Mittwoch, 8. Juli 2020

Friedhofsgärtnerei


Die Kleine Oma ist umgezogen.
Vom einen Garten in den anderen.
Von ihrem Garten in der Frühlingstraße
und vom Straßenacker,
vom Wiedem und von der Finkenreute
in den himmlischen Garten.
Dort wollte sie hin.
Schon lange.
Sie wusste schon immer:
dort wird sie weiter blühen.
Geh aus mein Herz.



Heute haben wir sie eingepflanzt.
Eingegraben in Gottes Acker.
Ihm die Kleine Oma zurückgegeben,
die immer da war.
Viele sind gekommen.
Alle hat sie zum Blühen gebracht,
die Kleine Oma.
Schau an der schönen Gärten Zier
und siehe.


Und am Ende:
die Kinder.
Die Urenkel*innen.
Die wilden 13.
Alle am Grab.
Keiner will gehen.
Und alle helfen mit.
Den Garten zu richten
wo die Kleine Oma
jetzt hier und dort ewig
blühen wird.


Er sagte:
helft mir doch.
Und sie halfen.
Tannenreisig
Steine.
Erde.
Mit den Händen und
mit dem Bagger.
Erde in das Grab.
Auf dem Sarg.
Oma einpflanzen
im Garten Gottes.


„I muss da jetzt helfa!“
Und dann schnell zum Bagger stiefeln.
- der eine.


„Des isch hart. Des isch fei richtig hart.“
Und dann schnell den Hund streicheln.
- die andere.  



Mach in uns deinem Geiste Raum.
Da wachsen
Kleine und Große
wie Bäume.
Und die kleine Oma?
Blüht.
Ganz bestimmt.


Dienstag, 12. Mai 2020

Bethel: Wo der Stein ist wohnt Gott


OpenAirGottesdienst 

im Seniorenzentrum "Taläcker"


So langsam spürt er die Müdigkeit
in allen Knochen.

Weit war der Weg.
Die Sonne brennt vom Himmel
und in seiner Seele brennt es auch.
Daheim konnte er nicht bleiben
nach allem was passiert ist.
Und ein gutes Gewissen hat er auch nicht.
Aber jetzt ist es, wie es ist -
und Jakob wandert seinem neuen Leben entgegen.  
Haran ist sein Ziel.
Dort ist er in Sicherheit bei der Familie seiner Mutter.
Den Segen des Vaters hat er erschlichen.
Er wollte nicht immer die zweite Geige spielen.
Nun muss er damit klarkommen.
Und wenn alles gut läuft, kann er dort neu anfangen.
Vielleicht findet er die Liebe seins Lebens.
Kann eine Familie gründen.
Und den Abschiedsschmerz vergessen.
Den Abschied von seinem Zuhause,
von seinen Eltern und seinem Bruder.
Den Abschied von der Heimat.


Sein Vater hat ihn gesegnet.
Und trotzdem fühlt er sich unterwegs alleine.
Verlassen von allem, was ihm vertraut ist.


Ob Gott ihn auch verlassen hat?
Wenn man einsam ist, stellt man sich diese Frage.


Müde schleppt er sich vorwärts.
Jeder geschaffte Meter bringt ihn seinem Ziel näher.
Die Sonne geht unter und es ist Zeit für das Nachtlager.
Am Wegrand hat jemand Steine zusammengetragen.
Ein Altar. Ein Zeichen.
Gott ist mit auf dem Weg.
Wer weiß, wieviele hier schon Pause gemacht haben?
Jakob nimmt sich einen Stein von der Ansammlung.
Er hat die richtige Größe, um den Kopf für ein Nickerchen abzulegen.
Erschöpft schläft er ein.

Jakob träumt.
Er sieht den Himmel offen.
Eine Leiter reicht von der Erde bis zum Himmel
und die Engel steigen hinauf und hinab.
Und oben steht Gott selbst.

Gott sagt:
Ich bin Gott, der Herr.
Der Gott von Abraham und Isaak.
Dieses Land, auf dem du liegst,
will ich dir und deinen Nachkommen geben.
Du sollst viele Nachkommen haben.
Sie alle sind von mir gesegnet.
Und egal wo du hingehst:
ich behüte dich.
Und ich werde dich wieder hierher zurückbringen.
Ich will dich nicht verlassen, bis alles geschehen ist,
was ich dir versprochen habe.


Jakob reibt sich die Augen.
Hat er geträumt?
Oder war das grade Wirklichkeit?
Hat er tatsächlich Gott gesehen?
Hier in dieser Steinwüste
ist ihm tatsächlich Gott begegnet.

Am Morgen steht Jakob auf.
Er nimmt den Stein, auf dem sein Kopf lag,
und richtet ihn auf zu einem Steinmal.
In seinem Bündel findet er eine kleine Flasche Öl.
Hier wohnt Gott, sagt Jakob – und gießt Öl auf den Stein.
Ich nenne den Ort Bethel.
Das bedeutet „Haus Gottes“.
Ich weiß: Gott ist bei mir
und wird mich behüten, egal, wohin ich gehe.
Er wird für mich sorgen.
Und ich werde in Frieden wieder
hierher zurückkommen in meine Heimat.
Dieser Stein soll immer daran erinnern:
Gott meint es gut.


Und dann macht sich Jakob auf den Weg
in seine ungewisse Zukunft.


Immer wieder wenn er einen Stein erblickt 
erinnert er sich daran:
Haus Gottes.
Hier wohnt Gott.


Ihn tröstet das, weil er weiß:
er ist nicht allein.


In diesen verrückten Corona-Zeiten
gibt es viel Alleinsein.
Viele Abschiede.
Viel Sehnsucht nach der Familie.
Vielleicht kennen Sie dieses Gefühl:
keiner ist da.
Keiner interessiert sich für mich.
Heute hat schon wieder niemand angerufen.
Solche Gedanken kennt man auch,
wenn man mit anderen Menschen zusammen wohnt.
Weil die, die man im Herzen hat, so weit weg sind.
Und keiner weiß, wie lange das noch so geht.


Um so wichtiger, dass Gott da ist.
Dass wir sicher sind:
er wohnt auch hier.
Hier ist der Himmel offen.
Und hier bin ich nicht von Gott vergessen.


Und um so wichtiger, dass wir ganz bewusst
Zeichen setzen, um aneinander zu denken.


In ganz Deutschland und darüber hinaus
malen Menschen allen Alters bunte Steine.
Die legen sie an den Wegrand.
Oder vor Haustüren.
Oder in Gärten und Parks.
Sie machen das deshalb, um daran zu erinnern:
auch wenn alles trostlos und steinig aussieht gibt es Hoffnung.
Jemand denkt an dich.

Auch Kinder in Wendlingen bemalen bunte Steine.
Ein paar davon sind schon hier angekommen.
Hier im Haus Taläcker.
Und es werden sicher noch mehr kommen.


Bunte Steine, die daran erinnern:
Sie sind nicht alleine.
Jemand denkt an Sie
und will Ihnen eine Freude machen.


Und wenn Sie in den nächsten Tagen und Wochen
irgendwo so einen bunten Stein entdecken;
dann erinnern Sie sich doch daran:
Wo der Stein ist, wohnt Gott.
Da ist Bethel, das Haus Gottes.
Da werden Sie gesegnet und der Himmel ist offen.
Auch wenn der Weg steinig und mühsam ist
und Sie sich erschöpft fühlen.


Auch ich habe ein paar Steine mitgebracht,
die hier bleiben sollen. Die Sie entdecken können.
Bestimmt werden es täglich mehr.
Sie sind als Foto auch auf Ihrem Liedblatt.




Jeder Stein trägt die Botschaft:
Und siehe, ich bin mir dir und will dich behüten, wo du hinziehst,
und will dich wieder herbringen in dies Land.
Denn ich will dich nicht verlassen,
bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.


Amen. 



1.   Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will Ihn herzlich loben, solang ich leben werd.

2.   Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil! Wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen bleibt ewig ungetrübt.
(Paul Gerhardt 1653)


Montag, 6. April 2020

Brief an eine Randfigur




Lieber Josef von Arimathäa!  

Man sagt, Du warst auch ein Freund von Jesus, wenn auch einer,
der sich in der Öffentlichkeit lieber zurückgehalten hat.
Deshalb wirst Du nur an zwei Stellen in der Bibel erwähnt. Böse Zungen sagen, Du wärst eine Art „Randfigur“. Einer, der keine große Rolle gespielt hat. Man weiß über Dich, dass Du reich warst. Und dass Du ein
„angesehener Ratsherr" warst. Aber sonst wissen wir nur eines: Dass es
Dir wichtig war, dass Jesus nicht als Verbrecher am Kreuz bleibt.
Wenigstens ein würdevolles Begräbnis sollte er bekommen.
Du bist zu Pilatus gegangen und hast darum gebeten, den toten
Jesus in ein Grab legen zu dürfen.
In Dein Grab.
Nein, eine Randfigur bist Du für mich nicht, lieber Josef.
Du konntest zwar nicht ahnen,
was da ein paar Stunden später passieren würde –
aber aus Deinem Grab ist Jesus auferstanden.
Dein Grab ist der HotSpot der Geschichte Gottes!
Vielleicht erinnere ich mich beim nächsten Mal an Dich,
wenn ich mir mein eigenes Grab schaufle.
Ein Sorgen-Grab,
ein Angst-Grab,
ein Egoismus-Grab
oder ein
Mir-ist-alles-egal-Grab.
Vielleicht wird mein Grab auch
ein HotSpot für Auferstehung!?

Hoffnungsgrüße,
Deine

Bärbel Greiler-Unrath


(Anker des Tages für den 7. April 2020  www.evkwn.de)

Sonntag, 5. April 2020

Hätte, sollte, könnte, müsste...



Es ist Unsinn,
sagt die Vernunft.
Es ist, was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist Unglück,
sagt die Berechnung.
Es ist nichts als Schmerz,
sagt die Angst.
Es ist aussichtslos,
sagt die Einsicht.
Es ist, was es ist,
sagt die Liebe.
Es ist lächerlich,
sagt der Stolz.
Es ist leichtsinnig, 
sagt die Vorsicht.
Es ist unmöglich,
sagt die Erfahrung.
Es ist, was es ist –
sagt die Liebe.
(Erich Fried)




Es ist, was es ist. Gedankenverloren sitzt sie am Küchentisch.
Draußen zwitschert eine Amsel ihr Abendlied.
Die Sonne steht tief.
Nebenan klappert jemand mit Tellern
und es riecht nach Feuer und frisch gebackenem Brot.
Die Blume auf dem Tisch lässt vorwurfsvoll den Kopf hängen,
als wäre sie müde vom anstrengenden Blühen.
Entschlossen, fast krampfhaft hält sie die kleine Schmuckflasche in der Hand.
Und ihre Gedanken fahren Karussell.
Vom Kopf ins Herz und wieder zurück.
Sollte sie wirklich?
Wenn sie so könnte, wie sie wollte, wäre alles nicht so kompliziert.
Aber die Leute… Sie wissen schon…
Und eigentlich müsste sie auch ihren Vater vorher fragen.
Sein ganzes Vermögen hält sie in ihren Händen.


Großzügig war er damals. Bei ihrer Verlobung.
Sie sollte etwas haben für den Notfall. Und fürs Alter.
Hätte sie ihn vorher fragen sollen?
Nein. Die Antwort wäre sowieso klar.
Wenn, dann muss sie das auf ihre eigene Kappe nehmen.
Es ist Unsinn, das weiß sie.
Fest umschließt sie die Flasche.
Weich schmiegt sie sich an ihre raue Haut ihrer Hände.
So wertvoll ist dieses kleine Fläschchen.
Und so gut riecht der Inhalt.
Nardenöl. Wertvolles, duftendes Nardenöl.
Sogar durch den sorgfältig verschlossenen Korkdeckel
kann sie den süßherben Duft riechen.
Wenn irgendjemand erfährt, was sie vorhat,
erklärt man sie für verrückt. Da ist sie sich sicher.
‚Die Welt ist gerade verrückt genug. Alles ist unruhig.
Und sie will auch nichts riskieren. Will Jesus nicht unnötig in Gefahr bringen.
Und doch… Man müsste nur mutig sein.
Hätte sie nur einmal genug Mumm in den Knochen,
um sich nicht den Kopf zu zerbrechen.
Was würden die Leute dann denken? Und sagen?
Aber spielt das eine Rolle?
Viel Zeit hat sie sowieso nicht mehr.
Heute Abend ist Jesus bei Simon. Den kennt sie.
Das ist der Kranke vorne an der Ecke. Jesus traut sich zu ihm.
Obwohl niemand so recht weiß,
ob er nun wieder gesund ist oder nicht.
Aber Jesus wird schon wissen, was er tut.

Aus dem Markusevangelium, Kapitel 14:

Es waren noch zwei Tage bis zum Passafest und den Tagen der Ungesäuerten Brote. Und die Hohenpriester und Schriftgelehrten suchten, wie sie ihn mit List ergreifen und töten könnten. Denn sie sprachen: Ja nicht bei dem Fest, damit es nicht einen Aufruhr im Volk gebe.

Viel zu viel Wirbel ist da grade um Jesus.
Sie hat ein ganz ungutes Gefühl.
Nein, sie hat Angst um ihn.
Um ihren Jesus. Ihren Freund.
Seine Worte trägt sie tief im Herzen.
Ob er wohl weiß, wieviel er ihr bedeutet?
Ob sie ihm das schon mal gesagt hat, wie wichtig er für sie ist?
Hätte sie es öfter sagen sollen?
Müsste sie nicht viel öfter bei ihm sein?
Ihm mitteilen, was ihr die Freundschaft bedeutet.
Seinen Geschichten lauschen. Ihn umarmen.
Und ihm selbst gebackene Kekse vorbeibringen.
Aber vielleicht ist es ja auch besser nur Briefe zu schreiben.
Man will ja niemanden in Gefahr bringen.
Telefonieren, Mail oder WhatsApp geht vielleicht auch.
Unruhige Zeiten erfordern eben andere Maßnahmen.
Was wäre die Alternative?
Ein Blick auf die Flasche. Es ist unvernünftig, diese Sache durchzuziehen.
Und auf der anderen Seite: Wozu braucht sie dieses Öl?
Es ist nur wertvoll. Und es riecht gut. Für sie selbst völlig unnütz.
Aber Jesus… Jesus hätte es verdient. Schließlich ist er IHR König.
Sollte sie wirklich tun, was ihr seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf geht?
Es ist so riskant!
Falls es wirklich zum Äußersten kommt:
Könnte sie damit leben, Jesus nie gesagt zu haben wie sehr sie ihn liebt?
Könnte sie damit Leben, sich nie zu ihm bekannt zu haben?
Es ist verrückt. Sie zweifelt. An sich selbst.
Und dann gibt sie sich einen Ruck. Und geht hin.
Es ist, was es ist.

Und als er in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Alabastergefäß mit unverfälschtem, kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Gefäß und goss das Öl auf sein Haupt.


Sie hat es getan.
Es ist lächerlich, sagt der Stolz.
Sie ging einfach hinein in das Haus.
Es ist leichtsinnig, sagt die Vorsicht.
Sie gießt ihm ohne Vorwarnung teuerstes Öl über den Kopf.
Es ist unmöglich, sagt die Erfahrung.
Es ist, was es ist – sagt die Liebe.

Sie hat es getan, weil sie ihn liebt.
Weil sie ihrem Herzen gefolgt ist.
Weil ihr bester und wertvollster Besitz für Jesus grade gut genug ist.
Für ihn gibt sie ihre Sicherheit auf.
Für ihn riskiert sie ihren Notgroschen.
Wenn es jetzt hart auf hart kommt ist sie pleite.
Es ist Unsinn, sagt die Vernunft.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.
Und es fühlt sich richtig an, was die Liebe sagt.
Sie kann jetzt nicht mehr sagen:
Hätte ich ihm nur gesagt, wie sehr ich ihn ihn liebe.
Wäre ich nur hingegangen.
Sie hat es nicht aufgeschoben auf eine Zeit nach der Krise,
in der Hoffnung, dass dann alles wieder gut ist.
Sie hat getan, was sie konnte, um zu lieben. Jetzt.


Da wurden einige unwillig und sprachen untereinander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie! Was bekümmert ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan.  Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit.  Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt zu meinem Begräbnis.  Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat.



Jeder hat andere Worte, um von der Liebe zu reden.
Jede tut andere Dinge um Liebe zu zeigen.
Und jede Zeit hat auch ihre ganz eigenen Herausforderungen.
Die Zeit der römischen Besatzung genauso
wie die Zeit von Kontaktsperren und Besuchsverboten.
Jesus war in Lebensgefahr, das wusste sie.
Deshalb wählte sie nicht die Öffentlichkeit,
sondern das vertraute Zusammensein im Freundeskreis.
Niemand in Gefahr zu bringen, das ist wichtig,
wenn man verrückte Dinge tut, um denen nahe zu sein, die man liebt.
Die Herausforderung ist heute nicht kleiner als damals.
Aber DASS man es tut: das ist das Evangelium.
Die gute Nachricht. Damals wie heute.
Hätte man nicht? Sollte sie nicht lieber?
Könnte man nicht besser? Müsste man nicht viel eher?
Ein Patentrezept für Liebe gibt es keines.
Vielleicht hätte sie heutzutage für Jesus einen Mundschutz genäht.
Vor seinem Fenster ein Ständchen gesungen
oder ein Paket zur Post gebracht.
Vielleicht hätte sie Medikamente aus der Apotheke geholt
oder die Geschäfte nach Klopapier abgegrast.
Vielleicht hätte sie ihm täglich eine Postkarte geschrieben oder
Blumen und selbstgebackenen Kuchen vor die Tür gestellt.
Vielleicht wäre sie heutzutage
aus Liebe gerade NICHT hingegangen zu Jesus.
Wer weiß das schon?
Es ist Unsinn, sagt die Vernunft.
Es ist, was es ist, sagt die Liebe.

Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise;
und ist er noch so klein, er zieht doch weite Kreise.
Wo Gottes große Liebe in einen Menschen fällt,
da wirkt sie fort in Tat und Wort hinaus in uns're Welt.

Amen.

GuteGeisterGottesdienst an Palmsonntag, 05. April 2020
aufgenommen in der Eusebiuskirche Wendlingen am Neckar




Samstag, 28. März 2020

Nichts ist mehr sicher...

„Nichts ist mehr sicher“. 
Haben Sie diesen Satz in den letzten Tagen auch 
öfter gesagt oder zumindest gehört?
Für mich hat es den Anschein, als wäre das eine Art „Grundstimmung“, 
die unser ganzes Leben bestimmt und die manch einem den 
Schlaf raubt. „Hat mein Frisör offen oder nicht?“ „Schreibe ich 
demnächst Abi oder wird es verschoben?“ „Reicht das 
Klopapier noch übers Wochenende oder muss ich schon morgen 
rechtzeitig da sein, um eine Packung von der 
Palette abzugreifen?“ „Wann sehe ich meine Enkel*innen 
wieder?“ „Habe ich morgen noch einen Job oder 
muss der Chef den Laden schließen?“ Und schlussendlich:
„Bin ich gesund oder nicht?“ Und wenn ich krank werde: 
„Was erwartet mich dann?“ Diese Unsicherheit wird 
auch eine Weile andauern. So viel steht fest. Wie lange? 
Auch das ist unsicher. Sicher ist, dass Gott da ist. 
Das glaube ich tief im Herzen. Auch wenn ich davon 
manchmal nichts spüre. Auch wenn es keine Lösung gibt. 
Der Glaube an Gott löst weder Klopapierfragen noch 
gesundheitliche Probleme, die eine Pandemie mit sich bringt. 
Für mich ist Gott so etwas, wie ein „sicherer Ort“. Er verändert sich nicht, 
auch wenn sich die Nachrichten im Stundentakt fast überschlagen. Er ist da. 
Immer. Das wussten schon die Psalmbeter in der Bibel. Die kannten auch 
Unsicherheiten und schlaflose Nächte. Aber sie wussten Gott bei sich. Von 
ihnen kann man lernen für Zeiten wie diese. 
Vielleicht können Sie dann – trotz allem – auch sagen: 
„Ich liege und schlafe ganz mit Frieden; 
denn allein du, HERR, hilfst mir, 
dass ich sicher wohne.“ (Psalm 4,9)

HIMMELS:ANKER 
Wendlingen am Neckar am 21. 03.2020 und 
Geistliches Wort in der Nürtnger Zeitung am 28.03.2020

Sonntag, 15. März 2020

Kleines Protokoll zum merkwürdigsten Sonntag meines Lebens






Wochenlang wurde geplant und gerungen.
Um Abschiedsworte.
Um Gesten.
Um Rituale.
Um Dinge die vielleicht helfen,
etwas wieder heilen zu lassen.

Zeit wollten wir haben.
Und Zeit geben.
Um zu beenden was war
und zurückzufinden zur Hoffnung

auf Neues und Gutes, das entstehen wird.

Wir haben uns gewünscht,
dass Menschen sich begegnen
und wahrnehmen
und aufeinander zu gehen
glaubend und wissend,
dass Christus unter ihnen ist,
wenn zwei oder drei zusammen sind. 

Und dann waren nicht nur
zwei oder drei zusammen,
und Christus unter ihnen,
sondern auch Corona
war mitten unter ihnen.
Nichts mehr war mehr so, wie es sein soll.
Das Leben wird plötzlich zerbrechlich.
Planungen fallen auseinander
wie Herbstlaub von den Bäumen.
Nähe wird gefährlich und
Begegnung ein strategisches Projekt. 

Alles scheint offen und
nichts fühlt sich richtig an.
Die besten Planungen
reichen nur bis zur nächsten Empfehlung 
des Oberkirchenrats.
Gutgemeintes und Gutgeplantes
zerbricht in unseren eigenen Händen.

Gemeinsam
von vorn beginnen.
Heute anders als gestern.
Das Beste daraus machen,
obwohl man noch gar nicht weiß,
was man dazu bekommt.
Mit dem Herzen sehen und
mit dem Bauch entscheiden. 

Und dann:
Sonntag.
Merkwürdigster Sonntag meines Lebens.
Zwischen Kirche und Krise.
Zwischen Himmel und Erde.
Zwischen Abschied und Neubeginn. 

Gemeinsam
singend und betend
um Fassung ringend
losgehen.
Meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke, mein Licht. 


Leerer Altar.
Das Kreuz auf dem Weg
nach draußen.

Ins Neue.
Ins Freie.
Ins Licht.

Christus meine Zuversicht;
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht,
auf dich vertrau ich und fürcht mich nicht.


(Zum Abschied von der Johanneskirche in Wendlingen am Neckar am 15. März 2020)