Freitag, 27. Dezember 2019

Wie das Licht der Welt das Licht der Welt erblickte


Gottesdienst in der
Eusebiuskirche in Wendlingen am Neckar

Heiligabend 2019




Lied:  EG 16, 1+3 Die Nacht ist vorgedrungen 

Kirche dunkel, Spot an

Seit uralten Zeiten gibt es Menschen, die nach Gott fragen: Wer bist du? Wo bist du? Wie können wir dich sehen?
Die Menschen wollen sich Gott vorstellen können. Und manche sagen: Gott ist wie ein Licht, dass alles hell macht, was vorher dunkel war.

(Osterkerze mit Streichholz anzünden – neben dem Tisch)

Das ist die Gotteskerze. Sie wird nun brennen und uns ihre Geschichte erzählen. Die Geschichte vom Licht Gottes, das in die Welt kommen will.
2000 Jahre ist es her, als es zum ersten hell wurde.
Und jedes Mal, wenn die Geschichte des Lichts erzählt wird, wird es hell im Herzen der Menschen, die sie hören. Aber hört selbst:

Der Kaiser regiert in Rom. Sein Name ist Augustus.

(rote Kerze an der Gotteskerze anzünden – an der linken Seite des Tisches aufstellen) 

Augustus braucht Geld zum Regieren. „Alle Leute sollen Steuern zahlen!“ denkt er. „Alle Menschen im ganzen Land sollen sich in Steuerlisten eingetragen lassen.“

Augustus findet das eine gute Idee. Er hält sich nämlich für besonders klug und helle. Dabei ist er eigentlich nur ein kleines Licht. Denn einer ist viel größer als Augustus. Und sein Licht sollte bald viel heller strahlen – aber das weiß Augustus noch nicht. Und das wissen die Menschen noch nicht, die unter Augustus leiden.

Es gibt Menschen, die für Augustus arbeiteten. Einer davon heißt Quirinius.

(kleine rote Kerze an Augustuskerze anzünden – vor Augustuskerze stellen)

Quirinius muss dafür sorgen, dass der Befehl des Kaisers Augustus von allen Leuten gehört wird. Er lautet:
„Alle Menschen sollten dorthin gehen, wo sie geboren wurden.“ So kommt es, dass sich viele Menschen auf den Weg machen, um vor den Steuerbeamten des  Kaisers zu erscheinen. Für viele ist das keine gute Nachricht.
Die Menschen haben wenig Geld und wollen lieber ihrer Arbeit nachgehen, als lange Reisen zu unternehmen, um dann auch noch Steuern zu bezahlen. An einen, der sich als Herrscher aufspielt.

Auch Maria und Josef aus Nazareth machen sich auf den Weg.

(Große blaue und grünblaue Kerze an der Osterkerze anzünden –  in der Mitte des Tisches aufstellen) 



Sie müssen nach Bethlehem, weil Josef dort geboren ist. Für Maria ist die Reise sehr anstrengend, denn sie erwartet ein Baby. Das wird schon sehr bald geboren werden.
Der Weg ist lang und beschwerlich. Mehrere Tage und Nächte sind sie unterwegs. Und besonders nachts fürchten die beiden sich. Nach mehreren Tagen sehen sie von weitem die kleine Stadt Bethlehem.
„Zum Glück sind wir bald da!“ seufzt Maria. 

(Beide blauen Kerzen an die rechte Seite rücken)


In Bethlehem finden Maria und Josef keinen Platz zum Schlafen. Sie klopfen an viele Türen. Viele Menschen öffnen ihnen. Aber dann machen viele Menschen die Tür auch wieder zu. Jedes Bett ist belegt. Und wer will schon zwei Fremde ins Haus lassen, die mitten in der Nacht anklopfen?
Einer hat dann doch Mitleid.
Im Stall ist noch Platz. Wenigstens ist das ein Dach über dem Kopf. Mit letzten Kräften bauen sie sich mitten zwischen den Tieren ein Lager aus Stroh und legen sich hin. Maria war müde. Sie spürt auch ein Ziehen in ihrem Bauch. Der Rücken schmerzt. Ob es wohl bald so weit ist? Wird sie hier ihr Kind bekommen? In diesem armen, dunklen Stall?

 Instrumentalstück: Stille Nacht

Zur gleichen Zeit, als Maria und Josef ihr Lager im Stall einrichten, sind weit außerhalb der Stadt Hirten bei ihrer Arbeit.

 (Vier niedrige grüne Kerzen an Osterkerze anzünden – links vor Augustus und Quirinius aufstellen
Teelichter für die Schafe und eine kleine Stumpenkerze für den Hund dazustellen)


Sie passen auf die Schafe ihrer Herren auf. Viele Tiere sind es. Wenn man die Schafe zählen will, dauert es Stunden. Für die Nacht haben die Hirten alle Tiere zusammen getrieben. Alle auf eine Stelle. Damit sie in der Dunkelheit besser aufeinander aufpassen können. Die Hirten halten Wache. Immer einer nach dem anderen passt auf, während die anderen schlafen. Auch der Hund ist aufmerksam. Aufmerksamer als sonst. Komisch.

Plötzlich passiert etwas! Mitten in der Nacht wird es plötzlich ganz hell!

 (Große weiße Kerze an der Osterkerze entzünden – neben den Hirten aufstellen)

Woher kommt dieses Licht?  Die Hirten erschrecken ganz fürchterlich. Sie sind geblendet. Und dann sehen sie eine Gestalt aus Licht. Mit einer warmen und freundlichen Stimme spricht ein Engel zu ihnen:

„Fürchtet euch nicht! Ihr braucht keine Angst zu haben! Im Gegenteil: Ihr könnt euch freuen. Lauft schnell los!
Ihr werdet ein Kind finden, das heute geboren wurde. Es ist ein besonderes Kind. Mit diesem Kind soll die Welt heil werden. Gott selbst wird geboren in diesem Kind. Gott kommt in eure Welt.“

Die Hirten sind verwirrt. Ein Kind geboren? Ein besonderes Kind, das die Welt heil machen soll? Gott selbst soll geboren werden?

Und dann ist da nicht mehr nur der eine Engel. Da sind plötzlich ganz viele. Und die Botschaft geht von einem zum anderen. Man hört die Botschaft von allen Seiten:
Mit dieser Geburt beginnt etwas Neues:  Für Gott Ehre und für die Menschen Frieden. 
Es wird heller und heller.

 (Vier kleine weiße Kerzen, an der großen Engelskerze anzünden –  neben den Hirten aufstellen) 



Die Hirten versuchen zu verstehen: Sie werden ein Kind finden. Ein Kind in Windeln gewickelt. Es liegt in einem Stall. In einer Krippe. Und dieses Kind wird ihr dunkles Leben hell machen. Ob diese hellen Gestalten wohl Recht haben? Sie machen sich auf den Weg.


Instrumentalstück:  Kommet, ihr Hirten


Im Stall ist es ganz ruhig geworden. Maria und Josef sitzen vor der Futterkrippe und schauen hinein. Die Tiere schlafen ruhig im Stroh. Und in der Krippe liegt ein neu geborenes Baby.



(Gelbe Kerze an der großen Osterkerze anzünden – vor Maria und Josef stellen)

Da liegt er, der kleine Jesus. In Windeln gewickelt auf Stroh in einer Krippe. Nicht einfach nur ein Kind. Etwas Wunderbares ist passiert: Gott hat das Licht der Welt erblickt. Er ist als Mensch geboren worden. Da liegt er. Ganz klein und müde. Selig schlafend. Ein frisch geborener Gott: Jesus. Maria ist glücklich. Josef auch. Sie wissen, dass es ein besonderes Kind ist. Leise flüstert Maria den Namen ihres Sohnes: Jesus. Wie schön, dass du geboren bist, ja.
 

 LIED (auswendig): Wie schön, dass du geboren bist (1 Strophe)

Maria und Josef versuchen, sich auszuruhen und ein wenig zu schlafen, als sie draußen Schritte hören. Und Stimmen. Und plötzlich stehen einige Männer vor der Tür. Dunkle Gestalten. Zerzaust und dreckig, dazu ein paar Schafe und ein Hund.



 (Die Hirtenkerzen, Schafkerzen und Hundkerze nach rechts bewegen, zu Maria, Josef und dem Kind dazustellen)

„Da liegt er, der Heiland der Welt!“
Mit feuchten Augen knien sie um die Krippe herum.
Hier liegt es: das Kind, von dem der Engel erzählt hat.
Sie haben es gefunden!
In ihrem Herzen wird es warm. Und hell.
Sie spüren: dieses Kind ist Gott.

Und einer erinnert sich an die alten Schriften:

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finsteren Lande, scheint es hell. Nicht Augustus ist das hellste Licht. Und der Mächtigste. Das Kind in der Krippe ist es. Und dann machen sie sich schnell wieder auf den Weg. Nicht zurück zu ihrer Herde. Sondern ins Dorf. Sie wollen diese Botschaft weitererzählen. Sie wollen das Licht, das ihr Herz und ihre Seele hell gemacht hat, in die Welt verteilen.

(Sandeimer in die Mitte des Tisches stellen. Mehrere große Wunderkerzen an der Jesuskerze entzünden und in den Sandeimer stecken.)

Jetzt sind sie sich sicher: auch Hirten sind von Gott geliebte Menschen. Und das sollen auch die Menschen wissen, die bisher nichts mit ihnen zu tun haben wollen. Weil Hirten doch so dunkle Gestalten sind.

„Euch ist der Heiland geboren, welcher ist Christus der Herr. Er ist Heil und Rettung für die Welt.“

Im Dorf ist zu spüren, wie es hell wird in den Seelen der Hirten. Und in den Seelen aller Menschen.  

Und so verteilt sich dieses Licht mit dieser Geschichte durch die Welt. Die Geschichte davon, wie das Licht der Welt das Licht der Welt erblickt. Es verteilt sich bis heute. Für uns alle. Amen. 

Instrumentalstück: Zu Bethlehem geboren ist uns ein Kindelein


















Sonntag, 18. August 2019



Träume und Tränen
Predigt zu Psalm 126  / SPR im Neuffener Tal 2019

Gnade sei mit euch und Frieden
von dem der war, der ist und der kommt! Amen.

Lebensmotto

als der herr das los der gefangenschaft wendete
da waren wir alle wie träumende
wie lachende
ach war das schön
(aus: Psalmen destillieren, Xandi Bischoff & Nadine Seeger)

Träume nicht dein Leben,
sondern lebe deinen Traum!
Auf einem Schild steht er
in meinem Badezimmer,
dieser Spruch.
Träume nicht dein Leben,
sondern lebe deinen Traum!
Millionenfach ist er gedruckt auf
Kaffeebechern und
Heckscheibenaufklebern,
auf Wand-Tatoos und solchen,
die in die Haut geritzt sind.
Auf Blechschildern, Notizbüchern,
Kalenderblättern, T-Shirts,
Postern und Postkarten.
Träume nicht dein Leben,
sondern lebe deinen Traum!
Es ist eine Aufforderung,
das maximal Positive
aus dem Leben herauszuholen.
Ankommen am richtigen Platz.
Es klingt wie in der Werbung.
Werbung für traumhaftes  Leben.
Nicht nur stehen bleiben
bei schönen Gedanken.
Sondern in die Tat umsetzen,
was man denkt.
Und glaubt.
Und hofft.
Machen ist die Devise.
Ärmel hochkrempeln und losleben.
Ziele erreichen.
Erfolg haben.  

Billy I

als der herr das los der gefangenschaft wendete
da waren wir alle wie träumende
wie lachende
ach war das schön
Träume nicht dein Leben,
sondern lebe deinen Traum. 
Böse Zungen behaupten ja,
dieser Spruch sei das Billy-Regal
unter den Lebensmottos:
Quasi in jedem Haushalt einmal vorhanden
und praktisch ohne Anleitung machbar.
Entdecke die Möglichkeiten.
Schraube dein Leben so zusammen,
wie es für dich passt.
Habe einen gut bezahlten Job.
Mache pünktlich Feierabend.
Gehe ins Fitnessstudio.
Iss Nudeln mit Trüffelbutter.
Achte aber auf Kalorien und
deinen Cholesterinwert.
Urlaube im Wellnesshotel.
Fahre ein E-Auto.
Trage Kleidung, die zu dir passt,
die deinen Typ unterstreicht
und die kein Kind in der Dritten Welt ausbeutet. 
Habe eine Familie. Und Freunde.
Engagiere dich ehrenamtlich.
Und sei glücklich.
Entdecke die Möglichkeiten. 
Kaufe, was in dein Lebens-Wohnzimmer passt.
Und wenn es dir nicht gefällt,
dann gibst du es nach 3 Monaten zurück.
Mit Geld-zurück-Garantie. 
Ist das nicht ein großartiges Konzept? 

Billy II

als der herr das los der gefangenschaft wendete
            da waren wir alle wie träumende
            wie lachende
            ach war das schön 
Träume nicht dein Leben,
sondern lebe deinen Traum. 
Auch ein Billy-Regal hat seine Tücken.
Wer öfter bei Ikea einkauft,
(und ich meine jetzt nicht
den 100er-Pack Teelichter),
weiß, das.
Das geht nicht so hopplahopp
mit dem Zusammenzimmern
wie die in der Werbung sagen. 
Auch bei Ikea-Regalen
kann man sich ganz schön verschrauben.
Statusmeldung:
Es ist kompliziert.
Manchmal ist es eben nicht
das einfache Regal.
Manchmal fühlt sich das Leben
wie eine ganze Schrankwand an.
Mit komplizierten Scharnieren.
Und vielen Schrauben.
Und Kästchen und Klappen
und Schubladen.
Billy kann man zurück geben,
wenn man überfordert ist.
Sie wissen schon:
Geld-zurück-Garantie.
Wo gebe ich ein
kompliziert verschraubtes
falsch geträumtes
Leben
zurück?


Psalm 126

1 Ein Wallfahrtslied. Wenn der HERR die Gefangenen Zions erlösen wird, so werden wir sein wie die Träumenden.

2 Dann wird unser Mund voll Lachens und unsre Zunge voll Rühmens sein. Da wird man sagen unter den Völkern: Der HERR hat Großes an ihnen getan!

3 Der HERR hat Großes an uns getan; des sind wir fröhlich.

4 HERR, bringe zurück unsre Gefangenen, wie du die Bäche wiederbringst im Südland.

5 Die mit Tränen säen, werden mit Freuden ernten.

6 Sie gehen hin und weinen und tragen guten Samen und kommen mit Freuden und bringen ihre Garben.

Ausgeträumt I

Wenn sie in die Vesperkirche kommt
- und sie kommt jeden Tag -
dann hat sie immer dieselben Kleider an.
Und sie riecht ein bisschen streng.
Ihre Haare sind nur selten gewaschen. 
Sie kommt alleine,
ihr Mann ist schon seit Jahren tot.
Und manchmal bringt sie einen Brief mit.
Zum Beispiel den von den Stadtwerken
mit der letzten Zahlungsfrist.
Und dem Termin, wann der Strom abgedreht wird,
sollte das Geld nicht rechtzeitig eingehen.
Nicht ihr Geld,
sondern das der Nachbarin,
die sie erst anpumpen muss.
Irgendwann wird sie das alles wieder alleine schaffen.
Davon ist sie überzeugt.

als der herr das los der gefangenschaft wendete
           da waren wir alle wie träumende
           wie lachende
           ach war das schön


Ausgeträumt II
Wenn er morgens in den Betrieb kommt,
ist er still und redet kaum.
Er spricht nur wenig deutsch.
Der Ausbilder ist begeistert von ihm
und lobt ihn, wo er kann.
Trotzdem sind seine Gedanken
immer wieder in der Heimat.
„Wir müssen alle weg.“
stand in der letzten WhatsApp.
Seither hat er nichts mehr gehört.
Er wollte vorausgehen und
Mutter und Geschwister nachholen.
In Sicherheit bringen. Vater tot ist.
Sie haben schon so vieles geschafft.
Sie werden es auch hierher schaffen. 
Das hofft er.

            als der herr das los der gefangenschaft wendete
            da waren wir alle wie träumende
            wie lachende
            ach war das schön


Ausgeträumt III
Er war erfolgreich.
Studium, Partnerschaft, Eigenheim, zwei Kinder.
Abteilungsleiter mit Dienstwagen.
Die Diagnose hat alles verändert.
Warum ausgerechnet ich?
Als die Haare ausfallen,
fällt die Hoffnung von ihm
wie das Laub im Herbst von den Bäumen.
Monate, vielleicht auch Jahre
wird es brauchen, bis er wieder
ein nomales Leben haben wird.
Wenn überhaupt.
Seinen Job macht inzwischen ein anderer.
Die Prognose ist gut.
Der Zweifel ist größer.
Andere haben es auch geschafft.
Daran hält er fest.

als der herr das los der gefangenschaft wendete
           da waren wir alle wie träumende
           wie lachende
           ach war das schön


Träume und Tränen

Wenn Gott und ich
zurück kehren
aus dem Land der Gefangenschaft, 
dann… 
Wenn und Dann
gehören zusammen.
Wie Himmel und Erde.
Wasser und Wind.
Liebe und Hass.
Luft und Liebe.
Schwarz und Weiß. 
Wenn und Dann.
Mensch und Gott.
Träume und Tränen.
Wenn Gott und ich zurückkehren
aus der Gefangenschaft der Zweifel
und des Scheiterns und
des Schicksals.
Wenn wir uns befreien
aus den klebrigen Netzen
der Erwartungen. 
Wenn wir
Müssen und Sollen
zurück lassen
wie die abgeworfene Haut einer Eidechse.
Wenn Gott und ich
die Billy-Anleitungen für
ein Leben im gleichförmigen Regalsystem
einer immer perfektionistischeren Gesellschaft
wegwerfen
als wären sie Steine,
die auf dem See hüpften.
Wenn Gott und ich all das hinter uns lassen -
so werden wir sein wie die Träumenden.
Dann wird unser Mund voll Lachens
und unsre Zunge voll Rühmens sein.

Rückkehr
Vielleicht wird sie zurückkehren ins Leben
aus der Einsamkeit der Armut
und einem Leben ohne Strom.
Vielleicht wird er zurückkehren ins Leben
aus der Gefangenschaft der Angst
um seine Familie.
Vielleicht wird er zurückkehren ins Leben
aus der Gefangenschaft des Zweifels
an seinem Gesundwerden.
Vielleicht werde auch ich zurück kehren
aus meinen kleinen
und großen Gefangenschaften.

Leben träumen  
Bis dahin werde ich
Leben träumen.
Und versuchen, Träume zu leben. 
Bis dahin werde ich aber auch
weiter scheitern.
Weiter zweifeln und weiter
über das Schicksal schimpfen.
Ich werde
mein Leben weiterhin
falsch verschrauben
und unfertig
herumstehen haben.
Wie ein Billy-Regal,
das aufgegeben wurde,
weil es doch nicht so einfach war
wie in der Werbung. 
Bis dahin werde ich
mit Gott unterwegs sein.
Nicht nach Jerusalem.
Aber dahin,
wo für mich der Himmel ist.
Ich werde versuchen zu vertrauen,
dass mit Gott
gut werden kann,
was ich mir selbst
nicht zutraue. 
Bis dahin werde ich auch
die Hoffnung nicht aufgeben,
dass aus meinen Tränen
Träume wachsen,
die ich leben kann. 
So
kann ich frei sein.
Amen.

Sonntag, 30. Juni 2019

Tischgeschichten

Gottesdienst in Frickenhausen
30. Juni 2019


Gnade sei mit euch und Frieden.
Von dem der war, der ist und der kommt. Amen.


Jerusalem I

Nächstes Jahr in Jerusalem.
So grüßen sich
die frommen Jüdinnen und Juden
am Ende des Pessachfestes.
Nach dem Mahl,
das erinnert an
Schmerz und Trauer.
Und an das,
was das zerstreute Volk
zusammen hält.
Nächstes Jahr in Jerusalem.
Diese Worte
drücken alles aus,
was man hofft,
was man glaubt,
was man liebt.

Woher man kommt.
Und wohin man sehnt.

Nächstes Jahr in Jerusalem.
In der Stadt des Friedens.
Am Ziel
nach Wüste
und Flucht
und Exil.
Nächstes Jahr in Jerusalem
bedeutet Sitzen am gedeckten Tisch.
Nächstes Jahr in Jerusalem
ist eine Idee davon,
wie Heimat riecht und schmeckt.
Es ist der „Place to be“.
Dort, wo man weiß:
Ich bin zu Hause.
Hier bin ich richtig.
Und an alles ist gedacht.
Und man wird erwartet.
Und der Tisch ist gedeckt. 


Jerusalem II

Hin nach Jerusalem!
Hinauf nach Zion!
So schreit es der Prophet.

Worte aus dem Buch Jesaja (Jes 55):

Wohlan, alle, die ihr durstig seid,
kommt her zum Wasser!
Und die ihr kein Geld habt, kommt her, kauft und esst!
Kommt her und kauft ohne Geld
und umsonst Wein und Milch!

Warum zählt ihr Geld dar für das, was kein Brot ist,
und euren sauren Verdienst für das,
was nicht satt macht?
Hört doch auf mich, so werdet ihr Gutes essen
und euch am Köstlichen laben.

Neigt eure Ohren her und kommt her zu mir!
Höret, so werdet ihr leben!


Kindheit

Als Kind
fand ich ihn riesig.
Den Tisch im Haus meiner Großeltern.
Er war quadratisch.
Und aus robustem Holz.
Holz, dem man die Macken und Flecken ansieht.
Ein Gebrauchsgegenstand mit Geschichte.
Selten zierte ihn eine Tischdecke.
Kein feiner Tisch war es,
sondern das, was man heute als
„rustikal“ bezeichnen würde.

Und er hatte eine Botschaft,
dieser Tisch.
Wie der Prophet.
Oder zumindest so ähnlich.

Kommt her!
Kommt her, ihr Hungrigen!
Und ihr Durstigen!
Hier ist Platz für euch!
Es gibt zu essen
und zu trinken.
Hier ist für alles gesorgt.
So reden
Prophet und Tisch.
Damals in Jerusalem.
Und damals,
aber im Vergleich noch nicht sehr lange her,
in Oberesslingen.



Place to be

Mehrmals in der Woche saß ich an diesem Tisch.
Als kleines Mädchen,
zu Besuch bei den Großeltern.  
Und auch später,
als ich größer war und  
gleich nebenan zur Schule ging.
Nicht mehr daheim, im beschaulichen Dorf,
sondern in der großen Stadt.
Aber da, wo nebenan der Tisch stand.
Gedeckt, im Angesicht meiner Feinde.
Und immer ein voll eingeschenktes Glas.
Mit Grapefruitsprudel.
Und ein gutes Wort.
Und ein offenes Ohr.

Vieles hat sich seither verändert.
Aber der alte Tisch
steht immer noch an seinem Platz
bei der Eckbank.
Dort in der Diele in Oberesslingen.
Im Wohnhaus,
das bis heute zu dieser riesigen Gärtnerei gehört.
Dem Spielplatz meiner Kindheit.
Ein Familienbetrieb.
Mit Azubis und Angestellten.
Mit Gärtnern und Floristinnen.
Mit Alten und Jungen.
Mit denen, die schon lange dazu gehörten
und denen,
die für ein paar Wochen als Aushilfen jobbten.
Viele gingen dort ein und aus,
und alle saßen an diesen Tisch.
Manche täglich,
andere sporadisch.

Er wurde an die nächsten Generation vererbt.
Mit Haus, Hof und Betrieb.
Als ich klein war, waren sogar die Urgroßeltern noch da.
Meine Urgroßeltern.
Heute ist es die Urgroßmutter meiner Tochter,
die den „Altersvorsitz“ hat.

Nie saß ich alleine
an diesem Tisch.
Es war und ist bis heute
ein Mehrgenerationenhaus.
Eine bunte Arbeitsgemeinschaft.
Und ein offenes Haus.
Wer da ist, bekommt etwas zu essen.
Oder zumindest einen Kaffee.
Oder einen Sprudel.
Und irgendwie
ist immer jemand da,
der Durst hat.
Oder Hunger.
Oder eine schmerzende Seele.
Und der Tisch ist da.
Und bietet Platz
für alle die ihn brauchen.
Place to be.

Wohlan, alle, die ihr durstig seid,
kommt her zum Wasser!
Auf den Berg Zion.
Und zum Tisch.


Gäste

Nebenan ist die Küche.
Dort hing auf der Rückseite der Tür
ein Tuch.
Eigentlich ist es ein Geschirrtuch.
Aber es war wohl zu schade,
um das Geschirr abzutrocknen.
Man hat ihm eine andere Aufgabe gegeben:
es hing an der Rückseite der Küchentür.
Und es stand eine Botschaft darauf:

5 sind geladen,
10 sind gekommen,
gieß Wasser zur Suppe,
heiß alle willkommen.

Wie bei Jesaja:

Siehe, ich habe ihn den Völkern zum Zeugen bestellt,
zum Fürsten für sie und zum Gebieter.

Siehe, du wirst Völker rufen,
die du nicht kennst,
und Völker, die dich nicht kennen,
werden zu dir laufen um des HERRN willen,
deines Gottes, und des Heiligen Israels,
der dich herrlich gemacht hat.

5 sind geladen,
10 sind gekommen,
gieß Wasser zur Suppe,
heiß alle willkommen.

Meine Großmutter hat mir dieses
Geschirrtuch irgendwann vererbt.
Erst neulich hatte ich es wieder im Bügelkorb.
Und ich habe meine Großmutter gefragt,
woher das stammt und warum das da hing.
An der Küchentür. 
In der Küche neben diesem Tisch.
Sie konnte es mir nicht so recht erklären.
Es hing halt da.
Als Kind wusste ich,
intuitiv und ohne nachzudenken:
das stimmt.
Es sind alle willkommen.
Und es ist genug
für alle da.
Wohlan, alle, die ihr durstig seid,
kommt her zum Wasser!
Und zum Grapefruitsprudel
Und zum Kaffee.
Kommt her,
es gibt Roggenmischbrot
mit Becel-Margarine und Salami.
Und gebratene Leber mit Kartoffelbrei.
Und ein freundliches Wort
und ein offenes Ohr.   



Tische
5 sind geladen,
10 sind gekommen,
gieß Wasser zur Suppe,
heiß alle willkommen.
Nie habe ich das in Frage gestellt,
was ich als Kind
im Haus meiner Großeltern
erlebt habe.
Ich habe auch nie darüber nachgedacht.
Es war, wie es war.
Aber es war gut.
Der Tisch war mir
im Laufe meines Lebens
zum inneren Bild geworden.
Ohne, dass ich es bemerkt hatte.
In der Vesperkirche,
sitzen Menschen an
solchen Tischen.
Sie werden ihnen
für drei Wochen
zur Heimat.
Es gibt nicht nur zu Essen und zu Trinken.
Es gibt Frisör und Nähstube.
Und Konzert und Katzenfutter.
Aber meisten kommen, weil sie wissen:
Hier darf ich sein, wie ich bin:
Ein von Gott geliebter Mensch.
Trotz allem, was ich bin
und was aus mir wurde.
Und am Ende heißt es:
Nächstes Jahr in der Vesperkirche.
Da sind aber auch Gedanken,
die weiter reichen.
Zu den Menschen,
die mehr brauchen
und erhoffen
und sehnen.
Die durstig und hungrig sind
nicht nur nach Essen und sauberem Wasser.
Sondern nach Bildung, Gesundheit und  Gerechtigkeit.
Nach Menschenwürde. 
Die sich das alles erhoffen
weil sie
in ihrer Heimat
keinen Tisch wie diesen haben.
Die dafür sogar ihr Leben riskieren
auf dem Wasser.
Weil sie glauben:
Nächstes Jahr in Europa.


Innerer Tisch  

5 sind geladen,
10 sind gekommen,
gieß Wasser zur Suppe,
heiß alle willkommen.

Wer gehört an meinen Tisch?
Wer hat das Recht, dort Platz zu nehmen?
Mit wem teile ich mein Leben?
Mein Essen, mein Geld,
das Sozialsystem und
die Luft zum Atmen?
Mit wem teile ich Freude und Schmerz?

Für wen gieße ich Wasser zur Suppe
und fülle um in den größeren Kochtopf -
und das alles im Vertrauen,
dass es gut ist, wie es ist?
Für wen?

Wem gestatte ich zu sagen:
Ich bin zu Hause.
Hier bin ich richtig.
Und an alles ist gedacht.
Und man wird erwartet.
Und der Tisch ist gedeckt.

Irgendjemand hat mal gesagt:
Die, die da sind, sind die richtigen.
Und ich glaube,
Jesus hätte das auch so gesagt.
Amen.

Sonntag, 26. Mai 2019

Liebes Sachsen!



Liebes Sachsen!
30 Jahre ist es her, dass du es geschafft hast!
Du warst stolz darauf,
mit einem eisernen Willen 
die Mauer zu überwinden.
Sie einzureißen, obwohl sie unkaputtbar sein sollte.
Es wurde von "Wunder" gesprochen. Und von "Freiheit".
Wir haben dir deine Freiheit von Herzen gegönnt.
Und sie mit dir gefeiert.
Damals, als ich 11 war.
Ich weiß noch genau, wie es war,
als ich am Morgen danach auf der Terrasse stand
und ein komisches Geräusch hörte:
der erste Trabbi bog in unsere Straße ein.
Die Verwandschaft unserer Nachbarn.
Seither weiß ich,
wie ein Trabbi klingt.
Und seither weiß ich, wie sächsisch klingt.
Schon damals wusste ich:
Deutschland ist jetzt größer
und vor allem vielfältiger als vorher -
und das ist das Beste,
was Deutschland passieren konnte.
Davon bin ich auch heute noch überzeugt.
Es war auch immer irgendwie klar,
dass wir das mit der Wiedervereinigung zusammen hinkriegen.
Auch wenn Baden-Württemberg und Sachsen,
- gemeinsam betrachtet -,
ziemlich multi-kulti sind.

Inzwischen ist viel passiert.
Deutschland hat sich verändert.
Europa hat sich verändert.
Die Welt hat sich verändert.
Wir haben nicht nur Schwaben-Sachsen-Multikulti,
sondern Allerweltsmultikulti.
Menschen, die sich vor 50 Jahren nie begegnet wären,
leben heute friedlich
und in einem bunten und toleranten Deutschland
zusammen.
Unterschiedliche Lebensmodelle
stehen gleichwertig nebeneinander.
Keiner muss sich heute mehr Gedanken machen,
ob es okay ist,
als Single, Homosexueller,
Alleinerziehende oder Mutter-Vater-Kind-Familie
zu leben.
Meine Tochter
(sie ist heute so alt, wie ich damals)
zählt ihre türkischstämmige Freundin
in einer Reihe mit den Schwäbischen auf
und wundert sich darüber,
dass Enzo italienische Eltern hat: "Woher soll man das denn wissen?"

Liebes Sachsen,
wovor hast du eigentlich Angst,
wenn ein Drittel von dir AfD wählt?
Hast du vergessen, für welche Werte du gekämpft hast?
Wofür bist du auf die Straßen gegangen,
hast du im Stillen gebetet,
sogar im Knast gesessen?
Es erschüttert mich.
Ich verstehe es nicht.

Liebes Sachsen, du verrätst dich selber.
Deine eigene Geschichte.
Denk mal drüber nach,
wenn du nach der Party
und den ganzen Parolen
wieder einen klaren Gedanken fassen kannst.
Der Rest der Republik wird es dir danken.
Mit schmerzlichen Grüßen,
Eine,
die die Hoffnung nicht aufgibt.








Sonntag, 28. April 2019

Wie geht das Leben weiter?

Gottesdienst in Frickenhausen

Sonntag Quasimodogeniti
28.04.2018

Gnade sei mit euch
und Frieden
von dem der war,
der ist und
der kommt.
Amen. 

#Fragen

Wie geht das Leben weiter?
So fragt man sich
wenn die Sonne untergeht
und es Nacht wird in der Seele
und – wenn überhaupt -
nur in winziger Funke Hoffnung
noch da ist
der fast verglimmt.

Wie geht das Leben weiter?
Wenn Menschen diese Welt verlassen
nicht nur eine kleine Zeit
sondern für immer?
Und einer bleibt zurück.

Wie geht das Leben weiter?
Wenn alle Hoffnungen auf ein gutes Leben
wie Sand
zwischen den Fingern zerrinnen
und am Ende
nichts bleibt
als Angst
und Not
und Tränen?

Wie geht das Leben weiter,
wenn schon das Lachen eines Kindes
und das Zwitschern der Vögel
und der orangerote Sonnenuntergang
der Seele Schmerz bereiten?

Wie geht das Leben weiter?
Wenn man zwar weiß,
dass es eine Zukunft gibt,
diese aber
in dicke Nebelschwaden gehüllt ist
und jede Idee fehlt
wie alles gut werden kann?
(NEBEL heißt übrigens
rückwärts gelesen
LEBEN. Zufall?)

Wie geht das Leben weiter?
Nach Ostern?
Trotz Ostern?
Wegen Ostern?

Gekreuzigt ist er.
Gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Ich glaube.
Glaube ich?

Glaube ich,
dass Leben tatsächlich weitergeht?


#Fragen2019

Wie geht das Leben weiter
für die Menschen in Sri Lanka,
die ihre Liebsten
bei den Anschlägen am Ostersonntag
verloren haben?

Wie geht das Leben
weiter für die Eltern aus Dänemark,
die dabei drei ihrer vier Kinder verloren?

Wie geht das Leben weiter für Tina und ihren
Trans-Mann Ong aus Malaysia, die ihren
Abschiebebescheid in den Händen halten
und auf die in ihrer Heimat der sichere Tod wartet?

Wie geht das Leben weiter?
Für die hoch betagte Mutter,
deren Tochter den Kampf gegen den Krebs
für immer verloren hat?

Wie geht das Leben weiter?
Für Heiko, dessen begrenzte Job-Chancen  
sich diese Woche wieder zerschlagen haben:
Langzeitarbeitslos = chancenlos = wertlos.

Wie geht das Leben weiter?
Wenn die Depression zuschlägt
und für Marie die Sehnsucht nach dem Tod
größer ist, als der Wille zum Leben?



#Thomas&Friends

Wie geht das Leben weiter?
Das war auch ihre Frage.
Sie begleiteten Jesus in den Tod:
Maria und Johannes, Salome, Petrus und
Jakobus, Bartholomäus, Thomas
und alle anderen.
Und als würde das alleine nicht reichen,
beginnt für sie der Ostermorgen,
mit dem Schrecken
eines leeren Grabes.
„Fürchtet euch nicht!“
war die Botschaft des Engels.
Zwischen Hoffen und Bangen
leben sie seither
und warten
und vertrauen darauf,
dass sich das alles als wahr erweisen wird.

Gekreuzigt ist er.
Gestorben und begraben.
Am dritten Tage auferstanden von den Toten.

Und dann tatsächlich
den trauernden und verwirrten
Jüngerinnen und Jüngern
begegnet er
am Abend in Jerusalem.

Sie können ihn sehen.
Können glauben.
Und hoffen, dass das alles wahr ist.
Friede mit euch
hat er gesagt.
Ihr Leben geht weiter
weil sie dem Auferstandenen begegnet sind.
Weil der Tod dann wohl doch nicht das Ende war.

Thomas glaubt nicht.
Weil er nicht da war.
Thomas ist Realist.
Erzählen kann man ihm viel.
„Solange ich ihn nicht selbst gesehen habe
und solange ich nicht
die Wunden der Nägel
in seiner Handfläche gespürt habe:
Solange glaube ich nicht.“
So sagte er es.  
Eine Woche vergeht in der Gewissheit:
Thomas hat Jesus verpasst.

Aber Jesus hat Thomas
und seine Zweifel
nicht verpasst.
Jesus kommt zurück und
lässt den ihn, den Zweifler,
näher an sich heran,
als alle anderen.
Lässt sich berühren.
Friede mit euch!
Frieden ist mit Thomas.
Er hat Jesus gesehen und weiß jetzt:
Das Leben geht weiter.


#SeligGlauben

Selig, sind,
die nicht sehen und doch glauben!
Jesus findet
klare Worte
zum Abschied.
Sieht die Menschen,
die voll von Zweifel,
aber auch von Hoffnung erfüllt
sehen, hören, spüren und riechen wollen,
dass der Tod entmachtet ist
und das Leben weitergeht.
Jesus weiß,
dass es sich in Zukunft so anfühlen wird,
als ob er weit weg wäre.
Weiß auch, dass die Zeit kommen wird,
in der keiner mehr auf dieser Erde lebt,
der ihm leibhaftig begegnet ist.
Selig sind,
die nicht sehen und doch glauben!
Ein Vermächtnis
für Maria und Johannes,
Salome, Petrus und Jakobus, Bartholomäus,
und alle anderen.
Ein Vermächtnis für diejenigen,
die Jesus nie gesehen haben.  
Für die Zweifler wie Thomas.
Für uns.

Das Leben geht weiter
für die, die glauben.

Gesandt hat er sie
zu den Menschen
bis an die Enden der Erde
und das Ende der Zeit.
Gesandt hat er sie auch nach
Pontus, Galation, Kappadozien,
in die Provinz Asia und nach Bithynien.
Es entstehen Gemeinden der Glaubenden.
Und an die Christen dort
ist ein Brief überliefert,
der im Laufe der Geschichte
dem Apostel Petrus zugeschrieben wurde.
Er schreibt:


#Brief
(1. Petrus 1,3-9, BigS)

Gelobt sei Gott,
Ursprung von Jesus Christus,
zu dem wir gehören.
Gott hat großes Mitleid gehabt
und uns wiedergeboren,
so dass Hoffnung
in uns lebendig geworden ist,
weil Jesus Christus
von den Toten
aufgestanden ist.
Wir hoffen,
dass wir etwas erben werden, das nie vergeht,
das ohne Fehler ist und nicht verwelkt.
Es wird in den Himmeln für uns aufbewahrt,
für uns, die wir behütet werden von Gottes Kraft,
weil wir an die Rettung glauben,
die darauf wartet,
am Ende der Zeit für alle offen gelegt zu werden.
(…)
Obwohl ihr den, dem ihr vertraut,
jetzt nicht seht,
jubelt ihr mit einer Freude,
die nicht mit Worten ausgedrückt werden kann,
die im Glanz strahlt,
denn ihr erreicht das Ziel eures Glaubens
:
euer Leben wird gerettet
.


#GuterHoffnungsein

Wenn ein Kind unterwegs ist
dann sagte man früher:
„Ich bin guter Hoffnung“.
Weil man wusste:
nach den Schmerzen
schreit ein neues Leben.
Eine Geburt
ist die Schwelle
zwischen Leben und Tod.
Nicht immer geht es gut.
Auch heute noch ist  
dieser Übergang ins Leben
mit Schmerzen verbunden.
Und mit einem gewissen Risiko,
auch wenn die moderne Medizin
Sicherheit verspricht.
Wer geboren wird,
muss durch einen dunklen
Geburtskanal hindurch.
Erfährt Schmerzen und Enge.
Ist das geschafft:
der erste Atemzug.
Der Beginn eines Lebens
unter ganz anderen Voraussetzungen.
Im Bauch der Mutter
geht es einem Kind bestens.
Durch die Nabelschnur
an die Plazenta angebunden,
ist das Leben des Kindes sichergestellt.
Mit der Geburt
geht es durch Hölle, Enge, Dunkelheit und Schmerz.
Nach der Geburt,
abgeschnitten von der sicheren Versorgung,
atmet und isst das Kind selbständig.
Neues, eben geborenes Leben.


Gott hat uns wiedergeboren, sodass Hoffnung in uns lebendig ist. schreibt Petrus.

Glauben, obwohl man nicht sieht,
ist wie atmen,
obwohl man gar nicht weiß, wie es geht.

Wir können trotzdem atmen.
Und deshalb haben wir die Hoffnung,
dass das Leben weitergeht.
Dass nicht nur unser Körper,
sondern auch unsere Seele weiteratmet
Auch in der Lebenskrise,
im Schicksalsschlag,
im Angesicht des Todes.


#Behütetsein

Und wenn Kinder dann größer werden
und selbständiger,
lernen sie Laufen.
Sie lernen, aufzustehen,
und sich der Schwerkraft zu widersetzen. 
Wenn sie das tun,
bleiben Beulen und Schrammen nicht aus.
Und manchmal tut es richtig weh.
Wenn Kinder laufen lernen,
dann ist da die Hand,
die festhält und loslässt.
Und wieder auffängt.
Kein Kind überlegt sich das beim Üben:
Ist Mama da oder nicht?
Kann ich jetzt loslaufen?
Ist die Treppe zu steil für mich
oder geht das gut?

Kinder machen das einfach
und vertrauen darauf,
dass die Hand da ist,
wenn sie eine brauchen.
Zum Auffangen
und festhalten
und getröstet werden.

Wir werden behütet von der Gottes Kraft,
weil wir an die Rettung glauben.

Behütet sein heißt:
durchatmen
und dann wieder neu laufen lernen.
Schritt für Schritt Dinge tun,
für die bisher die Kraft gefehlt hat.
Hinfallen, aufstehen. Weitergehen.
Weil das Leben weitergeht.
Anders als vorher.
Die Schwerkraft ist da.
Der Schmerz auch.
Und der Auferstandene. 

#Gerettetsein

Wie oft
erträgt es ein Mensch
geboren zu werden,
durch die Hölle zu gehen,
Schmerz zu ertragen
an Leib und Seele?

Wie oft hat man die Kraft,
wieder neu Laufen zu lernen
und das Leben
- auf andere Art wie bisher -
neu zu beginnen?

Wie oft
kann man fragen
„Wie geht das Leben weiter?“,
ohne an dieser Frage zu zerbrechen?

Am Ende
bleibt die Frage nach Ostern.
Nach dem leeren Grab.
Es bleibt die Frage
nach der der Auferstehung der Toten
und dem ewigen Leben.
Am Ende bleibt die Frage,
warum das überhaupt alles einen Sinn macht
mit dem Vertrauen
auf einen unsichtbaren Gott.  

Der Abschnitt aus Brief an die Gemeinden
endet so:

Ihr erreicht das Ziel eures Glaubens:
euer Leben wird gerettet.

Es gibt ein Ziel.
Bis dahin
ist unser Leben
wie Geborenwerden
und Laufen lernen
und durch die Hölle gehen.
Und immer wieder von vorn anfangen.
Voller Vertrauen und Hoffnung
dass am Ende alles gut sein wird.
Dass wir mit Gott zusammen
auf einer Wiese voller Butterblumen sitzen
und Erdbeeren mit Sahne essen.
Und Gott uns erklärt,
wie alles wirklich ist.
Wir dann selig sind weil wir sehen.
Und glauben.
Und jubeln mit einer Freude,
die nicht mit Worten ausgedrückt werden kann.

Amen.

Sonntag, 21. April 2019

Die helle und die dunkle Seite des Steins

Auferstehungsfeier
Friedhof Frickenhausen
Ostersonntag 2019


Wir haben ihn in der Hand.
Einen Stein.
Kalt ist er
und schwer. 

Schwer liegt er auf der Seele
oder im Magen.

Manchmal
ist er auch ein Kloß im Hals.

Trauerkloß.
Wutkloß.
Sorgenkloß.

Aber wenn die Sonne auf ihn scheint,
ist alles anders.
Warm ist er dann.
Und rund.
Ich trage ihn in meiner Hosentasche
und genieße es, wenn seine runde Form
meine Hände schmeichelt.

Und wenn er groß ist
und am Wegrand liegt
lädt er ein
zu einer Pause. 


Zwei Seiten hat er
dieser Stein.
Eine Helle und eine Dunkle.

So wie das Leben zwei Seiten hat:
eine Helle und eine Dunkle.

Ich betrachte die dunkle Seite.
Der Stein liegt vor dem Grab.
Die Öffnung ist verschlossen.
Kein Licht scheint hindurch.
Todesstille.
Gefangen bin ich
in meinen Gedanken,
in Ängsten.
In Zweifeln.
Ich sitze im Grab.
Spüre Trauer,
Einsamkeit,
Vergänglichkeit.
Sehe dem eigenen
Sterben-Müssen ins Gesicht.
Spüre Dunkelheit
in jeder Faser meines Körpers.
In mir nur Zweifel.
Und Fragen.
Wo sind die Toten?
Was macht der Tod mit mir? 

Ich spüre die Last und die Kälte des Steins.
Schwer liegt sie auf der Seele.
Ich denken an Menschen,
die fehlen.
Deren Platz am Tisch nun frei bleibt.
Menschen, für die ich gesorgt habe.
Menschen, die einen Weg mit mir gegangen sind.
Menschen, die ich geliebt habe.
Den Ehemann.
Die Lebensgefährtin.
Sohn oder Enkelin.
Vater oder Schwiegermutter.
Freundin oder Kollege.

Hier auf dem Friedhof
ist Ort der Trauer.
Für uns alle.
Trauer verbindet.
Hier erinnern wir uns an die,
die uns fehlen.
Sie alle haben Namen.

STILLE

Früh morgens
sind sie unterwegs zum Friedhof.
Maria, Maria und Salome.

Ihre Seele schwer wie Stein.
Wie ein dunkler Stein.
Er fehlt ihnen jetzt schon.
Jesus.
Im Grab liegt er.
Wichtigster Mensch.
Rabbi.
Freund.
Weggefährte.

Am Kreuz wurde er hingerichtet.
Sie konnten es nicht verhindern.
Viel zu kurz war sein Leben.
So viel
hätte er ihnen noch sagen können.
Über Gott.
Und das Leben.
Über die Liebe und
die Ewigkeit.

Geschichten hätte er erzählt
und Brot geteilt.

Mit ihm starb ein Teil
ihrer Seele.
Auch sie liegt im kalten Grab.
Bei Jesus.
Ihn wollen sie salben
mit kostbarem Öl.
Ihm eine letzte Ehre zuteilwerden lassen.
Und vielleicht ihrer eigenen Seele
damit auch etwas Gutes tun.
Zum Trost
und gegen die Grabeskälte.

Aber der Stein war bereits warm
vom Licht der aufgehenden Sonne.

Und er war weggerollt.
Das Grab war offen.
Jesus lebt.
Der Engel hat es gesagt.
Hell und warm
liegt der Stein vor ihnen.
Die Dunkelheit ist vorbei.

Fassbar ist das nicht.
Begreifbar auch nicht.
Der Kopf spielt verrückt
und die Emotionen fahren Karussell.
Eigentlich ist es sogar eher zum Fürchten.

Maria, Maria und Salome:
Sie versuchen,
es irgendwie zu verstehen
und es ist,
als kriecht ihre Seele
aus dem Grab.
Heraus aus der Kälte
der Sonne entgegen.
Und der Wärme.
Ihre Seele lebt
und ist frei
und nicht mehr gefangen
in Trauer und Schmerz.

Maria, Maria und Salome.
Und Ida und Martin
und Ernst und Hannelore.
Und ich.
Und Jesus.

Frei und lebendig und auferstanden.

Hell und warm ist der Stein
im Licht der Ostersonne.

Wenn man den Stein
im Licht des Ostermorgens sieht,
dann ist man draußen.
Vor dem Grab.
Es ist hell und die Vögel zwitschern.

Wenn man den Stein
im Licht des Ostermorgens sieht,
dann ist es der Stein,
der weggewälzt wurde
von diesem dunklen Grab,
in dem auch die Seele stirbt.

Wenn man den Stein
im Licht des Ostermorgens sieht,
dann fühlt er sich warm an.
Und hell.
Und lebendig.

Dann erinnert er uns an Oma Berta
und die frisch gekochte Erdbeermarmelade
die nur schmeckt,
weil Oma sie selbst gekocht hat.

Dann erinnert er uns an die Studienkollegin Britta
und an gemeinsame Urlaube in der Schweiz,
und an das Foto
mit dem Gipfelkreuz.

Wenn der Stein zur Seite gerückt ist,
dann erinnert das an den Kollegen Thomas.
Und Gulasch mit Pellkartoffeln
zum 40. Geburtstag.

Wenn der Stein zur Seite gerückt ist,
dann riechen wir die Schmiere
in Vaters Werkstatt,
in der es nie anders roch, als genau so.

Wenn wir uns hier auf dem Friedhof umsehen,
sehen wir Steine im Licht der Ostersonne.
Ostern verwandelt Grabsteine
in Hoffnungssteine. 

Weil Jesus auferstanden ist
und lebt
haben wir Hoffnung.

Wie Maria, Maria und Salome.

Und wie Paulus,
der der Gemeinde in Tessalonich
und auch in Frickenhausen schreibt:

Wir wollen euch nicht im Unklaren lassen, liebe Brüder und Schwestern, wie es mit denen aus eurer Gemeinde steht, die schon gestorben sind.
Dann braucht ihr nicht traurig zu sein wie die übrigen Menschen, die keine Hoffnung haben. Wir glauben doch, dass Jesus gestorben und auferstanden ist. Ebenso gewiss wird Gott auch die Verstorbenen durch Jesus und mit ihm zusammen zum ewigen Leben führen.

Jesus war nur der Erste.

Amen.