Donnerstag, 14. Juli 2016

Frieden. Ein bisschen wenigstens.







Wenn die Kinder

die übers Meer gekommen sind

nicht mehr schreiend

vor dem bösen Hund davon laufen

(und in Syria sind alle Hunde böse)

sondern versuchen

ihre

zerbrechliche Hand

hinzuhalten

und

den Atem zu fühlen

von dem

den auch keiner wollte

dann ist

Frieden

ein bisschen

wenigstens
 
 

Montag, 11. Juli 2016

WOrte vollER Leben


WOrte voll ERleben
Apostelgeschichte 2, 42-47
Gottesdienst zur Eröffnung des Bezirkskirchentages am 10. Juli 2016

in der Johanneskirche Wendlingen
und in der Jakobskirche Bodelshofen

 
Gnade sei mit euch
und Friede
von dem der war
der ist
und der kommt.
Amen.

I. ORTE

Am Wochenende
oder im Urlaub
oder wenn uns sonst mal langweilig ist,
machen wir uns auf die Socken.
Schon seit ein paar Jahren finden mein Mann,
meine Tochter und ich Gefallen daran,
Orte zu entdecken, von denen wir bis dahin nichts ahnten.
"Geocaching" nennt man das.
Mit dem Smartphone oder einem GPS-Gerät versucht man dabei ein Ziel anzusteuern,
bei dem man einen "Cache", einen Schatz findet.
Das sind meistens
irgendwelche Tupperschüsseln
oder Munitionskisten
mit Logbuch und Tauschmaterial.
Oder auch kleine Röhrchen,
mit nur einem Papierstreifen drin. 
Man verewigt sich dann im Logbuch.
Und wenn man Glück hat,
kann man auch ein Legomännchen
gegen einen glitzernden Armreifen tauschen.
Das Ganze funktioniert,
weil auf einer Internetseite alle Caches,
die es auf dieser Welt gibt, gelistet sind.
Und es gibt sie überall!
Auch an Orten, wo Sie gar nicht damit rechnen.
Auch hier in Wendlingen / Bodelshofen!
Aber es sind nicht nur die Trophäen,
die man beim Tauschen ergattern kann,
die diese Schatzsuche interessant machen.
Es sind vor allem die Orte,
an die man gelotst wird.
Oftmals sind sie mit einer Geschichte verbunden.  
Oder mit einem Überraschungseffekt.
Oder mit einer besonderen Perspektive.
Zum Beispiel wenn man
die Böschung eines Flusses runterkrabbeln muss,
um eine Brücke von unten zu bestaunen.
Nebenbei ist im Fallrohr des Regenablaufs
auch noch ein Döschen versteckt.

 
II. LOST PLACES

Eine ganz besondere Serie von Geocaches
nennt sich "lost Places".
Übersetzt: Verlorene Plätze.
Das sind allesamt Orte, die in Vergessenheit geraten sind.
Die sichtbaren Verfall zeigen.
Teilweise steht da "betreten verboten".
Oder "kein Zugang".
Es sind Orte, die eine Geschichte haben.
Aber die Geschichte dieser Orte ist fast vergessen.
Nur ein paar wenige kennen sie noch.
Wer dort einen Cache versteckt, hat eine Botschaft:
Vergesst nicht, wer hier einst gelebt hat!
Vergesst nicht, wer hier einst gewirkt hat!
Vergesst nicht, was hier einst passiert ist!

Manchmal sind es politische Orte.
Manchmal sind es Mahnmale der Industrialisierung.
Oft aber auch Reste von Kapellen oder Kirchen,
oder gar alte Friedhöfe.
Teilweise erkennt man noch
kunstvolle in Stein gehauene Bilder.
Manchmal sind die Fundamente noch zu sehen.
Die Schönheit eines längst zerfallenen Glasfensters
zeigt sich an den Restscherben,
die im Sonnenlicht glitzern.
Ein Baum wächst aus dem zerfallenen Kirchendach
und an die Wand
hat jemand mit einer Spraydose
die Worte "Gods House" hinterlassen.
Ein Glockenstuhl mit der Totenglocke ist noch erhalten,
während der Rest des Friedhofs
dem Verfall preisgegeben ist.

Gerade diese "Lost Places",
an denen sich einst Christen versammelt haben,
berühren mich besonders.
Was ich empfinde ist zwiespältig:
Es ist ein einerseits ein Gefühl der Trauer.
Es ist etwas unwiederbringlich zerstört,
das einmal einer größeren oder kleineren Gemeinde heilig war.

Andererseits ist da auch die Faszination
über die innere Verbundenheit mit denen,
die hier einst Gottesdienst feierten
oder ihre Toten begruben.
Diese Verbundenheit ist nicht im Hier und Jetzt begründet.
Sie reicht über Generationen hinweg
und lässt uns etwas von dem erspüren,
was mit "Ewigkeit" gemeint sein könnte.
Und da ist Dankbarkeit.
Dankbarkeit darüber,
dass an diesem Ort Christen eine Bleibe hatten.
Hier war der Schauplatz eines Aktes
der großen Geschichte Gottes mit den Menschen.
Aus Gründen war dieser Akt begrenzt.
Oft wissen wir diese Gründe nicht.
Manchmal war es auch einfach Zufall.
Oder Schicksal.
Eines aber ist sicher:
Was hier zu Ende war,
wird an anderer Stelle weitergeschrieben.
Noch ist die Geschichte Gottes mit uns Menschen nicht zu Ende.


III Orte Voller Leben

Längst in der Zukunft angekommen
ist diese Geschichte.
Viele "lost Places" sind so
im Lauf der Jahrhunderte entstanden.
Die meisten sind nicht einmal mehr aufzufinden.
Unvergessen jedoch ist,
was sich aus diesen Orten entwickelt
und was aus den Anfängen der christlichen Gemeinde
bis heute geworden ist.

Dieser Anfang war so:

Sie hielten an der Lehre der Apostel fest
und an der Gemeinschaft,
am Brechen des Brotes
und an den Gebeten.
Alle wurden von Furcht ergriffen;
denn durch die Apostel
geschahen viele Wunder und Zeichen.

Und alle, die gläubig geworden waren,
bildeten eine Gemeinschaft
und hatten alles gemeinsam.
Sie verkauften Hab und Gut und gaben davon allen,
jedem so viel, wie er nötig hatte.
Tag für Tag verharrten sie einmütig im Tempel,
brachen in ihren Häusern das Brot
und hielten miteinander Mahl
in Freude und Einfalt des Herzens.
Sie lobten Gott und waren beim ganzen Volk beliebt.
Und der Herr fügte täglich
ihrer Gemeinschaft die hinzu,
die gerettet werden sollten.

Die Trauer der letzten Tage und Wochen
sitzt ihnen noch in den Knochen.
Aber die Sonne ist wieder aufgegangen
über den Häusern von Jerusalem
und in den Seelen derer, die darin wohnen.

Jesus ist weg
aber der Geist ist da
und er weht
durch Obergeschosse und
Heiligtümer
durch die Gassen und
Hinterhöfe.
Man trifft sich.
Gestern bei Noemi,
heute im Tempel,
morgen auf dem Ölberg.
Ein Ort voller Leben war dort,
wo man sich versammelte.
Keine Adresse,
kein Glockengeläut,
kein Schaukasten, der einlädt.
Heute hier morgen dort.
Manchmal wenige und oft viele.

Aber immer Lehre, Gemeinschaft,
Brot brechen und Beten.
Wunder und Zeichen.
Teilen und Feiern.
An dem hielten sie fest.
So lebt Gemeinde.
Da ist Kirche.
Da sind Orte voller Leben.
Damals.
Und heute.
Und morgen.



IV. WORTE VOLL ERLEBEN

Längst vergessen
wären Lehre, Gemeinschaft,
Brot brechen und Beten.
Wunder und Zeichen.
Teilen und Feiern -
wenn es nur ein Ort wäre
an dem Christinnen und Christen
festhalten.
Längst vergessen wären dann auch
die Herzensdinge,
die uns etwas erahnen lassen
von dem, wie der Himmel ist.
Die uns verbinden mit denen,
die vor uns da waren
und die nach uns sein werden.
Die wir erahnen
auch an Orten,
die wie tot aussehen -
und doch lebendig bleiben.
Weil dort mehr war,

als nur ein Treffpunkt derer,
die sich ihrer Kirche verpflichtet sahen.

Längst vergessen wären die Mut-Geschichten
aus der Bibel und die
alten Bilder,
die in der Kinderkirche
an der muffigen Flanelltafel hingen
und doch unauslöschlich
in viele Herzen gepflanzt wurden.
Sie hielten an der Lehre fest.

Längst vergessen wäre die Gemeinschaft
unter denen, die sich treffen
um ihren Glauben
und ihre Sorgen zu teilen.  
Mehr als nur Kaffee und Klatsch,
sondern Begegnung
mit den anderen
und mit Jesus.
Sie hielten an der Gemeinschaft fest.

Längst vergessen wäre
das trockene Stück Brot,
das von der zitternden Hand
in den Kelch getunkt wird
und die Gewissheit:
Jesus ist da.
Im Leben und im Sterben
tut das zu meinem Gedächtnis.
Sie hielten am Brechen des Brotes fest.

Längst vergessen wären
die unzähligen Stoßseufzer
der Kranken und Geschundenen,
der Einsamen und am Leben Verzweifelten.
Sie hielten am Gebet fest.

Worte voller Leben.
Manchmal auch voller Verzweiflung
und Lachen
und Weinen
und Witzeln
und Diskutieren.
Aber voller Leben.

 
V. FESTHALTEN

Festhalten
an dem, was nicht abhängig ist
von Orten und Plätzen,
von Mauern und Steinen
macht eine Gemeinde
zu einem Ort voller Leben.
Festhalten
an den Worten voller Leben
von Jesus:

Siehe, ich bin bei euch
alle Tage
bis an der Welt Ende.
Und die Welt ist groß
und verändert sich
und das Ende ist weit.


Festhalten
an der Gemeinschaft der Heiligen,
am Brot brechen und Beten.
An Wundern und Zeichen.
Am Teilen und Feiern.
An der Vergebung der Sünden,
der Auferstehung der Toten
und am ewigen Leben.
Amen.