Ich bin guter Hoffnung“.
Weil man wusste:
nach den Schmerzen
schreit ein neues Leben.
Eine Geburt
ist die Schwelle
zwischen Leben und Tod.
Nicht immer geht es gut.
Auch heute noch ist  
dieser Übergang ins Leben
mit Schmerzen verbunden.
Und mit einem gewissen Risiko,
auch wenn die moderne Medizin
Sicherheit verspricht.
Wer geboren wird,
muss durch einen dunklen
Geburtskanal hindurch.
Erfährt Schmerzen und Enge.
Ist das geschafft:
der erste Atemzug.
Der Beginn eines Lebens
unter ganz anderen Voraussetzungen.
Im Bauch der Mutter
geht es einem Kind bestens.
Durch die Nabelschnur
an die Plazenta angebunden,
ist das Leben des Kindes sichergestellt.
Mit der Geburt
geht es durch Hölle, Enge, Dunkelheit und Schmerz.
Nach der Geburt,
abgeschnitten von der sicheren Versorgung,
atmet und isst das Kind selbständig.
Neues, eben geborenes Leben.


Gott hat uns wiedergeboren, sodass Hoffnung in uns lebendig ist. schreibt Petrus.

Glauben, obwohl man nicht sieht,
ist wie atmen,
obwohl man gar nicht weiß, wie es geht.

Wir können trotzdem atmen.
Und deshalb haben wir die Hoffnung,
dass das Leben weitergeht.
Dass nicht nur unser Körper,
sondern auch unsere Seele weiteratmet
Auch in der Lebenskrise,
im Schicksalsschlag,
im Angesicht des Todes.


#Behütetsein

Und wenn Kinder dann größer werden
und selbständiger,
lernen sie Laufen.
Sie lernen, aufzustehen,
und sich der Schwerkraft zu widersetzen. 
Wenn sie das tun,
bleiben Beulen und Schrammen nicht aus.
Und manchmal tut es richtig weh.
Wenn Kinder laufen lernen,
dann ist da die Hand,
die festhält und loslässt.
Und wieder auffängt.
Kein Kind überlegt sich das beim Üben:
Ist Mama da oder nicht?
Kann ich jetzt loslaufen?
Ist die Treppe zu steil für mich
oder geht das gut?

Kinder machen das einfach
und vertrauen darauf,
dass die Hand da ist,
wenn sie eine brauchen.
Zum Auffangen
und festhalten
und getröstet werden.

Wir werden behütet von der Gottes Kraft,
weil wir an die Rettung glauben.

Behütet sein heißt:
durchatmen
und dann wieder neu laufen lernen.
Schritt für Schritt Dinge tun,
für die bisher die Kraft gefehlt hat.
Hinfallen, aufstehen. Weitergehen.
Weil das Leben weitergeht.
Anders als vorher.
Die Schwerkraft ist da.
Der Schmerz auch.
Und der Auferstandene. 

#Gerettetsein

Wie oft
erträgt es ein Mensch
geboren zu werden,
durch die Hölle zu gehen,
Schmerz zu ertragen
an Leib und Seele?

Wie oft hat man die Kraft,
wieder neu Laufen zu lernen
und das Leben
- auf andere Art wie bisher -
neu zu beginnen?

Wie oft
kann man fragen
„Wie geht das Leben weiter?“,
ohne an dieser Frage zu zerbrechen?

Am Ende
bleibt die Frage nach Ostern.
Nach dem leeren Grab.
Es bleibt die Frage
nach der der Auferstehung der Toten
und dem ewigen Leben.
Am Ende bleibt die Frage,
warum das überhaupt alles einen Sinn macht
mit dem Vertrauen
auf einen unsichtbaren Gott.  

Der Abschnitt aus Brief an die Gemeinden
endet so:

Ihr erreicht das Ziel eures Glaubens:
euer Leben wird gerettet.

Es gibt ein Ziel.
Bis dahin
ist unser Leben
wie Geborenwerden
und Laufen lernen
und durch die Hölle gehen.
Und immer wieder von vorn anfangen.
Voller Vertrauen und Hoffnung
dass am Ende alles gut sein wird.
Dass wir mit Gott zusammen
auf einer Wiese voller Butterblumen sitzen
und Erdbeeren mit Sahne essen.
Und Gott uns erklärt,
wie alles wirklich ist.
Wir dann selig sind weil wir sehen.
Und glauben.
Und jubeln mit einer Freude,
die nicht mit Worten ausgedrückt werden kann.

Amen.

Sonntag, 21. April 2019

Die helle und die dunkle Seite des Steins

Auferstehungsfeier
Friedhof Frickenhausen
Ostersonntag 2019


Wir haben ihn in der Hand.
Einen Stein.
Kalt ist er
und schwer. 

Schwer liegt er auf der Seele
oder im Magen.

Manchmal
ist er auch ein Kloß im Hals.

Trauerkloß.
Wutkloß.
Sorgenkloß.

Aber wenn die Sonne auf ihn scheint,
ist alles anders.
Warm ist er dann.
Und rund.
Ich trage ihn in meiner Hosentasche
und genieße es, wenn seine runde Form
meine Hände schmeichelt.

Und wenn er groß ist
und am Wegrand liegt
lädt er ein
zu einer Pause. 


Zwei Seiten hat er
dieser Stein.
Eine Helle und eine Dunkle.

So wie das Leben zwei Seiten hat:
eine Helle und eine Dunkle.

Ich betrachte die dunkle Seite.
Der Stein liegt vor dem Grab.
Die Öffnung ist verschlossen.
Kein Licht scheint hindurch.
Todesstille.
Gefangen bin ich
in meinen Gedanken,
in Ängsten.
In Zweifeln.
Ich sitze im Grab.
Spüre Trauer,
Einsamkeit,
Vergänglichkeit.
Sehe dem eigenen
Sterben-Müssen ins Gesicht.
Spüre Dunkelheit
in jeder Faser meines Körpers.
In mir nur Zweifel.
Und Fragen.
Wo sind die Toten?
Was macht der Tod mit mir? 

Ich spüre die Last und die Kälte des Steins.
Schwer liegt sie auf der Seele.
Ich denken an Menschen,
die fehlen.
Deren Platz am Tisch nun frei bleibt.
Menschen, für die ich gesorgt habe.
Menschen, die einen Weg mit mir gegangen sind.
Menschen, die ich geliebt habe.
Den Ehemann.
Die Lebensgefährtin.
Sohn oder Enkelin.
Vater oder Schwiegermutter.
Freundin oder Kollege.

Hier auf dem Friedhof
ist Ort der Trauer.
Für uns alle.
Trauer verbindet.
Hier erinnern wir uns an die,
die uns fehlen.
Sie alle haben Namen.

STILLE

Früh morgens
sind sie unterwegs zum Friedhof.
Maria, Maria und Salome.

Ihre Seele schwer wie Stein.
Wie ein dunkler Stein.
Er fehlt ihnen jetzt schon.
Jesus.
Im Grab liegt er.
Wichtigster Mensch.
Rabbi.
Freund.
Weggefährte.

Am Kreuz wurde er hingerichtet.
Sie konnten es nicht verhindern.
Viel zu kurz war sein Leben.
So viel
hätte er ihnen noch sagen können.
Über Gott.
Und das Leben.
Über die Liebe und
die Ewigkeit.

Geschichten hätte er erzählt
und Brot geteilt.

Mit ihm starb ein Teil
ihrer Seele.
Auch sie liegt im kalten Grab.
Bei Jesus.
Ihn wollen sie salben
mit kostbarem Öl.
Ihm eine letzte Ehre zuteilwerden lassen.
Und vielleicht ihrer eigenen Seele
damit auch etwas Gutes tun.
Zum Trost
und gegen die Grabeskälte.

Aber der Stein war bereits warm
vom Licht der aufgehenden Sonne.

Und er war weggerollt.
Das Grab war offen.
Jesus lebt.
Der Engel hat es gesagt.
Hell und warm
liegt der Stein vor ihnen.
Die Dunkelheit ist vorbei.

Fassbar ist das nicht.
Begreifbar auch nicht.
Der Kopf spielt verrückt
und die Emotionen fahren Karussell.
Eigentlich ist es sogar eher zum Fürchten.

Maria, Maria und Salome:
Sie versuchen,
es irgendwie zu verstehen
und es ist,
als kriecht ihre Seele
aus dem Grab.
Heraus aus der Kälte
der Sonne entgegen.
Und der Wärme.
Ihre Seele lebt
und ist frei
und nicht mehr gefangen
in Trauer und Schmerz.

Maria, Maria und Salome.
Und Ida und Martin
und Ernst und Hannelore.
Und ich.
Und Jesus.

Frei und lebendig und auferstanden.

Hell und warm ist der Stein
im Licht der Ostersonne.

Wenn man den Stein
im Licht des Ostermorgens sieht,
dann ist man draußen.
Vor dem Grab.
Es ist hell und die Vögel zwitschern.

Wenn man den Stein
im Licht des Ostermorgens sieht,
dann ist es der Stein,
der weggewälzt wurde
von diesem dunklen Grab,
in dem auch die Seele stirbt.

Wenn man den Stein
im Licht des Ostermorgens sieht,
dann fühlt er sich warm an.
Und hell.
Und lebendig.

Dann erinnert er uns an Oma Berta
und die frisch gekochte Erdbeermarmelade
die nur schmeckt,
weil Oma sie selbst gekocht hat.

Dann erinnert er uns an die Studienkollegin Britta
und an gemeinsame Urlaube in der Schweiz,
und an das Foto
mit dem Gipfelkreuz.

Wenn der Stein zur Seite gerückt ist,
dann erinnert das an den Kollegen Thomas.
Und Gulasch mit Pellkartoffeln
zum 40. Geburtstag.

Wenn der Stein zur Seite gerückt ist,
dann riechen wir die Schmiere
in Vaters Werkstatt,
in der es nie anders roch, als genau so.

Wenn wir uns hier auf dem Friedhof umsehen,
sehen wir Steine im Licht der Ostersonne.
Ostern verwandelt Grabsteine
in Hoffnungssteine. 

Weil Jesus auferstanden ist
und lebt
haben wir Hoffnung.

Wie Maria, Maria und Salome.

Und wie Paulus,
der der Gemeinde in Tessalonich
und auch in Frickenhausen schreibt:

Wir wollen euch nicht im Unklaren lassen, liebe Brüder und Schwestern, wie es mit denen aus eurer Gemeinde steht, die schon gestorben sind.
Dann braucht ihr nicht traurig zu sein wie die übrigen Menschen, die keine Hoffnung haben. Wir glauben doch, dass Jesus gestorben und auferstanden ist. Ebenso gewiss wird Gott auch die Verstorbenen durch Jesus und mit ihm zusammen zum ewigen Leben führen.

Jesus war nur der Erste.

Amen.