Dienstag, 12. Mai 2020

Bethel: Wo der Stein ist wohnt Gott


OpenAirGottesdienst 

im Seniorenzentrum "Taläcker"


So langsam spürt er die Müdigkeit
in allen Knochen.

Weit war der Weg.
Die Sonne brennt vom Himmel
und in seiner Seele brennt es auch.
Daheim konnte er nicht bleiben
nach allem was passiert ist.
Und ein gutes Gewissen hat er auch nicht.
Aber jetzt ist es, wie es ist -
und Jakob wandert seinem neuen Leben entgegen.  
Haran ist sein Ziel.
Dort ist er in Sicherheit bei der Familie seiner Mutter.
Den Segen des Vaters hat er erschlichen.
Er wollte nicht immer die zweite Geige spielen.
Nun muss er damit klarkommen.
Und wenn alles gut läuft, kann er dort neu anfangen.
Vielleicht findet er die Liebe seins Lebens.
Kann eine Familie gründen.
Und den Abschiedsschmerz vergessen.
Den Abschied von seinem Zuhause,
von seinen Eltern und seinem Bruder.
Den Abschied von der Heimat.


Sein Vater hat ihn gesegnet.
Und trotzdem fühlt er sich unterwegs alleine.
Verlassen von allem, was ihm vertraut ist.


Ob Gott ihn auch verlassen hat?
Wenn man einsam ist, stellt man sich diese Frage.


Müde schleppt er sich vorwärts.
Jeder geschaffte Meter bringt ihn seinem Ziel näher.
Die Sonne geht unter und es ist Zeit für das Nachtlager.
Am Wegrand hat jemand Steine zusammengetragen.
Ein Altar. Ein Zeichen.
Gott ist mit auf dem Weg.
Wer weiß, wieviele hier schon Pause gemacht haben?
Jakob nimmt sich einen Stein von der Ansammlung.
Er hat die richtige Größe, um den Kopf für ein Nickerchen abzulegen.
Erschöpft schläft er ein.

Jakob träumt.
Er sieht den Himmel offen.
Eine Leiter reicht von der Erde bis zum Himmel
und die Engel steigen hinauf und hinab.
Und oben steht Gott selbst.

Gott sagt:
Ich bin Gott, der Herr.
Der Gott von Abraham und Isaak.
Dieses Land, auf dem du liegst,
will ich dir und deinen Nachkommen geben.
Du sollst viele Nachkommen haben.
Sie alle sind von mir gesegnet.
Und egal wo du hingehst:
ich behüte dich.
Und ich werde dich wieder hierher zurückbringen.
Ich will dich nicht verlassen, bis alles geschehen ist,
was ich dir versprochen habe.


Jakob reibt sich die Augen.
Hat er geträumt?
Oder war das grade Wirklichkeit?
Hat er tatsächlich Gott gesehen?
Hier in dieser Steinwüste
ist ihm tatsächlich Gott begegnet.

Am Morgen steht Jakob auf.
Er nimmt den Stein, auf dem sein Kopf lag,
und richtet ihn auf zu einem Steinmal.
In seinem Bündel findet er eine kleine Flasche Öl.
Hier wohnt Gott, sagt Jakob – und gießt Öl auf den Stein.
Ich nenne den Ort Bethel.
Das bedeutet „Haus Gottes“.
Ich weiß: Gott ist bei mir
und wird mich behüten, egal, wohin ich gehe.
Er wird für mich sorgen.
Und ich werde in Frieden wieder
hierher zurückkommen in meine Heimat.
Dieser Stein soll immer daran erinnern:
Gott meint es gut.


Und dann macht sich Jakob auf den Weg
in seine ungewisse Zukunft.


Immer wieder wenn er einen Stein erblickt 
erinnert er sich daran:
Haus Gottes.
Hier wohnt Gott.


Ihn tröstet das, weil er weiß:
er ist nicht allein.


In diesen verrückten Corona-Zeiten
gibt es viel Alleinsein.
Viele Abschiede.
Viel Sehnsucht nach der Familie.
Vielleicht kennen Sie dieses Gefühl:
keiner ist da.
Keiner interessiert sich für mich.
Heute hat schon wieder niemand angerufen.
Solche Gedanken kennt man auch,
wenn man mit anderen Menschen zusammen wohnt.
Weil die, die man im Herzen hat, so weit weg sind.
Und keiner weiß, wie lange das noch so geht.


Um so wichtiger, dass Gott da ist.
Dass wir sicher sind:
er wohnt auch hier.
Hier ist der Himmel offen.
Und hier bin ich nicht von Gott vergessen.


Und um so wichtiger, dass wir ganz bewusst
Zeichen setzen, um aneinander zu denken.


In ganz Deutschland und darüber hinaus
malen Menschen allen Alters bunte Steine.
Die legen sie an den Wegrand.
Oder vor Haustüren.
Oder in Gärten und Parks.
Sie machen das deshalb, um daran zu erinnern:
auch wenn alles trostlos und steinig aussieht gibt es Hoffnung.
Jemand denkt an dich.

Auch Kinder in Wendlingen bemalen bunte Steine.
Ein paar davon sind schon hier angekommen.
Hier im Haus Taläcker.
Und es werden sicher noch mehr kommen.


Bunte Steine, die daran erinnern:
Sie sind nicht alleine.
Jemand denkt an Sie
und will Ihnen eine Freude machen.


Und wenn Sie in den nächsten Tagen und Wochen
irgendwo so einen bunten Stein entdecken;
dann erinnern Sie sich doch daran:
Wo der Stein ist, wohnt Gott.
Da ist Bethel, das Haus Gottes.
Da werden Sie gesegnet und der Himmel ist offen.
Auch wenn der Weg steinig und mühsam ist
und Sie sich erschöpft fühlen.


Auch ich habe ein paar Steine mitgebracht,
die hier bleiben sollen. Die Sie entdecken können.
Bestimmt werden es täglich mehr.
Sie sind als Foto auch auf Ihrem Liedblatt.




Jeder Stein trägt die Botschaft:
Und siehe, ich bin mir dir und will dich behüten, wo du hinziehst,
und will dich wieder herbringen in dies Land.
Denn ich will dich nicht verlassen,
bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.


Amen. 



1.   Du meine Seele, singe, wohlauf und singe schön dem, welchem alle Dinge zu Dienst und Willen stehn. Ich will den Herren droben hier preisen auf der Erd; ich will Ihn herzlich loben, solang ich leben werd.

2.   Wohl dem, der einzig schauet nach Jakobs Gott und Heil! Wer dem sich anvertrauet, der hat das beste Teil, das höchste Gut erlesen, den schönsten Schatz geliebt; sein Herz und ganzes Wesen bleibt ewig ungetrübt.
(Paul Gerhardt 1653)


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