Samstag, 17. Dezember 2016

Advent zwischen Gambia, Frickenhausen und Betlehem







Bewohner der Frickenhäuser Gemeinschaftsunterkunft haben im Sprachunterricht ihre Erlebnisse, Wünsche und Gefühle in Worte gefasst.
es sind "Elfchen" entstanden, die, von mir mit der biblischen Weihnachtsgeschichte zu einer Textcollage verwoben, am 17. Dezember beim Lebendigen Adventskalender in der Gemeinschaftsunterkunft vorgetragen wurden.

(Das FETTGEDRUCKTE sind die Elfchen der Jungs)
 

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.
Aber wo?

Hier oder  dort?
Deutschland oder Gambia?
Bethlehem oder Ägypten?



Advent
wir warten
auf das Weihnachtsfest
wir wünschen friedliches Leben
Gambia

Advent
wir erhoffen
Frieden und Harmonie
wir wünschen Frickenhausen
Fröhliche Weihnachten

Da machte sich auch auf
Josef aus Nazareth,
in das jüdische Land
zur Stadt Davids,
die heißt Bethlehem.
Maria
 gebar dort ihren ersten Sohn
und wickelte ihn in Windeln.
Denn sie hatten keinen Raum in der Herberge.

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.

A
ber wer?
Frauen, Männer oder Kinder?
Gesunde oder Kranke?
Alte oder Junge?
Reiche oder Arme?

Advent
wir
  warten
auf das Weihnachtsfest
wir wünschen allen Menschen
Frieden

Es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Feld,
die hüteten ihre Schafe.
Der Engel sprach zu ihnen:
Ehre sei Gott in der Höhe
und Friede auf Erden
bei den Menschen seines Wohlgefallens.


Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.

Aber warum?
Wohlstand?
Bildung?
Oder einfach nur:
Leben?

Advent
wir warten
auf das Weihnachtsfest
wir erhoffen schönes Leben
Zukunft

Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns,
dass Gott
Jesus gesandt hat in die Welt,
damit wir durch ihn leben.

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.


Aber wozu?
Was kann ich?
Wer braucht mich?
Was ist meine Aufgabe?

Wünschen
wir warten
auf eine Arbeit
lasst uns dabei sein
gemeinsam

Lasst uns nun gehen nach Bethlehem
und die Geschichte sehen,
die da geschehen ist.
Und sie kamen eilend und fanden beide, dazu das Kind.

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.

Aber wie?
Gedanken
und Herz
sind weit fort.

Gedanken
nach Hause
an meine Familie
Wie geht es euch?
Vertrauen

Angst
wir leben
auf dieser Welt
mit Angst vor Ungerechtigkeit
Befreiung

Denn ein Kind ist geboren,
der künftige König ist uns geschenkt! Und das sind die Ehrennamen, die ihm gegeben werden: umsichtiger Herrscher, mächtiger Held, ewiger Vater, Friedensfürst.
Seine Macht wird weit reichen und dauerhafter Frieden wird einkehren.

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.


Aber bei wem?
Bei Freunden?
Bei Fremden?
Bei uns?

Alleine
wir fühlen
Einsamkeit, Traurigkeit, Hoffnungslosigkeit
in der deutschen Gesellschaft
Menschlichkeit!

Warum
die Flucht
Angst, Verfolgung, Folter
ihr nehmt uns auf
Hoffnung

Der Engel Gottes erschien Josef im Traum und sprach:
Steh auf,
nimm das Kind und seine Mutter
und flieh nach Ägypten.
Bleibe dort, bis ich es dir sage.
König Herodes hat vor, das Kind umzubringen.


Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.

Aber wozu?
Alles umsonst?
Abschiebung unvermeidbar?

Entscheidung
kein Grund
alles war umsonst
Gambia ist sicheres Land
Fragen?

                  Als Herodes gestorben war                                    
                  erschien der Engel Josef im Traum.
           
                  
Er sprach: Nimm das Kind            
                 
und seine Mutter und kehre zurück.            
                  
Er aber fürchtete sich.            
                 
Weil der Sohn von Herodes König war.                        

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.

Aber wann?
Gestern?
Heute?
Morgen?

Advent
Wir warten
auf die Ankunft
ankommen im fremden Land
Zuhause?

Die Füchse haben ihren Bau
und die Vögel ihr Nest;
aber Jesus hat keinen Platz,
wo er sich hinlegen und ausruhen kann.

Advent.
Arrival.
Ankunft.
Har dara.
Ka batu.


Danke
bei euch
sind wir glücklich
die Gastfreundschaft der Menschen
Frickenhausen









Donnerstag, 15. Dezember 2016

Ich steh an deiner Krippen hier...

Familiengottesdienst
mit Krippenspiel der Kinderkirche am 18. 12. 2016
in der Eusebiuskirche Wendlingen am Neckar



Ein Stall.
Darin eine Holzkiste.
So ähnlich wie die
aus’m Baumarkt.
Aber alt.
An den Rändern angeknabbert und abgenagt.
Mit Heu und Stroh drin.
Und Baby.
Es riecht nach Pferd.

Oder Kuh.
Vielleicht ist es auch Windel.
Von den Balken hängen Spinnweben.
Wenn man zu groß ist kleben sie im Haar.
Und glitzern ein bisschen,
als wärs vom Engel.

Der ist im übrigen auch da.
So wie die anderen.
Die Suchenden und Findenden.
Könige, Rabbi, Soldaten, Hannah und Hirten.
Menschen.
Du und ich.
Wir stehen an der Krippe.
Spinnweben glitzern im Engelshaar.
Wir erzählen uns
Geschichten.
Unsere eigenen
Geschichten.
Von Freude und Schmerz.

Wir hören einander zu.
Und teilen,
was wir gehört und gesehen haben.
Teilen Frieden auf Erden.
Der Engel hat ihn verkündet.

Und das Kind hört zu
wie wir unsere Sorgen sagen.
Stotternd und stammelnd.
Und unsere Wünsche,
sagen wir auch.
Denn wünschen darf man
mit leuchtenden Augen,
als wäre es Weihnachten:

Einen Freund oder zwei gegen die Einsamkeit.
Brot und Wurst, weil man Hunger hat.
Engelshaar, damit man hübsch ist und
etwas gegen Halsschmerzen.

Einen Engel
für Meria in Aleppo und einen
für Abdul in Wendlingen.
Das wär doch was.

Einen Gefährten
für Christina, sie ist einsam.
Und Lilly, die hat Angst.
Vor dem einen Typen ganz speziell
und vor allen anderen auch.
Die soll weg, die Angst.
Der Engel mit den Glitzerhaaren
darf aber bleiben.

Angelika schafft ihren Job nicht mehr.
Und Markus macht sich Sorgen
weil die Tochter
sich zu Hause nicht mehr blicken lässt.

Alle sind da.
Teilen Freude
und Schmerz.
Und Wünsche.
Brot und Wurst
und Schnaps auch.
Teilen gute Worte und
böse Briefe.
Teilen Kaffee, Musik
und die Angst vor dem Morgen.
Und wir teilen Worte des Lebens.
Auch Worte zum Sterben
und das Licht.

Wir stehen an der Krippe.
Der Engel zwischen uns
und die Spinne seilt sich vom Balken ab.

Ich bin auch da.

Teile und Wünsche.
Das Kind lächelt.
Für einen Moment
ist Frieden
auf Erden.
Amen.



Mittwoch, 7. Dezember 2016

Eiszeit



Wenn
Frost und Eis
Stille und Dunkelheit
sich auf die Welt
und
auf die Seele
legen
dann sei gewiss:
es tagt
Noch ehe
Dunkelheit vergeht
und
Eis schmilzt
flüstert
das Licht
vom Frieden
Und siehe
es wärmt

Sonntag, 13. November 2016

Gemeinschaft der Unheiligen


Da sitzen wir.
Am runden Tisch.
In der Mitte eine Rose.
Sie duftet noch ein bisschen nach Sommer.
Ein paar Gläser mit Saft.
Wein.
Ein paar Brocken Brot.
Wir sitzen zusammen.
Und gehören zusammen.
Und spüren einander.
Fühlen Freude und Schmerz.
Eigenen und den der anderen.
Gemeinschaft der Unheiligen.
Eine Wolke voller Menschen.
Bunt wie das Leben.

Da sitzen wir.
Einer von uns:
Der kluge Kopf.
Der "IchhabsimKopfundweißBescheidtyp.
Mit Bart und Schlaumeierbrille.
Man findet ihn manchmal gewöhnungbedürftig,
aber wenn man was wissen muss,
ist auf ihn Verlass.

Da sitzen wir.
Eine von uns:
Die Frau unter der Haube.
Seit vielen Jahren verheiratet
und Mutter von 2 Kindern.
Sie ist oft müde.
Aber der Kuchen, den sie backt,
der schmeckt göttlich.

Da sitzen wir.
Einer von uns:
Ein Mann mit dunkler Haut
im Sträflingshemd.
Die Hand verwundet.
Wohl mal zu heftig was geregelt.
Ey Gangster, bisch du krass, man.
Aber wie du tanzt musst du uns zeigen!

Da sitzen wir.
Einer von uns:
Ein frommer Jude.
Mit Gebetsschal.
Er weiß, wie man Gott gefällt.
Und wie man lebt, dass man den Himmel sicher hat.
Dabei übertreibt er echt ein bisschen.
Aber er kann so viele Geschichten von Gott erzählen,
dass es mit ihm nie langweilig wird.

Da sitzen wir.
Eine von uns:
Im roten Kleid mit tiefem Ausschnitt
weiß sie, wie man bei Männern ankommt.
Sie kann damit leben,
dass die Leute reden.
Sie muss damit leben, weil sie davon lebt.
Hier darf sie sein,
weil man ihr Lachen mag. Und ihre Witze. 
Und Geld spielt keine Rolle.

Da sitzen wir.
Eine von uns:
Alt und zerfurcht ist ihr Gesicht,
das sie verbirgt unter ihrem blauen Tuch.
Sie hat ihr Leben gelebt und ist fertig damit.
Aber so lange sie noch kann
hört sie zu
und tröstet bei Liebeskummer
und weiß, dass Kamille bei Magenschmerzen hilft.

Da sitze ich.
Mitten
in der Gemeinschaft der Unheiligen.
Einer von ihnen bin ich.

Wer bin ich?
Der mit der Macke
oder die mit  dem großen Talent?
Wer bin ich?
Horrorclown oder Spaßvogel?
Himmelsstürmer oder Höllenbraut?
Wer mag bewerten
was ich bin
und wer ich bin
und wie ich bin
hinter meiner Maske?

Da sitze ich.
In der Gemeinschaft der Unheiligen
mit Jesus in der Mitte.
Er sitzt mir gegenüber
mit unheiligen Wunden
an den Händen.
Mit denen er das Brot bricht
und den Wein teilt.

"Bis ich wiederkomme
tut das zu meinem Gedächtnis."
Und wir teilen.
Mit Jesus
und miteinander.
So werden wir ganz
und richtig
und wertvoll -
wir Unheilgen.
Werden eins mit Jesus.
Verwundet und Auferstanden.
Vielfältig und Bunt.
Und Heilig.

Montag, 31. Oktober 2016

Luther - der Film

Predigt zum Film
LUTHER
Reformationsfest 2015
in der Eusebiuskirche
Wendlingen am Neckar


Vorlaut I
"Versuch dein vorlautes Maul zu halten!"
Väterlicher Rat
an ein "versoffenes, kleines, deutsches Mönchlein".
"Versuch dein vorlautes Maul zu halten!"
Als hätte er geahnt,
dass ein Spaziergang anders aussieht.
Als hätte er geahnt,
dass dieses Mönchlein,
sein Sohn,
sich nicht zurückhalten kann.
Wichtige Worte
wird er
zur richtigen Zeit
von sich geben.
Predigen.
Lehren.
An die Kirchentür nageln.
Wahre Worte.
ZU wahr
für die damalige Zeit.
Wahre Worte,
die nicht auszuhalten waren
für Mächtige
und Wichtige.
Worte,
die nicht auszuhalten sind.
Heute noch.
Weil sie hinterfragen
was Menschen denken
und tun.
Weil sie nicht stehen lassen,
was  Machtapparate
und Diktatoren
und ihr Gefolge
mit denen tun,
die angewiesen sind
auf Barmherzigkeit
und Gnade
und Liebe:
Menschen.
Selig sind, die da geistlich arm sind;
denn ihrer ist das Himmelreich


Gekaufter Himmel
Seelenmarkt in Jüterborg.
Buntes Treiben.
Brennende Reden.
Höllenlärm.
Loderndes Feuer der Verzweiflung.
Teuflische Fratzen nähren die Angst.
Der Tod so nah wie das Leben.
Verkaufte Seelen
hoffen auf gekauften Himmel.
Wenn das Geld im Kasten klingt,
die Seele aus dem Feuer springt.
Marktschreier Johann Tetzel
sorgt für seine Kirche
und ihre Seelen.
Für Tote und Lebendige
Für Große und Kleine
Für Kranke und Gesunde:
Den Himmel gibt es für niemanden umsonst.
Seelenmarkt damals und heute.
Käuflich sind alle.
Selig sind, die da Leid tragen;
denn sie sollen getröstet werden.
Himmel für alle
Ein bisschen Himmel braucht jeder.
Und ein bisschen Frieden
und ein bisschen Freude.
Und Wärme auch.
Und die Gewissheit,
Dass einmal alles gut ausgehen wird.
Mit dem Leben
und mit dem Tod
und mit dem, was dazwischen ist.
Wie sonst ist das Leben auszuhalten?
Ein bisschen Himmel braucht jeder.
Und alle sind auf dem Weg dorthin.
Himmelwärts.
Und anfällig für Himmelkram
sind wir auch.
Damals wie heute
ist die Sehnsucht gleich.
Sehnsucht nach Sicherheit.
Und Himmel.
Und Leben.
Selig sind die Sanftmütigen;
denn sie werden das Erdreich besitzen.


Sicher ist sicher!
Namen.
Und klingende Münzen.
Hannes Bauer.
Philipp Lerchenberg.
Maria Katharina Molnar.
Grete, Tochter.
Matthias Berlepsch.
Freigekaufte Menschen,
dem Himmel so nah.
Den letzten Groschen
investiert in das ewige Heil.
Nichts mehr zu Essen für das Kind.
Aber Gewissheit, dass es zu Jesus laufen kann.
Gekaufter Himmel beruhigt das Herz.
Bereinigt das Gewissen.
Lässt ruhig schlafen und
verhindert Angst vor dem, was kommt.
Gekaufter Himmel füllt Kassen und
füttert Systeme der Macht.
Spenden lassen ruhig schlafen
und optimieren den Steuerbescheid.
 Geld macht zwar nicht glücklich,
aber es beruhigt die Nerven.
Selig sind, die da hungert und dürstet
nach der Gerechtigkeit;
denn sie sollen satt werden.
Leben um zu sterben
Nimm die Sache in die Hand!
Schau, dass dein Name dabei ist,
wenn die Freibriefe verteilt werden!
Kümmere dich darum,
dass dein Leben rund läuft.
Und dein Sterben auch.
Sichere dich ab
für alle Eventualitäten!
Mach den Versicherungscheck
und buche
den Schutzbrief gleich mit.
Kümmere dich
um deine Rentenlücke und
um die Ausbildungsversicherung
deiner Enkel.
Kauf das Auto
mit dem sichersten Airbag,
damit du die Kreuzfahrt
anno 2029 nicht verpasst.
Und lass deine Komfortzonen
nicht in Frage stellen.
Im Zweifelsfall: setze dich durch,
sonst verpasst du das Leben.
Du hast nur dieses Eine und
am Ende bist du tot.
Selig sind die Barmherzigen;
denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.


Sichtwechsel
95 neue Perspektiven -
weg von Geld
und Berechenbarkeit
und Macht.
95 neue Perspektiven,
die ins Licht rücken
was im Dunkel des Mittelalters
und im Dunkel der Macht
und im Dunkel der Menschheit
erstarb.
95 neue Perspektiven,
die auf den einen - Christus - deuten
und zeigen
wo der Himmel aufreißt
und die Seele
ihren Schmerz
vergisst.
Glaube, Liebe und Hoffnung
statt Geld, Hass und Verzweiflung.
Sichtwechsel.
Den Blick weg vom Begrenzten,
hin zum Ewigen.
Selig sind, die reinen Herzens sind;
denn sie werden Gott schauen


Reformation
Himmel war schon damals
und Himmel
ist schon heute.
Ganz ohne Marketing und Klimbim
ist Christus da
und zeigt sich unter uns.
Wo Menschen füreinander da sind,
wo Liebe und Zuwendung,
Mitgefühl und Verantwortung
keine Fremdwörter sind.
Wo der Ewige nicht begrenzt wird
auf das Geschäft mit der Ewigkeit,
und die Ewigkeit
nicht reduziert wird
auf den Tod,
da wächst leise
etwas,
das höher ist all unsere Vernunft
und unser Denken
und unser Wissen.
Frieden auf Erden.
Im Diesseits
erleben wir
dass unser Glaube trägt.
Selig sind die Friedfertigen;
denn sie werden Gottes Kinder heißen

Vorlaut II
"Versuch dein vorlautes Maul zu halten!"
Väterlicher Rat
an ein "versoffenes, kleines, deutsches Mönchlein".
"Versuch dein vorlautes Maul zu halten!"
Väterlicher Rat an den,
von dem wir 500 Jahre später
immer noch sprechen.


Was wäre,
wenn er,
respektvoll und
die väterliche Autorität ehrend,
den Rat befolgt hätte?
Was wäre,
wenn das
kleine deutsche Mönchlein
sich schweigend
im Schutz des Klosters
in die Stille
verkrochen hätte?
Was wäre,
wenn 95 Thesen
nie geschrieben worden wären?

Was wäre dann?

Was wäre, wenn Christen
wie du und ich
das vorlaute Maul
auch nicht halten
und nicht hoffen
auf bessere Zeiten
und einen anderen,
der für uns das Wort ergreift?


Was wäre,
wenn wir wären
wie Bruder Martin?


Was wäre,
wenn....
Selig sind,
die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden;
denn ihrer ist das Himmelreich.
Amen.

Freitag, 28. Oktober 2016

Durchblicken

"Brillenwechsel.
Vielfältig auf Jugendarbeit und Kirche schauen."

Delegiertenversammlung des
Evangelischen Jugendwerks Bezirk Nürtingen
am 27.10.2016


„Wir brauchen ja niemanden deswegen auszugrenzen, nur weil ihm kein Bart wächst, oder?
Kann er – oder sie – ja nichts dafür…
Wir Menschen sind eben ganz verschieden  - wie
unsere Geschichten. Manche haben einen Bart."

Firas Alshater in seinem Buch "Ich komm auf Deutschland zu".
Viele Menschen haben keine Chance ein Buch zu schreiben.
Ihre Geschichte wird nicht gehört, oder als Youtube-Film vermarktet.
Und doch ist nicht nur ein Youtube-Star wichtig.
Jede und jeder ist wertvoll mit einer ganz eigenen Geschichte.
Für uns klingt das immer alles so selbstverständlich.
Jeder ist wichtig.
Alle sind gleich wertvoll.
Gott liebt dich, wie du bist.
Das wollen wir vermitteln:
Den Kindern und Jugendlichen in unserer Jugendarbeit,
aber auch "dem Rest der Welt".
Das ist unser Auftrag, unsere Motivation, unsere Leidenschaft.
Schaffen wir das?
Bei allem auf das wir als kirchliche Jugendarbeit stolz sein können:
Manchmal ist es gut, kritisch hinzuschauen
und Fragen zu Stellen.


Wer kommt denn tatsächlich in unsere Gruppen und Kreise?
Mit wem arbeiten wir zusammen?
Mit wem haben wir keine Berührungspunkte?
Bei welchen Jugendlichen kommt unsere Botschaft gar nicht an?
Wer ist das, wo leben die und was bewegt die?


Wo findet die Hedi mit der 1 im Abi
einen Platz für ihre Zweifel an Gott und der Welt?
Wo Martin, der im Rollstuhl sitzt?
(Und kommt der überhaupt die Treppe zum Jugendraum runter?)
Wie kann Alaji besser Deutsch lernen
und warum traut sich Ela, die keinen Mann hat aber eine Tochter,
nicht mehr in den Jugendkreis?
Kann Mandy, die neulich noch mit einem Jungen lieert war,
aber jetzt eine feste Freundin hat,
ihre Lovestory erzählen, ohne dass ein Raunen durch den Raum geht?
Und Helmut, der Hausmeister - der ist eine Seele von Mensch.
Denn der räumt immer den Müll weg.
Aber darf er sagen, dass er nicht ausgenutzt werden will?
Viele Fragen kann man sich stellen.
Vieles kann man wahrnehmen, sehen, hören.
Nicht immer haben wir den richtigen Blick, die richtige Brille auf.
Eine wichtige Frage ist:
Sind wir uns dessen bewusst?
Oder gehen wir davon aus, dass die eine Brille,
mit der wir uns gut fühlen, die richtige ist?

Bartimäus hatte auch Schwierigkeiten mit dem Durchblick.
Blind war er.
Bettler von Beruf.
Jericho hieß seine Stadt,
die ihn am Leben erhielt.
Man kannte ihn.
Er war jeden Tag da und tat das Gleiche: Er sorgte für sich.
Für seinen Lebensunterhalt.
Als Jesus in die Stadt kommt, muckt er auf.
Sogar so sehr, dass die Stadt in Bewegung kommt.
Sie schämt sich für diesen Blinden, der ruft
"Jesus, Sohn Gottes, hab Erbarmen mit mir!"
Und Jesus geht hin.
Er vollbringt nicht ein sofortiges Wunder.
Er stellt eine Frage:
"Was willst du, dass ich für dich tun soll?"
Bartimäus antwortet: "Dass ich sehend werde!"
Jesus sprach: "Geh hin, dein Glaube hat dir geholfen."
Es ist eine Sache des Glaubens,
das mit dem Brillenwechsel
und mit dem Sehenkönnen.

Gib uns Ohren die Hören
und Augen die sehn,
und ein weites Herz, andre zu verstehn.
Gott, gib uns Mut, unsre Wege zu gehn.
Amen.

Montag, 24. Oktober 2016

Herbstsegen


Gott segne dir den Herbst!

das Leben möge
dir in all seinen Farben erblühen
Reichtum und Fülle
mögen dir den Alltag erleichtern und
eine gute Ernte
der Lohn für Deine Mühen sein

die goldenen Strahlen der
Herbstsonne
mögen dein
Herz
erwärmen und dein Innerstes
zum Strahlen bringen

Rückzug
und Konzentration
auf deine Wurzeln mögen dich
zu neuem Leben
stark machen

im Loslassen und
im freiwerden vom Ballast
der Jahreszeiten
mögest du frei werden
um zur Ruhe zu kommen
den Abschied zu feiern und
den Neubeginn

Gott segne dir den Herbst

damit du
Frieden und Erfüllung spürst
an Leib, Seele und Geist
Amen

Sonntag, 2. Oktober 2016

Man teilt nur mit dem Herzen gut.

Erntedank-Gottesdienst im Roßdorf
am 2. Oktober 2016



Gnade sei mit euch und Frieden. Von dem der ist, der war und der kommt. Amen.

I. Israel

Habt ihr gehört?
Feigen und Weizen
und Granatäpfeln und Oliven
und Honig.
Lauter leckere Dinge.
Das alles hat Gott versprochen.
Sattessen sollten sich die Menschen
nach der langen Wanderung durch die Wüste.
Ganz sicher sollen sie sein:
Für uns ist gesorgt.
Keiner kommt zu kurz.
Volk Israel,
dein Gott weiß, was du brauchst.

II. Roßdorf

Ihr seid nicht das Volk Israel,
sondern das "Volk Roßdorf". 
Hier ist keine Wüste.
Und wandern muss man auch nicht jeden Tag.
Die letzte Hungersnot in Deutschland
ist schon sehr lange her.
Und das Roßdorflädle
ist immer gut bestückt.
Niemand muss sich Sorgen machen.
Alle  wissen: Wir haben es gut.
Und heute haben wir das vor Augen:
der  Erntedankaltar ist voll.
"Volk Roßdorf",
dein Gott weiß, was du brauchst.

III. Tagestreff

Der Erntedankaltar ist voll.
Wir danken Gott
und wir können teilen.
Weil wir es gut haben.
Und weil wir und freuen
über Äpfel und Nüsse,
Weizen und Trauben,
Karotten und Kraut.

Wir teilen.
Und wir wissen,
dass es auch
in unserer Stadt,
vielleicht sogar unter uns,
Menschen gibt,
die es nicht gut haben.
Denen die Rente nicht reicht.
Die vom JobCenter
wieder weggeschickt werden.
Die Platte machen müssen.
Wir teilen
was Gott uns schenkt
mit den Besucherinnen und Besuchern
des Tagestreffs
in der Paulinenstraße.
Dort bekommen Menschen,
die obdachlos und arm sind,
denen Hoffnung und Mut fehlt,
ein warmes Essen.
Eine Kartoffelsuppe,
Gemüseeintopf
oder ein Gulasch.

 IV. Korinth

In der Bibel gibt es einen langen Brief.
Paulus hat ihn an die Christen in Korinth geschrieben.
Und über das Teilen sagt er:

Brüder und Schwestern,
vielen Dank für eure großartige Hilfe!
Seit dem letzten Jahr sammelt ihr Geld für die Gemeinde in Jerusalem!
Ihr seid so eifrig!
Deshalb habe ich auch einige zu euch geschickt,
damit sie das abholen, was ihr gesammelt habt.
Ich bin sicher, dass ich stolz auf euch sein kann!

Denkt immer daran:
Mit dem Teilen ist es wie bei einem Sämann.
Wenn er wenig Samen auf dem Acker verteilt,
dann wird auch wenig ernten.
Wenn er aber großzügig mit beiden Händen die Samen verteilt,
und nicht spart dabei,
dann hat er eine reiche Ernte.

Dabei ist wichtig:
keiner soll mehr geben, als er selber abgeben kann.
Ihr müsst tief innen im Herzen wissen,
wieviel ihr abgeben könnt
und was ihr teilen wollt.
Wenn ihr etwas teilt, soll es von Herzen kommen.
Dann macht es euch Freude
und dann freut sich Gott auch um so mehr darüber.
Er hat euch dann ganz besonders lieb.
Und dann werdet ihr feststellen:
Gott gibt euch so viel,
dass ihr immer genug habt
um anderen etwas davon abzugeben.
Daran sehe ich:
Gott segnet euch!


 V. Teilen

Teilen kann man viel.
Geld und das letzte Hemd.
Kürbisse und Trauben.
Mandarinen und Studentenfutter.
Das Pausenvesper
mit Apfelschnitzle.
Sehr gut teilen kann man
eine Portion Pommes
und Gummibärchen.
Teilen kann man
aber auch
Zeit
und Ideen
und Gedanken.
Geschichten auch.
Solche, die erzählen von der Dankbarkeit
und davon, dass es für alle gereicht hat.
Teilen kann man aber auch Zweifel.
Manchmal auch Zweifel daran,
ob wir das wirklich schaffen.
Zweifel ob genug für alle da ist
und nicht ein anderer das bekommt,
was eigentlich mir zusteht.
Manchmal fällt das Teilen schwer.
Manchmal sind wir
sparsame Sämänner und -frauen.
Wir budgetieren den Samen.
Wir teilen ein und legen an.
Wir überlegen, wie wir Verluste klein halten.
Es könnte eng werden am Monatsende.
Es könnten schlechtere Zeiten kommen.
Heute ist doch eher hamstern angesagt.

VI. Der Sämann

Paulus sieht das anders.
"Viel hilft viel!"
Das ist kein politisches Erfolgskonzept.
Keine Business-Strategie der Wirtschaftsriesen.
Das ist ein landwirtschaftliches Betriebsgeheimnis.
Wer möchte,
dass ein Acker einen hohen Ertrag bringt,
der muss investieren.
Nicht alle Samen gehen auf.
Nicht alle Pflanzen wachsen gerade.
Und manchmal wächst da auch etwas,
was da gar nicht hingehört.
Nicht immer ist Witterung, Temperatur und Bodenbeschaffenheit optimal.
Aber wenn man großzügig ist
und das alles einkalkuliert,
dann kann man davon leben.
Nur dann.
Nur dann kann man
aus dem Vollen schöpfen und hat
im nächsten Jahr genug Samen
um von vorn zu beginnen.

VII. Segen

Wer teilt,
ist gesegnet.
Paulus wusste das.
Und die Korinther auch.
War ja sicher alles kein Problem damals.
Heute lassen wir das lieber mal.
Das Armutsrisiko ist hoch.
Da muss man vorsorgen!
Die Zeiten haben sich doch geändert!
Wirklich?
Ich glaube nicht.
Auch die Christen in Korinth
mussten wirtschaften.
Und vorsorgen.
Vermutlich war das Armutsrisiko
sogar höher als heute.
Hartz4 und Rente warten noch nicht erfunden.
Sie mussten sorgfältig umgehen
mit dem, was sie hatten.
So wie wir heute
auch überlegen müssen,
wieviel wir abgeben können.
Und wollen.
Nicht ohne Anlass
schrieb Paulus diesen Brief.
Vielleicht würde er ihn heute an uns schicken?

VIII. Man teilt nur mit dem Herzen gut

Tief drin
im Herzen,
da wo Gott wohnt,
und das, was uns heilig ist,
wissen wir doch,
was wir hergeben können
und entbehren wollen.
Man teilt nur mit dem Herzen gut.
Am Ende
bleibt Segen.

Für uns selber
und für andere.
Amen.

Montag, 5. September 2016

Gießkannenfrieden

wenn Dinge
und Möwen
und Schwärme
anders sind
als sie scheinen

wenn Gießkannen
von IKEA
gepfählt sind
in Massen
zwischen Bunkern
aus altem deutschem
Beton

dann staune
weil
Geist und Wind
ausgegossen
über Land
und Meer
die Seele
streicheln
und leise
flüstern
vom
Frieden

Sonntag, 4. September 2016

Donnerstag, 1. September 2016

Dem Himmel ein Stück näher...

manchmal
muss man
dem Himmel
ein Stück
näher kommen
um dankbar
zu erkennen
wie klein
die Welt ist
die dir
zu Füßen liegt
und
wie Unendlichkeit
und Ewigkeit
nicht Traum sind
sondern
Wirklichkeit

Mittwoch, 24. August 2016

Es ist, was es ist...


 
Gottesdienst in Frickenhausen am 29.Mai 2016

Gnade sei mit euch und Friede
von dem der war, und der ist und kommt!

I. Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!


"Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!"
So stand es neulich da zu lesen:
in einer hitzigen Diskussion im Internet.
Auf der Facebookseite einer großen, christlichen Zeitung.
Es ging um Politik und Flüchtlinge,
das Gute und das Böse in der Welt,
den Islam, und Österreich
und vor allem um die Haltung der Kirche
und um die Meinung von uns Christen
zu diesen Angelegenheiten.
Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!
Das will man nicht mehr hören.
Das ist zuviel des Guten!
Es kann doch nicht immer um Liebe gehen
in dieser Kirche,
wenn man ihr noch etwas glauben soll!
Wo kämen wir da hin?
Eine Schönwetterkirche seien wir,
wenn wir nicht sprechen
von Sünde
und vom Verlorensein.
Von Götzendienst
und vom Gericht.
Wenn wir nicht laut warnen,
vor dem schleichenden Verfall unserer Werte.
Wenn wir nicht scharfe Worte finden
gegen Fremdes
und Unheilvolles.
Gegen Unsicheres und
Unwägbares.

Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!
wo kämen wir hin,
wenn das tatsächlich so wäre?


II. Menschenliebe

Gott ist die Liebe.
So sagt es der Briefschreiber damals.
Tatsächlich immer nur Liebe! Liebe! Liebe!  
Liebe macht Kopfkino:
Sonnenuntergänge.
Und kitschige Postkarten.
In Rinde geschnitzte Treueschwüre
und Herzklopfen.
Das erste Date und der erste Kuss.
Schmetterlinge im Bauch.
Der laue Sommerabend am Meer und
der bunte Strauß
zum zehnten Hochzeitstag.
Alles göttliche Ideen und
himmlische Visionen.
Dummerweise
lehrt uns das Leben,
dass solche Dinge
flüchtig sein können.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht,
der weiß,
dass Liebe schnell aufhören kann
wenn eigene Vorstellungen
und Ideen
und Planungen
zerbrechen.
Und von den Gefühlen
und dem füreinander da sein
und dem Beieinanderseinwollen
nichts mehr übrig ist.
Gott ist die Liebe.
Eine flüchtige, zerbrechliche Liebe?


II. Der liebe Gott

Gott ist die Liebe.
Es klingt, als wüsste dieser Briefschreiber,
wovon er schreibt.
Es klingt, als habe er verstanden,
dass man Liebe nicht einfach
in Büchern lernen
oder im Internet googeln
oder in einem Do-it-yourself-Kurs
buchen kann.
Volkshochschule, sechs Termine 89 Euro.
Aber man kann hineinwachsen.
So wie Sandra.
Sie hat kann sich heute noch ganz genau erinnern,
was Schwester Margret vor 35 Jahren
gesungen und erzählt hat.
Die in der Kinderkirche
und im Konfi
gut aufgepasst hat
bei den Geschichten
vom lieben Gott.
Und vom Freund Jesus.
Sie weiß, dass etwas heil und gut wird,
wenn sie Gott vertraut -
auch wenn sich das Leben dunkel anfühlt.
Als wäre man vom Wal verschluckt,
so wie Jona.
Sandra weiß auch,
dass man sich mit Leuten abgeben kann,
die eine andere Idee von Gut und Böse haben.
Solche wie Zachäus, das Schlitzohr.
Jesus saß bei ihm eines Tages
im Wohnzimmer.
Er fragte übrigens nicht nach
Beruf, Stand, Religionszugehörigkeit,
sexueller Orientierung, Hautfarbe
und Schuhgröße.
Jesus sagt nur: Ich will bei dir Gast sein.

Gott ist die Liebe.
Sandra weiß, dass Gott größer ist,
als ihre Vorstellung von ihm
und die Geschichten
in ihrem Herzen.

III. Alte Liebe

Gott ist die Liebe;
und wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott und Gott in ihm.

So sagt es der Briefschreiber,
der nicht unterscheidet
zwischen sich und den anderen und Gott.
Der nicht unterscheidet
zwischen "meinem Gott"
und "deinem Gott".
So sagt es einer, der das Verbindende
und das Heilende
und das Lebendige sieht.
Uralte, geschriebene Worte,
die bezeugen, was wir
seit Menschengedenken hoffen.
Und Glauben.
Und manchmal sogar spüren.

Zweitausend Jahre später
reden wir immer noch von Liebe.
Vom Zerbrechlichsten der Welt.
Vom Heiligsten.
Vom Wertvollsten
das wir Menschen uns vorstellen können.

Zweitausend Jahre später
fragen wir immer noch
wer Gott wirklich liebt
und wen Gott wirklich liebt
und ob mich Gott wirklich liebt.
Und ob Gott diese Kirche liebt,
und dieses Land,
und diese Menschen,
und alle anderen auch.

Zweitausend Jahre später
ist alles wie damals.
Zerbrechlich, und manchmal flüchtig.
Und dann wieder stark und großartig und ganz sicher:
Eine alte Liebe,
die so manchem trotzen kann,
was sich ihr in den Weg stellt.

 IV. Erich Fried

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

So redet Erich Fried von der Liebe.
Österreicher, Schriftsteller, Dichter, Jude.
Es waren Deutsche, die seine Kindheit zerstörten.
Es waren Deutsche, die seinen Vater ermordeten und seine Großmutter in Auschwitz töteten.
Es waren Deutsche, die ihn zur Flucht zwangen.
Und es waren Deutsche, die Millionen seines Volkes vergasten.

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried verlor nie seine Beziehung zu Deutschland.
"Ich liebe zu viele Menschen dort,
als daß ich Deutschland hassen könnte".


V. Es ist zum Fürchten, dieses Leben

Furcht ist nicht in der Liebe,
sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus;
denn die Furcht rechnet mit Strafe.
Wer sich aber fürchtet,
der ist nicht vollkommen in der Liebe.

Oft ist es zum Fürchten,
dieses Leben.
Unheilvolles und Unvollkommenes
nimmt uns die Gewissheit,
dass wir Geliebte sind
und Liebende sein können.

Wir leiden
an zerbrochenen Beziehungen,
am verlorenen Job,
am verkorksten Leben.
Wir müssen
Neid,
Missgunst,
Machtmissbrauch,
Krankheit,
Verfolgung,
Krieg,
Terror
und Tod
mit ansehen und aushalten.
Liebe? Ach wo....
All das ist zum Fürchten!
Da ist nichts Göttliches!
Und nichts Liebliches und
nichts Vollkommenes!

Erich Fried hat es
- trotz seiner schmerzvollen Lebensgeschichte -
geschafft,
hinter all dem, was sich ihm in den Weg stellte,
Liebe zu sehen.

Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist, was es ist,
sagt die Liebe
und akzeptiert,
dass Liebe auch dann Liebe ist,
wenn der Himmel nicht voller Geigen hängt
und das Leben zum Fürchten ist.
Deshalb ist es auch nicht
zu viel des Guten,
wenn die Kirche
und die Christen
und wir alle
von der Liebe reden.
Denn Fremdes
und Unheilvolles,
Unsicheres und
Unwägbares stellt sich vielleicht
der Liebe in den Weg.
Aber es stellt die Liebe nicht in Frage.
Die Liebe Gottes schon gar nicht.
Deshalb:
Lasst uns lieben,
denn er hat uns zuerst geliebt.


VI. Was wäre wenn?

"Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!"
schrieb der Zweifler ins Internet.
Wo kämen wir hin,
wenn das tatsächlich so wäre?

Amen.

Samstag, 20. August 2016

Wenn...

 
wenn
dir ein 12jähriger
mit diesen Bildern
erzählt
von seiner Heimat
von Aleppo
von Krieg
vom Tod
vom Meer
und dem langen
Weg
 
wenn
dein Tablet
arabisch kann
und Google Maps
nicht nur
den Weg
in den Urlaub kennt
sondern auch
zum Balkan-Stacheldraht
weg
von den Bomben
und vom Tod
 
und wenn
dieser 12jährige
dich dann fragt,
warum
die Kinder
in Deutschland
nicht auf der Straße spielen
und du hörst dich sagen:
weil es gefährlich ist
wegen der Autos
 
dann schämt du dich
für deine Angst
weil syrische Kinder
auch auf der Straße spielen
zwischen Autos
und Trümmern
und Bomben
und Tod
und Leben

Sonntag, 14. August 2016

Lahm sind wir nicht. Aber festgelegt.

Predigt im Rahmen der Sommerpredigtreihe im Neuffener Tal am 14. August 2016 in Kohlberg und Frickenhausen.

"Jesus, der Heiler"



Gnade sei mit euch und Friede,
von dem der war und der ist und der kommt! Amen.

Aus dem Johannesevangelium, Kapitel 5:
Danach war ein Fest der Juden, und Jesus zog hinauf nach Jerusalem. Es ist aber in Jerusalem beim Schaftor ein Teich, der heißt auf Hebräisch Betesda. Dort sind fünf Hallen; in denen lagen viele Kranke, Blinde, Lahme, Ausgezehrte. Es war aber dort ein Mensch, der lag achtunddreißig Jahre krank. 
Als Jesus den liegen sah und vernahm, dass er schon so lange gelegen hatte, spricht er zu ihm: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh hin! Und sogleich wurde der Mensch gesund und nahm sein Bett und ging hin.

I. 38 Jahre
38 Jahre liegt er dort.
Schäbig die Matte und staubig der Boden.
Stinkend die spärlichen Lumpen am Leib.
Kaum mehr ein Zahn im Mund.
Trübe
das bisschen Wasser
im dreckigen Krug.
Vertrocknet
ein Stück Brot
von vorletzter Woche,
- die Schwester brachte es damals vorbei -
zerfressen
von den Ratten
in der Nacht.
38 Jahre einsam
in der Masse der Kranken und Hoffnungslosen.
38 Jahre lahm
und lange Zeit festgelegt
auf diesen einzigen Ort der Hoffnung.
Festgelegt auf diese einzige Chance:
wenn sich das Wasser bewegt.
38 Jahre Opfer einer Gesellschaft,
die die Aussätzigen vor den Stadtmauern isoliert
und die Blinden auf die Straße schickt
und die Lahmen liegen lässt in ihrem Elend.
38 Jahre festgelegt
auf diese einzige Chance,
die keine ist.
Weil es Tausende sind
die warten
und hoffen
und warten
und sterben.
38 Jahre warten auf Erlösung.
38 Jahre sterben in Raten.
Lahm und festgelegt.
Eine Ewigkeit
warten
auf den einen
göttlichen Moment
der vielleicht
alles ändert.



II. Nochmal 38 Jahre

Wenn man,
wie ich,
38 Jahre ist
und Familie und Freunde
und Haus und Hund
und Beruf und Auto
und vor allem
Hoffnung hat.
Wenn man gesund ist
und jeden morgen aufstehen darf,
wenn man sich am Regenbogen
und am Meeresrauschen
und am Wein
und am Lachen von Kindern
und an den Gehaltszahlungen
auf dem Konto
freuen darf,
dann sind 38 Jahre
nur ein ganzes Leben.
38 Jahre,
in denen gelacht und geweint,
gesungen und getanzt,
geliebt und gefeiert wurde.
Dem eigenen Tod
und dem eigenen Sterben so fern
wie die Nacht vom Tag.
38 Jahre, von denen es
locker nochmal so viele
sein dürfen.
Ein erfülltes Leben
voller göttlicher Momente.
Geschenke des Augenblicks.
Nicht jeden Tag gleich
und lahm schon gar nicht.
Aber manchmal,
das gebe ich zu,
festgelegt.
Festgelegt auf das Gute.
Und das Leben.
Und das Heilsein
an Leib
und Seele.



III. Haus der Barmherzigkeit / Jerusalem 0021


Betesda
Haus der Barmherzigkeit
oder auch
Haus der Gnade genannt.
Bedeutungsvoll sind
diese Namen.
Nicht gerade passend
für einen Ort
wie diesen.
Eine Zisterne
im antiken Jerusalem -
aber kein Brunnen wie viele andere.
Nicht nur eine Quelle,
sondern große Becken.
Nicht irgendein Wasser,
sondern Kanäle,
die das kostbare Nass
aus Tiefen und Untiefen
herbeiführten.
Wunderwerk
der damaligen Technik
durch Schleusen
und Tore
und Hebewerke.
Verborgen in den Tiefen der Stadt
hineingemeiselt in Felsen
das Werk 
von Tüftlern
und Denkern
um die Stadt
und den Tempel
aus der Tiefe
mit Wasser zu versorgen.
Jerusalem 0021.



IV. Prinzip Hoffnung


Wundersames passiert
an dieser Stätte,
an der man sich trifft
zum Vieh tränken
und Wäsche waschen
und Baden
und Tratschen.
Und zum Gesundwerden.
Geschichten und Märchen
erzählt man sich
über das Wasser,
das sich ganz bestimmt
durch die Hand
eines Engels
bewegt.
Der erste, der nach der Unruhe
ins Wasser steigt, sei gesund,
sagen sie.
Und hoffen sie.
Und glauben sie.
In den Wellen
spiegeln sich
die Gesichter der Zerbrochenen.
Ein Funken Hoffnung
glimmt in den dunklen Augenhöhlen
wenn Bewegung ins Wasser kommt
und in die Masse
der Lahmen und Festgelegten.
Die Hebewerke im Untergrund
pumpen und ächzen
und lenken den Strom,
Quelle des Lebens
für die Stadt.
Und die Menschen
glauben
und hoffen.
Und warten.
Lahm und zerbrochen.
Und festgelegt
in ihren Vorstellungen
vom Heil ihres Körpers
und ihrer Seele.

V. Der Erste sein
Lahm und festgelegt,
seit 38 Jahren
dem Unheil verschrieben,
wartet er.
Mit Bitterkeit im Herzen
und Dunkelheit in der Seele,
hat man die Nase nicht vorn
am Beckenrand.
Lahm und festgelegt,
verlassen und einsam,
fällt man schnell
durch die Maschen
eines Sozialsystems.
Schimpfen? Nützt nichts.
Lamentieren? Ändert nichts.
Streiken? Macht nichts.
Wenn doch nur einer käme
und ihn nach vorne brächte
zum Wasser,
zum Heil.
Einer würde reichen,
der rechtzeitig da wäre
und stark genug ist,
um das für ihn durchzuboxen.
Nur einer ist der Erste
und nur einmal will er
dieser Eine sein.
Aber niemand ist da,
der das für ihn in die Hand nimmt.
Niemand.

VI. Willst du gesund werden?

Jesus steht auf der Matte.
Es ist eine einfache Frage die er stellt.
Willst du gesund werden?
So einfach die Frage,
so kompliziert die Antwort:


Herr, ich habe keinen Menschen,
der mich in den Teich bringt,
wenn das Wasser sich bewegt;
wenn ich aber hinkomme,
so steigt ein anderer vor mir hinein.

Sozialneid.
Die anderen bekommen,
was mir zusteht.
Seit 38 Jahren
stehe ich Schlange!
Alle anderen
sind schneller als ich.
Seit 38 Jahren
warte ich auf ein Wunder!
Aber die, die nach mir kamen
sind vor mir geheilt.
Seit 38 Jahren
bettle ich um Hilfe!
Aber die anderen bekommen sie.

Ein einfaches Ja hätte genügt.
Er ist nicht nur lahm.
Er ist festgelegt.
Festgelegt
auf seine Rolle als Opfer.
Festgelegt
auf seine Vorstellungen
von guten und schlechten Menschen.
Festgelegt
auf seine Vorurteile.
Bisher hat ihm keiner geholfen,
warum sollte der Mann,
der jetzt vor ihm steht,
ausgerechnet ihm helfen?
Er kennt ihn doch überhaupt nicht.


VII. Auf der Matte
Jesus steht auf der Matte.
Damals am Teich Betesda.
Als Kranke und Lahme
und Aussätzige und Sonderlinge
warteten
auf das Heil ihrer Seelen
und ihres Körpers.
Jesus steht auf der Matte.
Heute.
Bei dem Familienvater,
der gegen die Arbeitslosigkeit kämpft
und bei der Mama
die sich für ihr verhaltensoriginelles Kind schämt.
Er steht auf der Matte
bei der Seniorin,
deren Seele einsam und verbittert ist,
weil niemand zu Besuch kommt.
Und bei dem Kind,
das Nacht für Nacht von Alpträumen geplagt wird.
Jesus steht auf der Matte
bei dem Jugendlichen,
dessen Egoismus ihn Freundschaften kostet.
Und er steht auf der Matte,
bei mir.
Und bei uns allen.


VIII. Lahm sind wir nicht, aber festgelegt

Lahm sind wir nicht, aber festgelegt.
Festgelegt
in unseren Vorstellungen.
Festgelegt
in unseren Werten.
Festgelegt
in unseren Ängsten,
Befürchtungen,
Überzeugungen und
Kränkungen.
Lahm sind wir nicht, aber festgelegt.
Auf unsere Idee
die Welt zu deuten
und das Elend um uns herum
und die Systeme und
Verhältnisse der Macht.
Lahm sind wir nicht, aber festgelegt.
Vor allem wenn es darum geht
ein einfaches JA zu sagen,
auf eine einfache Frage:
Willst du gesund werden?

IX. Ende der Festlegung
Das Verrückte daran:
Jesus diskutiert nicht.
Er geht auch nicht weiter
oder verdreht ungeduldig die Augen.
Jesus spricht:
Steh auf, nimm dein Bett und geh hin!
Und sogleich wurde der Mensch gesund
und nahm sein Bett
und ging hin.

Jesus
beendet die Festlegung.
Aufstehen
und gehen
muss ich selbst

Amen.