Sonntag, 4. April 2021

Geht und werft mit Hoffnung um euch!

Gottesdienst  
an Ostersonntag
vor der Eusebiuskirche
in Wendlingen



Maria aus Magdala und „die andere Maria“
sind durcheinander.
Was die letzten Tage passiert ist,
war einfach zu viel für ihre Seele.
Jesus ist tot. Umgebracht. Ermordet.
Jesus. Ihr Freund.
Jahrelang hatten sie ihn begleitet.
Und jetzt das. 
Keiner konnte ihm helfen.
Bis zuletzt haben sie auf ein Wunder gehofft.
Aber nichts ist passiert.
Jesus liegt in einem Felsengrab.
Da ist es dunkel und kalt.
Da wächst nichts.
Da blüht nichts.
Da ist alles tot.

Ein großer Stein liegt vor dem Grab
und auf den Seelen von Maria und Maria
und all den anderen.

Steine auf der Seele drücken nieder.
Sorgensteine und Angsteine.
Einsamkeitssteine.
Sich wertlos fühlen-Steine.
Krankheitssteine.
Ich kann dich nicht leiden- Steine und
Ich kann mich selbst nicht leiden- Steine.

Steine drücken die Seele nach unten.
Immer wieder zurück in die Dunkelheit.
Dahin, wo es kalt ist.
Und nichts wächst.
Und nichts blüht.

281Der Sabbat war vorüber. Da kamen ganz früh am ersten Wochentag Maria aus Magdala und die andere Maria. Sie wollten nach dem Grab sehen.2Plötzlich gab es ein heftiges Erdbeben, denn ein Engel des Herrn kam vom Himmel herab. Er ging zum Grab, rollte den Stein weg und setzte sich darauf.3Seine Gestalt leuchtete wie ein Blitz, und sein Gewand war weiß wie Schnee.4Die Wachen zitterten vor Angst und fielen wie tot zu Boden.

„Maria!“ Maria bleibt erschrocken stehen.
„Schon wieder ein Erdbeben!
Ob das wohl was bedeutet?“
„Los, schnell!“ Maria und Maria rennen los.
Hin zum Grab.
„Was ist das?“
„Meine Güte!“
Beide Marias halten sich vor Schreck
die Hände vors Gesicht.

Kennt ihr das? Erst mal verstecken.
Was da passiert, ist zu groß,
um es auf einmal zu ertragen.
Wir machen das alle mal.
Halten alle die Hände vors Gesicht.
Seht ihr die Dunkelheit?
Und jetzt stellt euch vor, es wird schlagartig hell.
Und es ist, als ob die ganze Kirche wackelt
und ein Engel den Kirchturm verschiebt.
Traut ihr euch zu gucken?
Wenn ihr vernünftig seid
guckt ihr erst ein bisschen durch die Finger!
Und ganz langsam
kann man dann die Hände wegnehmen.

Natürlich steht hier alles noch.
Aber ähnlich groß und verrückt
muss sich das für Maria und Maria angefühlt haben.
Und auch für die Soldaten,
die das Grab bewacht haben.
Die fielen vor Schreck einfach um.

Es ist wichtig,
sich erst langsam ans Licht zu gewöhnen,
wenn man im Dunkeln sitzt.
Man weiß das von Leuten, die Höhlen erforschen.
So ist es auch mit der Seele.
Wenn die im Dunkeln sitzt, erschrickt man schnell.

5Der Engel sagte zu den Frauen: »Fürchtet euch nicht! Ich weiß: Ihr sucht Jesus,    der gekreuzigt wurde. 6Jesus ist nicht hier. Gott hat ihn von den Toten auferweckt, wie er es vorausgesagt hat. Kommt her und seht: Hier ist die Stelle, wo er gelegen hat.

Fürchtet euch nicht!
Der Engel hat gut reden.
Wenn das so einfach wäre!  
Erdbeben! Licht! Eine fremde Gestalt!
Und nichts ist, wie es vorher war!
Der Engel tut was er kann,
damit Maria und Maria verstehen, was da los ist.
Kommt her und seht!
sagt der Engel.
Kommt her und seht:
die schlimme Zeit hat ein Ende.
Jetzt kommt etwas Wunderbares und Neues.
Das ist Ostern:
Hinsehen, was war.
Hinsehen, wo der Tod lag.
Hinsehen, wo der Stein immer noch schwer
an der Seite liegt und erinnert und bleibt.
Aber gleichzeitig zu wissen: es wird anders.
Und zu spüren: der Stein kann weg.
Auch der auf der Seele.

7Jetzt geht schnell zu seinen Jüngern! Sagt ihnen: ›Jesus wurde von den Toten auferweckt. ‹Er geht euch nach Galiläa voraus. Dort werdet ihr ihn sehen. Auf diese Botschaft könnt ihr euch verlassen.«  8Die Frauen waren erschrocken und doch voller Freude. Schnell liefen sie vom Grab weg, um den Jüngern alles zu berichten.


Der Engel hat gesagt: 
Ihr werdet ihn sehen.
Da geht jemand aufs Ganze.
Nicht: Es könnte sein,
dass euch Jesus irgendwann mal wieder begegnet.
Sondern: Ihr werdet ihn sehen.
Nicht: Es könnte sein,
dass irgendwann wieder bessere Zeiten kommen.
Sondern: Die Zeit ist schon da.
Nicht: Wenn ihr Glück habt ist er bei euch. 
Sondern: Ihr könnt euch darauf verlassen.

Ein Engelsversprechen also.
Das reicht aus: Maria und Maria laufen los.
Den Stein, der auf ihrer Seele liegt, lassen sie zurück.
Bei den anderen Steinen
und den Soldaten
und der Dunkelheit.

9Da kam ihnen Jesus selbst entgegen und sagte: »Seid gegrüßt!« Sie gingen zu ihm, berührten seine Füße und warfen sich vor ihm zu Boden. 10Da sagte Jesus zu ihnen: »Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen. Dort werden sie mich sehen.«


Was für ein Moment!
Er lebt! Tatsächlich!
Das Wunder ist geschehen!
Jesus steht vor ihnen.
Mitten auf dem Weg,
mittendrin im Leben.
Auf der langen, steinigen Straße -
die zwar ein Ziel hat,
aber bis dahin
noch viele Steine und Kurven.

Auf dieser Straße
liegen Maria und Maria  
vor Jesus im Dreck.
Im Staub.
Das Geröll der Straße
auf Augenhöhe
mit dem Geröll in ihrem Herzen.

Geht!
Sagt Jesus.
Maria und Maria schütteln sich
den Staub von der Seele
und aus ihren Kleidern und gehen.
Nicht mehr gebückt
und niedergedrückt vom Seelenstein.
Es ist, als ob ihre Seele der Sonne entgegenblüht.
Aufrecht und fröhlich.
Und voller Hoffnung.
Sie denken nicht mehr an Sterben und Tod.
Sondern an Lavendelblüten,
frisch gebackenes Brot und Wein
mit Freunden.
Und an fröhliche Musik.

Und so kommen sie nach Galiläa.
Die anderen weinen.
Niemand dort weiß,
was bisher geschah. 
Nur Maria und Maria wissen es.

Sie erzählen.
Vom Stein am Grab
und dem Stein auf ihrer Seele.
Und dass beide weg sind.

Sie erzählen davon,
dass schlimme Zeiten auch vorbei gehen.
Erzählen von Musik, Brot und Wein.
Von Lavendel und davon,
dass man Hoffnung riechen kann.


Wenn ihr nachher geht,
bekommt ihr ein Tütchen. 
Darin ist etwas, das man werfen kann.
Es ist eine Samenbombe:
Erde mit Blumensamen vermischt.
Ihr müsst sie nur irgendwo hinwerfen,
wo Blumen wachsen können,
und ein bisschen gießen.

Vielleicht gibt es Menschen oder Orte,
die ein bisschen Hoffnung besonders nötig haben.
Dann werft sie dort hin.

Vielleicht braucht ihr die Hoffnung
auch selber in diesen Zeiten!
Dann werft sie euch selbst in den Vorgarten.
Oder pflanzt sie in einen Balkonkasten.

Geht!
hat Jesus gesagt.
Geht und werft mit Hoffnung um euch!

Macht euch auf den Weg! 
Erzählt von Ostern!
Sagt, dass schlimme Zeiten ein Ende haben
und dass danach etwas Neues aufblüht.

Werft die Hoffnung in Vorgärten und Parks.
In Fußgängerzonen, an Straßenränder
und neben einsame Weggabelungen.
Pflanzt sie auf dem Balkon.

Dann duftet Hoffnung
nach Gänseblümchen und Kornblumen.
Adonisröschen und Salbei.

Und dann geht und blüht selber.
Wie Maria und Maria.
Und Jesus kommt euch entgegen.
Amen.