Freitag, 30. Dezember 2022

Ökosystem Himmelreich 2022

Gottesdienst
in der Jakobskirche Bodelshofen
am 31.12.2022

Rö 8,31b-39 / Mt 13, 24-30

Leben: Monokultur oder
biologisch-dynamischer Ackerbau?
Ein Rückblick
auf das Ökosystem
„Himmelreich 2022“



Das Gleichnis vom Unkraut zwischen dem Weizen

Jesus erzählte der Volksmenge noch ein weiteres Gleichnis:
»Mit dem Himmelreich ist es wie bei einem Bauern,
der auf seinen Acker guten Samen aussäte. Als alle schliefen, kam sein Feind.
Er säte Unkraut zwischen den Weizen und verschwand wieder.
Der Weizen wuchs hoch und setzte Ähren an.
Da war auch das Unkraut zwischen dem Weizen zu erkennen.
Die Feldarbeiter gingen zum Bauern und fragten ihn:
›Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät?
Woher kommt dann das Unkraut auf dem Feld?‹
Er antwortete: ›Das hat mein Feind getan.‹
Die Arbeiter sagten zu ihm:
›Willst du, dass wir auf das Feld gehen und das Unkraut ausreißen?
‹ Aber er antwortete: ›Tut das nicht, sonst reißt ihr
zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus!
Lasst beides bis zur Ernte wachsen.
Dann werde ich den Erntearbeitern sagen:
Sammelt zuerst das Unkraut ein!
Bindet es zu Bündeln zusammen, damit es verbrannt werden kann.
Aber den Weizen bringt in meine Scheune.‹«
(Matthäus 13,24-30)


I.                   Himmelreich 2022

Es war einmal das Jahr 2022.
Und mit dem Jahr 2022 ist es wie mit dem Himmelreich.  
Und ich bin Teil davon – und mein Leben auch.
Und ihr seid Teil davon – und euer Leben auch.  
Und das Leben aller anderen auch.
Es war einmal
das Himmelreich 2022.
Von dem Jesus spricht, als sei es ein Acker,
der im letzten Jahr bewirtschaftet wurde:
gepflügt und umgegraben und gedüngt.
Es wurde gesät.
Um Regen gebeten und von Hand gegossen,
weil Regen lange ausblieb.
Gewartet wurde auch, teils lange und viel
bis die ersten grünen Spitzen
durch die krümelige Erde brechen.
Und wieder wurde gedüngt. Gehackt.
Auf Sonne gewartet und auf den Regen.
Gebangt und gehofft wurde nach Starkregen und Hagel
dass aufersteht, was niedergedrückt war.
Gewachsen ist Jahr und Himmelreich.
Weizen und Unkraut.
Gutes und Böses.
Hilfreiches und Schweres.

Mit dem Himmelreich aber ist es
wie bei einem Bauern,
der auf seinen Acker guten Samen aussäte.   

 

II.                Weizen

Gute Samen, und sie sind gewachsen
und groß geworden im letzten Jahr.
Im Himmelreich 2022 wurde geliebt,
umarmt und geküsst.
Lieblingsmenschen wurden sehnlichst erwartet
und neue Menschen geboren.
Neuanfänge und Versöhnungen wurden gefeiert
und alte Zöpfe erleichtert abgeschnitten.
Viele schöne Stunden wurden wahr
in diesem Himmelreich 
mit Wein und Abendrot
mit Musik und Tanz
und Lachen
und mit dem Duft von frisch gebackenem Brot.
Erfolge wurden gefeiert
mit Konfetti und
Sprühnebel von Champagner in der Luft.
Neue Häuser und Wohnungen wurden gefunden
und es wurde vor Erleichterung tief durchgeatmet.
Denn da wurde nicht nur ein Dach über dem Kopf, sondern Heimat.
Schutzengel waren unterwegs. Viele.
Und Freunde waren da.
Der blühende Kirschbaum.
Hoffnung.
Und das Lachen der Kinder auf der Schaukel.

Der Weizen aber wuchs hoch und setzte Ähren an
im Himmelreich 2022. 

III.             Unkraut  

Als alle schliefen, kam der Feind.
Er säte Unkraut zwischen den Weizen
und verschwand wieder.
Da war auch das Unkraut zwischen dem Weizen zu erkennen.
 

Unkraut 2022.
Der Streit mit den Nachbarn, Corona,
Querdenker-Diskussionen am eigenen Küchentisch
und die miese Laune des Mitbewohners.
Die überfahrene Katze.
Trennung und Depression.
Einsamkeit.  
Rote Zahlen auf dem Konto.
Krebsdiagnose, Beinbruch
und Kopfschmerzen vom Stress. 
Der Verlust der Arbeit,
ein falscher Aktienkauf,
der Unfall des Freundes.
Krieg in Europa.
Schlaflose Nächte aus Sorge vor Strom- und Gasrechnungen.
Ertrunkene Geflüchtete im Mittelmeer.
Waldbrände in Brandenburg.
Der Tod von Hagrid und der Queen,
Vivian Westwood und Pelé.
Und heute früh auch noch der Papst. 
Explodierte Gaspipelines,
eine Ehrenrunde in Klasse 10 und
die Delle im Auto inklusive Fahrerflucht.
Eine rechtspopulistischen Regierung in Italien,
die Übernahme von Twitter durch Elon Musk
und die Magen-Darm-Grippe
pünktlich zu Weihnachten auch.

Die Feldarbeiter gingen zum Bauern und fragten ihn:
„Herr hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät?
Woher kommt dann das Unkraut auf dem Feld?“
Er antwortete: „Das hat mein Feind getan.“
 

IV.            Monokultur


Wo Weizen gesät ist, soll Weizen geerntet werden.
Deshalb wäre es doch viel besser,
wenn da nur Weizen wachsen würde.
Keine Schlingpflanzen, kein Löwenzahn.
Und vor allem: keine Disteln.
Nur Weizen. Das macht am wenigsten Arbeit.
Nichts aussortieren müssen. Nur Ernten.
Nur das Leben genießen.
Keine Verunreinigungen, die den Ertrag schmälern
und den Marktwert der Ernte senken.
Weizen als Monokultur - und alles ist gut.
Kein Unkraut, keine nervige Zusatzarbeit,
keine Energieverschwendung.
Volle Ertragseffizienz in Sachen perfektes Leben:
Ach Bauer, das wär doch
das perfekte Himmelreich 2022 gewesen.
Und das wäre es auch für
das Himmelreich 2023 und alle,
die da noch kommen.
Die Feldarbeiter fragten ihn:

„Willst du, dass wir auf das Feld gehen und das Unkraut ausreißen?“
Aber er antwortete:
„Tut das nicht, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus!
Lasst beides bis zur Ernte wachsen!“

 

V.               Biologisch-dynamischer Ackerbau

Unkraut im Weizenfeld macht Landwirten Mühe.
Acker-Fuchsschwanz und Quecke,
Vogelmiere und Feld-Rittersporn –
all das gehört da nicht hin.

„Lasst beides bis zur Ernte wachsen!“

Vor meinem inneren Auge
sehe ich meine Oma Gretel auf Löwenzahnjagd.
Niemals hätte sie den stehen lassen,
bis der Wind die Schirmchen alle verteilt hat!
Niemals!

„Tut das nicht, sonst reißt ihr zusammen mit dem Unkraut auch den Weizen aus!
Lasst beides bis zur Ernte wachsen!“ 

Die Zeiten von „Round Up“ und
großangelegtem Kampf gegen das Böse
sind zumindest in der Landwirtschaft vorbei.
Man hat verstanden,
dass das Gute mit darunter leidet,
wenn man das Böse vernichtet.
Man hat genug Erfahrung, um zu sehen:
manches Unkraut ist zwar lästig.
Aber es sorgt dafür, dass sich der Boden lockert
und somit der Weizen besser wächst.
Und man weiß: wenn man geschickt kombiniert,
und Fruchtfolgen beim Anbau beachtet,
dann nimmt das Unkraut nicht überhand.

Lasst beides bis zur Ernte wachsen!

In der Landwirtschaft und im Leben
gehört beides zusammen:
Unkraut und Weizen.
Schwieriges und Schönes.
Tiefen und Höhen.
Und im Himmelreich auch.
Denn das eine gibt es
ohne das andere nicht.

VI.            Ökosystem Himmelreich

Das Himmelreich gleicht einem Ökosystem
und mein Leben auch.
Und das Jahr 2022
und all die Jahre die noch kommen.  
Da war
und wird sein
Böses und Gutes.
Hässliches und Schönes.
Unkraut und Weizen.

Nie das eine ohne das andere.
Am Ende wird Jesus sagen:

Sammelt zuerst das Unkraut ein!
Bindet es zu Bündeln zusammen,
damit es verbrannt werden kann.
Aber den Weizen bringt in meine Scheune.

Es ist nicht außer Kontrolle, das Unkraut.
Es wird auch nicht eingelagert
und niemand wird davon zehren.
In die Scheune kommt nur der Weizen -
aber erst am Ende
und nicht schon jetzt.

Bis dahin sind wir Feldarbeiter*innen.
Feldarbeiter*innen, die klarkommen müssen
mit dem, was da wächst -
Unkraut UND Weizen.

Feldarbeiter*innen,
die eines verstanden haben:
Unkraut gibt es nur,
weil es auch den Weizen gibt.
Und auch wenn das Unkraut
manchmal wuchert:
Am Ende bleibt der Weizen.  

Wir sind Feldarbeiter*innen,
die hacken und gießen,
und hegen und pflegen
den himmlischen Acker,
unser Leben.

Wir sind Feldarbeiter*innen
im Himmelreich
und sind gewiss,
dass weder Tod noch Leben,
noch Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges
weder Hohes noch Tiefes
noch irgendein anderes Unkraut
uns scheiden kann
von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist,
unserm Herrn.

Amen.

Sonntag, 11. Dezember 2022

The Christmas Way - oder: Wann ist man zu alt für einen Adventskalender?

(Foto: pixabay) 

Gottesdienst mit dem Pop-Gospel-Chor 

am 11. Dezember 2022 / 3. Advent 
Eusebiuskirche Wendlingen am Neckar

 »Tröstet, tröstet mein Volk!«, spricht euer Gott.
Redet herzlich mit Jerusalem, sagt über die Stadt:
»Ihre Leidenszeit ist zu Ende, ihre Schuld ist restlos abgezahlt.
Denn für all ihre Vergehen wurde sie vom Herrn doppelt bestraft.«
Eine Stimme ruft: »Bahnt in der Wüste einen Weg für den Herrn!
Ebnet unserem Gott in der Steppe eine Straße!
Alle Täler sollen aufgefüllt werden, Berge und Hügel abgetragen.
Das wellige Gelände soll eben werden und das hügelige Land flach.
Der Herr wird in seiner Herrlichkeit erscheinen,
alle Menschen miteinander werden es sehen.
Denn der Herr selbst hat es gesagt.«
Eine Stimme spricht: »Verkünde!«
Ich fragte: »Was soll ich verkünden?
Alle Menschen sind doch wie Gras.
In ihrer ganzen Schönheit gleichen sie den Blumen auf dem Feld.
Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, wenn der Wind des Herrn darüberweht.
Nichts als Gras ist das Volk!«
»Ja, das Gras verdorrt, die Blume verwelkt,
aber das Wort unseres Gottes bleibt für alle Zeit.«
Steig auf einen hohen Berg, du Freudenbotin für die Stadt Zion!
Verkünde deine Botschaft mit kraftvoller Stimme,
du Freudenbotin für Jerusalem!
Verkünde sie, hab keine Angst!
Sprich zu den Städten Judas: »Seht, da kommt euer Gott!
Seht, Gott, der Herr!
Er kommt mit aller Macht und herrscht mit starker Hand.
Seht, mit ihm kommt sein Volk! Die er befreit hat, ziehen vor ihm her.
Wie ein Hirte weidet er seine Herde:
Die Lämmer nimmt er auf seinen Arm
und trägt sie an seiner Brust. Die Muttertiere führt er sicher.«

Jesaja 40,1-11 (Basisbibel)


I.                   Frage

Wann ist man eigentlich zu alt für einen Adventskalender?
Eine Freundin schrieb
kurz vor dem ersten Advent im Chat:
„Das war zum letzten Mal. Irgendwann ist mal gut.“
Gerade eben hatte sie die Adventskalender für ihre drei inzwischen erwachsenen Kinder losgeschickt.
Hm. Knallhart. Zack. Kein Adventskalender mehr.
„Irgendwann ist mal gut“.
Nicht nur in mir regte sich Widerstand
und ich stelle mir die Frage:
Wann ist es tatsächlich gut mit dem Warten?
Und wann arrangiert man sich so sehr mit dem, was ist,
dass man darauf verzichtet,
was beim Warten hilft? 

II.                Israel

Gewartet haben auch die Menschen,
an die Worte im Buch Jesaja gerichtet waren.
Im Lauf der Jahrhunderte
waren sie das Warten gewohnt,
die Menschen aus dem Volk Israel.
In Babylon gefangengenommen
wurden ihre Vorfahren.

Inzwischen waren sie dort
sesshaft geworden.
Eigentlich fühlt sich alle normal an.
Sie kannten ja nichts anderes –
außer die Erzählungen ihrer Vorfahren.  
Jede Generation hat der nächsten davon erzählt,
was das Volk erlebt hat -
und dass einmal alles wieder anders wird.
Weil Gott es versprochen hat.
Und weil einer kommt, der das Volk befreit.

Sie warten aus Überzeugung.
Weil Gott immer wieder Menschen geschickt hat,
die von diesem Versprechen erzählt haben.
Ob es sich jemals erfüllt?


III.             Warten

Wenn das Warten lang wird,
ist es gut, wenn einer kommt.
Ein Adventskalender, mit Türchen.
Für jeden Tag eins.
Ein Zeitvertreib:
eine Strickliesel für den wärmenden Schal.
Etwas Schönes: der selbstgebackene Tannenbaum
aus Salzteig. Mit Goldglitzer.
Etwas Leckeres: eine Praline mit Whisky und Meersalz.
Das erinnert an Urlaub.
Eine Bastelidee: ein Stern,
um anderen eine Freude zu machen.
Ein Hoffnungstext. Ein Herzensbild. Ein Glitzerengel.

Wenn das Warten lang wird, ist es gut,
wenn einer kommt.
Ein Hoffnungsmensch, der weitersieht.
Weiter sieht als den nächsten Tag ‚
oder die nächste Woche.
Weiter als die Zeit vom 1. Dezember bis Weihnachten. 
Ein Prophet, der die Zeit überblickt und vertreibt.
Einer mit glitzernden Worten
und Hoffnung die ansteckt.
Ein Wartender unter Wartenden.
Aber keiner, der ungeduldig mit den Füßen scharrt.
Es muss einer sein, der weiß: Warten lohnt sich.
Von ihm erzählt das Jesajabuch,
in der Schriftlesung haben wir davon gehört.
Dieser Hoffnungsmensch weiß, was man tun muss,
damit das Warten nicht vergeblich ist.
Und gewissermaßen öffnet er Türchen.
Türchen, die bis heute Wartende unterstützen. 
Es sind alles Imperative. Befehle.
Aufforderungen, etwas zu tun.
Sich nicht nur seinem Schicksal zu ergeben,
sondern das Warten aktiv zu gestalten.

Das erste Türchen:

 

IV.            Tröstet!

Tröstet, tröstet mein Volk! Spricht euer Gott.
Tröstet! Ist es Zufall,
dass diese Aufforderung die Erste ist?
Tröstet! Verteilt Taschentücher!
Nehmt Menschen in den Arm!
Seid bei denen, die das Leben nicht aushalten!
Tröstet!
Hört der jungen Frau zu,
die mit Weihnachten einfach nichts anfangen kann.
Sie ist allein gelassen und hat niemanden mehr -
nur noch das Grab der Mutter auf dem Friedhof.
Tröstet!
Nehmt die an der Hand,
die ohne ihr Hab und Gut geflüchtet sind
und jetzt hier neu anfangen müssen.
Deren Erinnerungen an friedvolle Zeiten alles ist,
was sie aus der Heimat mitnehmen konnten.
Tröstet!

Das Zweite Türchen:

V.                Redet!

Redet herzlich mit Jerusalem.
Redet! Und das sogar herzlich!
Also: teilt anderen mit, was auch auf dem Herzen liegt.
Redet - und schweigt euch nicht an.
Redet – und geht nicht davon aus,
dass alle automatisch riechen, was dran ist.
Sagt den Menschen, was euch bewegt.
Was euch umtreibt.
Das schafft Beziehung.
Und es kann den Blick
auf die Dinge und Umstände verändern.
Redet mit dem Bruder,
dem ihr lieber aus dem Weg geht.
Redet mit dem komischen Kauz aus dem 4. Stock
oder der Frau von der Parkbank
mit ihrem zotteligen Hund.
Redet!
Redet mit der einsamen Witwe von nebenan,
die niemanden zum Austausch hat.
Redet mit dem 12jährigen,
der gedankenverloren durch die Straßen zieht
und nicht weiß, was ihn zu Hause erwartet.  
Und auch wenn es sich fast überflüssig anhört:
redet mit den Menschen, die ihr lieb habt
und die euch nahe stehen.
Beziehungen sterben,
weil Menschen nicht miteinander reden,
sondern nebeneinanderherwarten.  
Deshalb: Redet!

Das dritte Tüchen:
 

VI.            Bahnt!

Bahnt in der Wüste einen Weg für den Herrn!
Bahnt!  Schlagt eine Schneise!
Sorgt dafür, dass Hindernisse
aus dem Weg geräumt werden!
Bereitet euch darauf vor,
dass jemand kommt.
Da geht es ganz konkret um Advent.
Gott kommt – und braucht Platz.
Bahnt Wege durch euren Alltag,
eure Wüsten!
Schaufelt euch frei
von Terminen und Verpflichtungen.
Sie sind zwar wichtig, aber nicht das Wichtigste!
Nehmt euch Zeit für das, was euch hilft
zu glauben, zu hoffen und zu lieben.
Erzählt euch Geschichten
und singt Hoffnungslieder.
Stellt Kerzen ins Fenster und vor die Tür.
Hört laut das Weihnachtsoratorium
und lasst das Haus duften
nach Vanillekipferl und dem Räuchermännchen
aus dem letzten Urlaub.
Verheddert euch in Lichterketten
und faltet mit euren Enkeln transparente Fenstersterne.
Sie beleuchten euren inneren Weg an die Krippe
in bunten Farben.
Bahnt eine Lichtspur durch die Winterwüste,
durch diese Stadt.
Bis zur Krippe im kalten Stall.

Das vierte Türchen:

 

VII.         Verkündige!

Eine Stimme spricht: „Verkündige!“
Ich fragte: „Was soll ich verkündigen?“
Und die Stimme spricht: „Das Gras verwelkt, die Blume verdorrt, aber das Wort unseres Gottes bleibt für alle Zeit.“
Verkündige!
Erzähl weiter vom Wort Gottes!
Lebe das Wort Gottes!
Nimm den Auftrag an!
Man muss nicht die Diakonin oder Pfarrer sein
um von der Hoffnung zu reden.
Mann muss nicht Sozialarbeiterin sein,
um Menschen spüren zu lassen,
dass sie geliebt sind.
Man muss nicht rhetorisch perfekt sein,
um Menschen zu zeigen,
dass sie eine Würde haben.
Verkündige!
Das tut auch, wer bei Carisatt hinter der Kasse steht,
im WeRT-Team hilft, Formulare auszufüllen
oder als Dolmetscherin mit zu Behörden geht.
Verkündige!
Das tut, wer Kaffee kocht und Socken strickt,
Sterbende begleitet und
Menschen im Gefängnis besucht.
Verkündige! 
Das sind nicht nur Worte sondern auch Taten,
mit denen Gottes Liebe
ihren Weg in diese Welt findet.

Das fünfte Türchen:

 

VIII.       Steig!

Steig auf einen hohen Berg, du Freudenbotin für die Stadt Zion!
Steig!
Vielleicht ist der Weg mühevoll und mit Arbeit verbunden,
aber er lohnt sich!
Steig auf den Berg!
Mache dich – und vor allem deine Botschaft - sichtbar!
Diese Botschaft ist es wert, gehört zu werden!
Wer seine Hoffnung hinter verschlossenen Türen lässt,
bleibt mit ihr allein. 
Wer seine Hoffnung und seine Freude mit anderen teilt,
kann darüber staunen,
wie sie wächst und andere ansteckt.
Mit den kirchenmusikalischen Veranstaltungen
in dieser Adventszeit steigt ihr Sänger*innen
auf den Berg.
Viele Familien tun es,
in dem sie ein Adventskalendertürchen öffnen
beim lebendigen Adventskalender.
Unsere Marktkirche beim Weihnachtsmarkt
war nicht nur ein Berg an Arbeit,
sondern auch das Sichtbarwerden dieser Botschaft
in unserer Stadt. 
Deshalb: Steigt! Und macht euch sichtbar!
Das letzte Türchen:

 

IX.             Seht!

Seht, da kommt euer Gott!  
Seht!
Das ist das Ende allen Wartens. 
Seht! Da liegt dieser Gott im Stall.
Als heruntergekommener Gott.
Einer von euch.
Gar nicht der göttliche Auftritt, der erwartet wurde
mit viel BlingBling und rotem Teppich.  
Ein Gott, den man leicht übersehen kann.
Wer achtet schon auf ein Baby?
Darauf muss man schon aufmerksam gemacht werden.
Deshalb: Seht! DA kommt euer Gott.
Deshalb ist gut, dass wir Weihnachten feiern.
Jedes Jahr wieder.
Dass wir lernen, hinzuschauen.
Gott tatsächlich wahrzunehmen.
Mich erinnert das an die Adventsgeschichte
vom Heiligen Erwin.
Gott hat beschlossen,
einmal wieder zur Welt zu kommen,
um nach dem Rechten zu sehen.
Aber nicht als kleines Kind –
die Nummer hat sich inzwischen rumgesprochen.
Gott kommt als Obdachloser zur Welt.
In Köln.
Als Erwin.
Und er macht so seine Erfahrungen mit den Menschen,
die so gar nicht blicken, wer er ist.
Aber dann und wann staunen
und ihn wundersam finden.
Wie oft über-sehe ich Gott?
Wie oft nehme ich gar nicht wahr, dass er da ist?
Wie oft bringe ich Dinge gar nicht mit ihm in Verbindung?
Wie oft ist das Versöhnungs-Bier das Selbstverständlichste der Welt und die Geduld und Nachsicht unserer Mitmenschen auch?
Seht! Auch da ist euer Gott!

X.                Macht hoch die Tür

Zurück zum Anfang:
Die Frage war:
Wann ist man zu alt für einen Adventskalender?
Das Volk Israel hat auch noch nach 500 Jahren
einen gebraucht, der beim Warten hilft,
um die Zeit gut zu nutzen, die noch bleibt.
Zu alt für einen Adventkalender ist man deshalb nie.
Aber vielleicht ändert sich
im Laufe der Jahre die Bedeutung.
Der Inhalt selbst, die kleinen Geschenke,
Bilder, Rätsel und Geschichten sind großartig
und das Freuen auf den nächsten Tag
und die nächste Überraschung
eine zutiefst menschliche Erfahrung.
Aber möglicherweise wächst im Lauf des Lebens
auch der Blick darüber hinaus.
Hoffnung verändert.
Und dann wird aus dem Hoffen und Glauben
ein Tun:  
Es wird daraus ein Trösten und Reden.
Es wird daraus das Bahnen eines Weges,
ein Verkündigen, ein Steigen auf den Berg
und schließlich ein Sehen.
Ein Sehen, dass Gott schon da ist -
und die Tür offen.
In dieser Welt.

Und, so sangen es die Engel,
bei allen Menschen seines Wohlgefallens.
Amen.