Mittwoch, 24. August 2016

Es ist, was es ist...


 
Gottesdienst in Frickenhausen am 29.Mai 2016

Gnade sei mit euch und Friede
von dem der war, und der ist und kommt!

I. Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!


"Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!"
So stand es neulich da zu lesen:
in einer hitzigen Diskussion im Internet.
Auf der Facebookseite einer großen, christlichen Zeitung.
Es ging um Politik und Flüchtlinge,
das Gute und das Böse in der Welt,
den Islam, und Österreich
und vor allem um die Haltung der Kirche
und um die Meinung von uns Christen
zu diesen Angelegenheiten.
Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!
Das will man nicht mehr hören.
Das ist zuviel des Guten!
Es kann doch nicht immer um Liebe gehen
in dieser Kirche,
wenn man ihr noch etwas glauben soll!
Wo kämen wir da hin?
Eine Schönwetterkirche seien wir,
wenn wir nicht sprechen
von Sünde
und vom Verlorensein.
Von Götzendienst
und vom Gericht.
Wenn wir nicht laut warnen,
vor dem schleichenden Verfall unserer Werte.
Wenn wir nicht scharfe Worte finden
gegen Fremdes
und Unheilvolles.
Gegen Unsicheres und
Unwägbares.

Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!
wo kämen wir hin,
wenn das tatsächlich so wäre?


II. Menschenliebe

Gott ist die Liebe.
So sagt es der Briefschreiber damals.
Tatsächlich immer nur Liebe! Liebe! Liebe!  
Liebe macht Kopfkino:
Sonnenuntergänge.
Und kitschige Postkarten.
In Rinde geschnitzte Treueschwüre
und Herzklopfen.
Das erste Date und der erste Kuss.
Schmetterlinge im Bauch.
Der laue Sommerabend am Meer und
der bunte Strauß
zum zehnten Hochzeitstag.
Alles göttliche Ideen und
himmlische Visionen.
Dummerweise
lehrt uns das Leben,
dass solche Dinge
flüchtig sein können.
Wer mit offenen Augen durch die Welt geht,
der weiß,
dass Liebe schnell aufhören kann
wenn eigene Vorstellungen
und Ideen
und Planungen
zerbrechen.
Und von den Gefühlen
und dem füreinander da sein
und dem Beieinanderseinwollen
nichts mehr übrig ist.
Gott ist die Liebe.
Eine flüchtige, zerbrechliche Liebe?


II. Der liebe Gott

Gott ist die Liebe.
Es klingt, als wüsste dieser Briefschreiber,
wovon er schreibt.
Es klingt, als habe er verstanden,
dass man Liebe nicht einfach
in Büchern lernen
oder im Internet googeln
oder in einem Do-it-yourself-Kurs
buchen kann.
Volkshochschule, sechs Termine 89 Euro.
Aber man kann hineinwachsen.
So wie Sandra.
Sie hat kann sich heute noch ganz genau erinnern,
was Schwester Margret vor 35 Jahren
gesungen und erzählt hat.
Die in der Kinderkirche
und im Konfi
gut aufgepasst hat
bei den Geschichten
vom lieben Gott.
Und vom Freund Jesus.
Sie weiß, dass etwas heil und gut wird,
wenn sie Gott vertraut -
auch wenn sich das Leben dunkel anfühlt.
Als wäre man vom Wal verschluckt,
so wie Jona.
Sandra weiß auch,
dass man sich mit Leuten abgeben kann,
die eine andere Idee von Gut und Böse haben.
Solche wie Zachäus, das Schlitzohr.
Jesus saß bei ihm eines Tages
im Wohnzimmer.
Er fragte übrigens nicht nach
Beruf, Stand, Religionszugehörigkeit,
sexueller Orientierung, Hautfarbe
und Schuhgröße.
Jesus sagt nur: Ich will bei dir Gast sein.

Gott ist die Liebe.
Sandra weiß, dass Gott größer ist,
als ihre Vorstellung von ihm
und die Geschichten
in ihrem Herzen.

III. Alte Liebe

Gott ist die Liebe;
und wer in der Liebe bleibt,
der bleibt in Gott und Gott in ihm.

So sagt es der Briefschreiber,
der nicht unterscheidet
zwischen sich und den anderen und Gott.
Der nicht unterscheidet
zwischen "meinem Gott"
und "deinem Gott".
So sagt es einer, der das Verbindende
und das Heilende
und das Lebendige sieht.
Uralte, geschriebene Worte,
die bezeugen, was wir
seit Menschengedenken hoffen.
Und Glauben.
Und manchmal sogar spüren.

Zweitausend Jahre später
reden wir immer noch von Liebe.
Vom Zerbrechlichsten der Welt.
Vom Heiligsten.
Vom Wertvollsten
das wir Menschen uns vorstellen können.

Zweitausend Jahre später
fragen wir immer noch
wer Gott wirklich liebt
und wen Gott wirklich liebt
und ob mich Gott wirklich liebt.
Und ob Gott diese Kirche liebt,
und dieses Land,
und diese Menschen,
und alle anderen auch.

Zweitausend Jahre später
ist alles wie damals.
Zerbrechlich, und manchmal flüchtig.
Und dann wieder stark und großartig und ganz sicher:
Eine alte Liebe,
die so manchem trotzen kann,
was sich ihr in den Weg stellt.

 IV. Erich Fried

Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe

So redet Erich Fried von der Liebe.
Österreicher, Schriftsteller, Dichter, Jude.
Es waren Deutsche, die seine Kindheit zerstörten.
Es waren Deutsche, die seinen Vater ermordeten und seine Großmutter in Auschwitz töteten.
Es waren Deutsche, die ihn zur Flucht zwangen.
Und es waren Deutsche, die Millionen seines Volkes vergasten.

Es ist Unglück
sagt die Berechnung
Es ist nichts als Schmerz
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Erich Fried verlor nie seine Beziehung zu Deutschland.
"Ich liebe zu viele Menschen dort,
als daß ich Deutschland hassen könnte".


V. Es ist zum Fürchten, dieses Leben

Furcht ist nicht in der Liebe,
sondern die vollkommene Liebe treibt die Furcht aus;
denn die Furcht rechnet mit Strafe.
Wer sich aber fürchtet,
der ist nicht vollkommen in der Liebe.

Oft ist es zum Fürchten,
dieses Leben.
Unheilvolles und Unvollkommenes
nimmt uns die Gewissheit,
dass wir Geliebte sind
und Liebende sein können.

Wir leiden
an zerbrochenen Beziehungen,
am verlorenen Job,
am verkorksten Leben.
Wir müssen
Neid,
Missgunst,
Machtmissbrauch,
Krankheit,
Verfolgung,
Krieg,
Terror
und Tod
mit ansehen und aushalten.
Liebe? Ach wo....
All das ist zum Fürchten!
Da ist nichts Göttliches!
Und nichts Liebliches und
nichts Vollkommenes!

Erich Fried hat es
- trotz seiner schmerzvollen Lebensgeschichte -
geschafft,
hinter all dem, was sich ihm in den Weg stellte,
Liebe zu sehen.

Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe

Es ist, was es ist,
sagt die Liebe
und akzeptiert,
dass Liebe auch dann Liebe ist,
wenn der Himmel nicht voller Geigen hängt
und das Leben zum Fürchten ist.
Deshalb ist es auch nicht
zu viel des Guten,
wenn die Kirche
und die Christen
und wir alle
von der Liebe reden.
Denn Fremdes
und Unheilvolles,
Unsicheres und
Unwägbares stellt sich vielleicht
der Liebe in den Weg.
Aber es stellt die Liebe nicht in Frage.
Die Liebe Gottes schon gar nicht.
Deshalb:
Lasst uns lieben,
denn er hat uns zuerst geliebt.


VI. Was wäre wenn?

"Immer nur Liebe, Liebe, Liebe!!!"
schrieb der Zweifler ins Internet.
Wo kämen wir hin,
wenn das tatsächlich so wäre?

Amen.

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