Donnerstag, 6. Januar 2022

Lichtspuren

 


Predigt zum Epiphaniasfest
am 06.01.2021
in der Eusebiuskirche Wendlingen am Neckar 


Lichtspuren: Spot on

Aus dem Johannesevangelium.
Im Anfang war das Wort,
und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.
Dasselbe war im Anfang bei Gott.

              Aus dem ersten Buch Mose.
              Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.
              Und die Erde war wüst und leer,
              und Finsternis lag auf der Tiefe;
              und der Geist Gottes schwebte
              über dem Wasser.

Alle Dinge sind durch dasselbe gemacht,
und ohne dasselbe ist nichts gemacht, was gemacht ist.

              Und Gott sprach: Es werde Licht!
              Und es ward Licht.
              Und Gott sah, dass das Licht gut war.
              Da schied Gott das Licht von der Finsternis und 
              nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht.
              Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag.

In ihm war das Leben,
und das Leben war das Licht der Menschen.
Und das Licht scheint in der Finsternis,
und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

              Und Gott sprach:
              Es werden Lichter an der Feste des Himmels,
              die da scheiden Tag und Nacht.
              Sie seien Zeichen für Zeiten, Tage und Jahre
              und seien Lichter an der Feste des Himmels,
              dass sie scheinen auf die Erde. 
              Und es geschah so.
              Und Gott machte zwei große Lichter:
              ein großes Licht, das den Tag regiere,
              und ein kleines Licht, das die Nacht regiere,
              dazu auch die Sterne.
              Und Gott setzte sie an die Feste des Himmels,
              dass sie schienen auf die Erde
              und den Tag und die Nacht regierten
              und schieden Licht und Finsternis.
              Und Gott sah, dass es gut war.
              Da ward aus Abend und Morgen der vierte Tag.

Es war ein Mensch, von Gott gesandt,
der hieß Johannes.
Der kam zum Zeugnis, damit er von dem Licht zeuge,
auf dass alle durch ihn glaubten.
Er war nicht das Licht,
sondern er sollte zeugen von dem Licht.
Das war das wahre Licht,
das alle Menschen erleuchtet,
die in diese Welt kommen.
Und das Wort ward Fleisch
und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit,
eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes
vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.
Von seiner Fülle haben wir alle genommen
Gnade um Gnade.

1. Licht, das in die Welt gekommen,
Sonne voller Glanz und Pracht,
Morgenstern, aus Gott entglommen,
treib hinweg die alte Nacht;
zieh in deinen Wunderschein
bald die ganze Welt hinein!

 

Lichtspuren I

Ist es Ihnen schon aufgefallen?
Die Tage werde wieder länger!
Seit kurz vor Weihnachten
ist es wieder jeden Tag ein bisschen länger hell.
Und als letzte Woche das Wetter so richtig schön war,
hab ich um fünf Uhr nachmittags auf die Uhr geschaut
und war erstaunt: So hell noch?
Eines ist klar: es hat sich ganz anders angefühlt,
als fünf Uhr mit Winterdunkel.
Licht hat etwas mit dem zu tun,
wie lebendig wir uns fühlen.
Leben mit Licht fühlt sich anders an,
als Leben in der Dunkelheit.
Leben im Sommerhalbjahr fühlt sich anders an,
als das Leben im Winterhalbjahr.
Nachts arbeiten kostet mehr Kraft,
als tagsüber zu arbeiten.
Bäume sind zwar im Dunkel der Erde verwurzelt,
aber sie wachsen zum Licht hin
und produzieren Sauerstoff.
Schöpfungslicht erhält am Leben.
Hält diese Erde in ihrem Rhythmus.
Und uns auch.
Von seiner Fülle haben wir alle genommen
Gnade um Gnade.


2. Gib dem Wort, das von dir zeuget,
einen recht gepriesnen Lauf,

dass noch manches Knie sich beuget,
sich noch manches Herz tut auf,
eh die Zeit erfüllet ist,
wo du richtest, Jesu Christ.

 

Lichtspuren II

Manchmal wird es nicht nur äußerlich dunkel.
Manchmal wird es auch Nacht in der Seele.
Stunden, in denen ich mich selbst nicht leiden kann.
Stunden, in denen niemand da ist,
der mich in den Arm nimmt.
Stunden, in denen einfach alles zuviel ist.
Zuviel Termine. Zu viele Menschen.
Zu viele schlechte Nachrichten und Gedanken,
Impulse und Emotionen.
Widersprüchliches.
Wut und Glück wechseln sich genauso ab
wie die Schmetterlinge im Bauch
mit dem Frust über die Einsamkeit
und den Kater im Kopf nach durchgeheulter Nacht.
Angst macht sich breit
vor Long Covid und dem Finanzamt.
Sorge um die krebskranke Freundin
drückt aufs Gemüt
und die Schulnoten des 12jährigen Fortnite-Profis auch.
In mir geht dann manchmal das Licht aus.
Ich bin mir sicher: Sie kennen das.
Und dann?
Ich bin dann angewiesen auf einen Johannes.
Oder eine Johanna.
In den meisten Fällen heißt dieser Mensch anders.  
Daniela, Ulrike oder Peter,
Karina oder Martin oder Birgit.
Ich bin mir sicher, Ihnen fällt ein Name ein.
Jedenfalls bin ich angewiesen
auf einen solchen Menschen,
der vom Licht zeugt.
Ich bin angewiesen auf einen Menschen,
der meine Welt hell macht.
Mir hilft zu vertrauen
ins Licht und ins Leben.
Manchmal reicht es,
wenn ein solcher Mensch einfach nur da ist.
Hell und warm neben mir ist. Bei mir.
Ganz kohlenstofflich – oder auch digital.
Licht sein. Anteil nehmen. Mir nahe kommen -
das geht auch per Zoom oder WhatsApp.
Denn Licht darf auch von außen kommen.
Licht muss sogar manchmal von außen kommen. 
Und manchmal muss Licht erst geboren werden.
In mir zur Welt kommen.
In meine Welt kommen,
damit ich wieder so etwas wie Herrlichkeit sehen kann.
Wieder Staunen kann.
Selber wieder hell werden kann.
Ich bin dankbar für Menschen, die dafür sorgen,
dass es bei mir hell ist.
Sie schickt der Himmel. Buchstäblich.
Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns,
und wir sahen seine Herrlichkeit.
Ich sehe seine Herrlichkeit.
Und es wird hell.


3. Heile dir zerbrochnen Herzen,
baue dir Jerusalem
und verbinde ihre Schmerzen;
lass, was vor dir angenehm,
durch der Bundesschriften Zucht
noch erblühn zur ewgen Frucht.

4. Wo du sprichst, da muss zergehen,
was der starre Frost gebaut;
denn in deines Geistes Wehen
wird es linde, schmilzt und taut.
Herr, tu auf des Wortes Tür,
rufe, Heiland, laut zu dir.

 

Lichtspuren III

Nicht nur ich bin angewiesen
auf einen Johannes oder eine Johanna.
Andere sind es auch.
Nicht nur ich bin angewiesen auf Licht.
Mein Nächster, meine Nächste ist es auch.
Und wenn einer das Licht nicht sieht,
dann bin ich es für ihn.
Und wenn eine das Licht nicht wahrhaben will,
dann bin ich es für sie.
Der Dunkelheit zum Trotz.
Manchmal wissen wir nicht,
wie sehr wir einander Licht sind.
Manchmal ahnen wir nicht,
welchen Unterschied wir füreinander machen
in unseren Dunkelheiten.

              For there is always light,
              if only we’re brave enough to see it.
              If only we’re brave enough to be it.

              Denn Licht ist immer,
              wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen.
              Wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.

              Worte von Amanda Gorman.



5. Es sei keine Sprach noch Rede,
da man nicht die Stimme hört,
und kein Land so fern und öde,
wo dein Wort nicht wird gelehrt.
Lass den hellen Freudenschall
lass ihn ausgehn überall.

6. Geh, du Bräutgam, aus der Kammer,
laufe deinen Heldenpfad;
strahle Tröstung in den Jammer,
der die Welt umdunkelt hat.
O erleuchte, ewges Wort,
Ost und West und Süd und Nord!


Lichtspuren: Spot off

Licht ist immer.
Seit der Schöpfung der Welt ist es da.
Aber seither gibt es auch die Dunkelheit.
Sie ist genauso Teil der Schöpfung wie das Licht.
Denn Dunkelheit macht das Licht erst sichtbar.
Und Leben im Licht gibt es nur deshalb,
weil es die Dunkelheit auch gibt.  

              Vielleicht wird nichts verlangt
              von uns
              während wir hier sind
              als ein Gesicht leuchten zu machen
              bis es durchsichtig wird.
              Und das Leuchten dieses einen Gesichts
              aufzubewahren.

   Worte von Hilde Domin.
    (Hilde Domin, Sämtliche Gedichte S. 85, Fischer Verlag Frankfurt am Main 2011, „Indischer Falter“)


Amen.


7. Komm, erquick auch unsre Seelen,
mach die Augen hell und klar,
dass wir dich zum Lohn erwählen;
vor den Stolzen uns bewahr.
Ja, lass deinen Himmelsschein
unsres Fußes Leuchte sein.

 

(EG 592; Text: Rudolf Stier; Melodie: Heinrich Albert 1642)