Sonntag, 13. Februar 2022

Und Gott so: "Gefällt mir!" 👍


Gottesdienst in der Eusebiuskirche
Wendlingen am Neckar
13.02.2022

Predigttext: Jeremia 9,22-23


                                        

           (Foto: Pixabay)

I.                   Gefällt mir!                                                     

Gefällt mir!
Daumen hoch!
Like!
Wie viele Likes haben Sie in letzter Zeit bekommen
für das, was Sie anderen von sich gezeigt haben?
Was haben Sie von sich gezeigt? Und wem?
In den sozialen Medien entscheidend
ist die Anzahl der Likes unter den Beiträgen.
Beiträge wie
das Lagerfeuer nach der Schneewanderung auf der Alb.
Das letzte Küchenexperiment:
in meinem Fall eine Grünkohlquiche.
Oder ein Foto vom ehrenamtlichen Engagement.  
Oder dem selbst genähten Kleid.
Oder Katzen.
Katzenfotos bringen die meisten Likes überhaupt.
Im Zweifelsfall sollten Sie sich eine Katze anschaffen.

Nach oben zeigenden Daumen und rot eingefärbte Herzchen sind entscheidend.   
Entscheidend für den Algorithmus.
Oder auch ganz schwäbisch unbescheiden:
entscheidend darüber, wie wichtig ich für die Welt bin. 
Und auch: Wer ich für die Welt bin.

Man könnte jetzt sagen:
das ist alles eine Modeerscheinung.
Meta ist ein böser, amerikanischer Konzern,
der sich durch Klicks auf meine Kosten finanziert.
Man sollte einfach die Finger weglassen.
Denn dieses Werten und Bewerten führt zu nichts.
Es wertet nämlich auch ab.
Und pusht die falschen Themen.
Es stürzt Menschen in Krisen,
weil sie das Gefühl haben, falsch bewertet zu werden.
Es führt zu Konflikten und Hasskommentaren,
weil Stänkerer, Querpöbler und Aluhutschwurblerinnen für Verwirrung sorgen.
Aber wenn man mal genau schaut,
ist das kein neuzeitliches Phänomen.
Das hat nicht Mark Zuckerberg erfunden und
mit Facebook und anderen sozialen Medien initialisiert.
„Gefällt mir“ ist ein altes Ding.
Und der Erfinder?
Der Predigttext zum heutigen Sonntag überrascht:

 

II.                Jeremia 9

Aus Jeremia 9.
So spricht der HERR:
Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit,
ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke,
ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will,
der rühme sich dessen,
dass er klug sei und mich kenne,
dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit,
Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden;
denn solches gefällt mir, spricht der HERR.

 

III.             Was zeige ich?

Was und wieviel von mir zeige ich?
Und wem?
Wer darf wissen, was ich denke und was ich weiß?
Was ich kann?
Wer ist tatsächlich daran interessiert, wie ich die Welt erkläre,
was auf meinem Gehaltszettel steht
und was mir heilig ist?
Ob ich lieber Herbert Grönemeyer höre oder Helene Fischer?  
Ob ich lieber nach Ottolenghi koche,
nach Tim Mälzer
- oder doch nach Oma Gretel?
Ob Queer Eye die Serie meiner Wahl ist
oder der Bergdoktor?
Wer muss wissen, dass ich es angemessen finde,
wenn sich Olaf Scholz im Pulli fotografieren lässt?
Und ist es wichtig,
wie ich zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht stehe?
Macht es einen Unterschied,
ob ich meine Jeans im Diakonieladen kaufe
oder bei Hugo Boss – und geht das jemanden etwas an?
Und wer sagt oder klickt: Gefällt mir?

Wer sich zeigt, macht sich angreifbar.
Nicht nur in den sozialen Medien.
Jeden Tag.
Immer wenn wir mit Menschen zusammen sind,
an welchem Ort auch immer das ist.
Wenn wir einander begegnen,
„rühmen wir uns“,
um es mit den Worten Jeremias zu sagen.
Zeigen wir uns einander, wer wir sind.
Zeigen wir auch aufeinander und
bewerten so auch das, was wir voneinander sehen.

IV.            Adam

Das ist so ein Schöpfungsding.
Gott hat es in uns Menschen hineingelegt.
Weil ihm dieser Mensch so sehr gefallen hat,
der da geworden ist.
Es war nämlich Gott selbst,
der damals schon sagte:  
„Und siehe, es war sehr gut! Gefällt mir!“
Gott klickt sich selbst ein Like,
rühmt sich selbst für das,
was er erschaffen hat:
Adam, Mensch, Ebenbild.
Und als Ebenbild
soll und darf sich der Mensch auch rühmen.
Sich zeigen.
An ihm soll die Welt Gefallen haben.
Sich freuen.
Und Adam darf diese Schöpfung
für sich erobern.

 

V.               Adam, wo bist du?

Einmal, gleich am Anfang,
wollte sich der erste Mensch nicht zeigen.
Er hat sich versteckt im Garten Eden.
Geschämt hat er sich.
Weil er in Dinge verwickelt war,
die man besser nicht zeigt.
Das hat Gott irritiert. 
„Adam, Mensch, wo bist du?“
Gott geht auf die Suche nach ihm.

Adam soll sich zeigen
und nicht verstecken.
Weil Gott ihn sehen will.
Ein Spiegel ist Adam für Gott.
Geschaffen als Ebenbild dieses Schöpfungsgottes,
der sagt: „Zeig dich!“ und
„Du gefällst mir!“
Aber vor Gott fühlt Adam sich nackt.
Was sich vor Menschen groß anfühlt
macht Adam vor Gott klein.
Nicht immer gibt es
etwas zu sehen,
was ein „Gefällt mir“ verdient hat.
Das war im Garten Eden schon so.
Und bei Jeremia.
Und bei uns allen ist es auch so.
Menschen wollen manchmal  
etwas zu sehr sein wie Gott.
Etwas zu großartig.
Etwas zu autonom.
Dann ist die eigene Großartigkeit
nur noch Inszenierung.
Beim Stammtisch.
Im WhatsApp-Status.
Im Bewerbungsgespräch.
Über den Gartenzaun und
auf den Bühnen und Kanzeln dieser Welt.
Zwar zeigt sich der Mensch von seiner besten Seite:
Stark. Weise. Reich.
So wie Gott ihn als Ebenbild erschaffen hat.
Aber Gott sieht dahinter.
Sieht den Menschen nackt.
Sieht, dass er nur mit sich selbst beschäftigt ist
und den Kontakt zu seinem Schöpfer verloren hat.
Dann gibt es von Gott kein Like.
Kein „Gefällt mir!“.
Dann gibt es eher ein: Adam, was soll das denn? 😳

VI.            Der zweite Blick

Eigentlich könnte Gott doch stolz sein,
auf die Menschen, die sich rühmen.
Die zeigen, was sie haben,
was sie können.
Dass sie stark sind und klug.
Krisen managen können
und Koalitionsverträge aushandeln.
Sich einsetzen für andere, in dem sie Geld spenden.
Oder ihre Freizeit opfern für soziales Engagement.
Gott müsste „Gefällt mir!“ klicken
für all das, wo Menschen versuchen, 
ihren Einfluss zu nutzen,
um diese Welt ein bisschen besser, gerechter
und freundlicher zu machen.
Er tut es nicht.
Zumindest nicht automatisch.

Die Idee Gottes geht anders.
Entscheidend ist nicht,
was nach außen hin vorzeigbar ist.
Was anderen nützt.   
Entscheidend ist,
und das macht den Unterschied,
wer ich bin:
eine, die weiß, wem sie
Stärke, Weisheit und Reichtum verdankt.
Dass ich mich „rühme, ihn zu kennen“ -
das gefällt diesem Schöpfergott,
der das alles in mich hineinerschaffen hat,
was ich kann. Was mich qualifiziert.
Die Talente die ich habe und die Begeisterung für etwas.  
Aber nichts von all dem ist letztendlich entscheidend.
Die Frage nach dem „Gefällt mir“ Gottes
ist eine reine Beziehungsfrage:
„wer sich rühmen will,
der rühme sich dessen,
dass er klug sei und mich kenne“.
Und das sieht man nicht auf den ersten Blick.
Dafür gibt es keine Bühne, keine Kanzel,
keine sozialen Medien und
keine Bescheinigung,
die jemand ausstellen kann.  

 

VI. Die Welt retten!

Vielleicht atmet der eine oder die andere
sogar innerlich auf
bei dem Gedanken daran,
sich nicht zeigen zu müssen.
Von anderen bewertet zu werden,
kann ja auch ganz ordentlich Stress verursachen.
Und ganz bestimmt ist es auch „Typsache“,
wieviel man von sich selbst zeigen möchte.
Mit wieviel Publikum man sich wohl fühlt und
auf welche Art und Weise man sich gerne einmischt.
Was die eine gerne preisgibt,
soll für den anderen ein Geheimnis bleiben,
das er für sich behält.
Und das ist auch gut so. 

Und doch:
Adam wurde von Gott nicht erschaffen,
sich zu verstecken.
Im Gegenteil:
Diese Erde zu bebauen, also sie zu gestalten
und zu bewahren
ist der Schöpfungsauftrag an den Menschen.
Es ist ein Auftrag, der sichtbare Ergebnisse liefern soll.
Aktiv werden.
Stärke, Weisheit und Reichtum
nicht für sich behalten.
Die Welt umtreiben.
Für Gerechtigkeit sorgen.
Nachhaltig handeln
und dafür Verantwortung übernehmen,
dass die Erde weiter rund läuft -
das war Adams Auftrag.
Und es ist ein Auftrag für alle Menschen.
Bis heute.  
Trotz aller Unterschiedlichkeit -
weil Menschen eben unterschiedlich sind.
Auch unterschiedlich stark, klug und reich.
Verstecken muss sich deshalb niemand.
Gottes „Adam, Mensch, wo bist du?“
gilt allen.
Und wenn die Antwort dann ist:
„Hier bin ich. Wie du mich geschaffen hast.
Mit allem, was du mir geschenkt hast!
Und ich tu damit, was ich kann.“
dann ist Gottes Antwort:
„Gefällt mir!“
Amen.