Sonntag, 28. Juli 2024

Lord of the Lost: Blood and Glitter

Predigt zur 

Sommerpredigtreihe 2024 


I.                   Unser Lied

Ich sing dir mein Lied – 
in ihm klingt mein Leben.

Oder auch: Zeige mir deine Playlist –
und ich sage dir, wer du bist.

So steht es irgendwo in der
Ankündigung für diese Sommerpredigtreihe.
Der Eurovision Song Contest
jedes Jahr im Mai
ist auch so etwas wie eine „Playlist“.
Eine Playlist Europas.
„Unser Lied für den Eurovison Song Contest“ –
das ist das Motto jedes Frühjahr,
wenn die einzelnen Länder
ihre Lieder und Interpreten nominieren.
Und dann wird abgestimmt,
welches Land das beste Lied hat.
Das Lied, das ich ausgesucht habe,
war „unser Lied für Liverpool“.
Mit ihm ging im letzten Jahr Deutschland ins Rennen:
Lord oft the Lost – Herr der Verlorenen –
mit dem Titel „Blood and Glitter“.
Es ist auf dem letzten Platz gelandet.

Warum das so ist, weiß niemand so ganz genau.
Offenbar ist es ein Lied, das aus dem Rahmen fällt
und dazu auch eine Band, die aus dem Rahmen fällt.
Aus dem Rahmen des ESC,
aber auch aus dem Rahmen dessen,
was man von einer deutschen Band so erwartet.
Nach „Ein bisschen Frieden“,
„Guildo hat euch lieb“, „Wadde hadde dudde da“
und „Satellite“ war Blood and Glitter
ein Song, mit dem sich viele schwer getan haben. 
Ganz sicher sprengt er auch den Rahmen dessen,
was man in einer Kirche an Musik erwarten will.
Aber grade deshalb,
weil der Song ein Systemsprenger ist,
wurde er für mich interessant.
AUCH – oder erst recht für einen Gottesdienst.
 

II.                Der Song


 


 

Übersetzung: 

Blut und Glitzer, süß und bitter
Wir sind so glücklich, dass wir sterben könnten
Blut und Glitzer

Was wir sind, ist nur eine Entscheidung
Ein Versprechen an uns selbst
Wir sind frei, es zu brechen und uns zu ändern

Nie vergessen? Lass es gehen
Dies oder das? Das muss man nicht wissen
Ob oben oder unten
Wir sind alle vom selben Blut

Blut und Glitzer, süß und bitter
Wir sind so glücklich, dass wir sterben könnten
Blut und Glitzer, süß und bitter
Wir sind so glücklich, dass wir sterben könnten
Blut und Glitzer, Heiliger und Sünder
Wir fallen, bevor wir aufstehen

Jetzt geh, geh, lass dein Blut fließen, fließen
Mit gebrochenen Flügeln lernen wir fliegen
Wir sind Blut und Glitzer

Behalte den Kopf hoch in den Wolken
aber beide Beine auf dem Boden
Das Leben ist zu schnell, also mach was draus

Nie vergessen? Lass es gehen
Dies oder das? Das muss man nicht wissen
Ob oben oder unten
Wir sind alle vom selben Blut

Blut und Glitzer, süß und bitter
Wir sind so glücklich, dass wir sterben könnten
Blut und Glitzer, süß und bitter
Wir sind so glücklich, dass wir sterben könnten
Blut und Glitzer, Heiliger und Sünder
Wir fallen, bevor wir aufstehen… 


III.             Blut und Glitzer

Blut und Glitzer.
Starke Worte.
Starke Bilder.
Starke Gegensätze.
Und dann die Musik dazu: ebenso gegensätzlich.
Mal laut kreischend und schrill –
Und dann wieder ganz eingängig und melodisch.

Und die Menschen erst: 
Aufgestylt und geradezu verkleidet,
leichenblass, knallrot, goldglitzernd.
Irgendwas zwischen Gruftie und Harlekin,
Monster und Barbie.
Gegensätzliches
in jedem einzelnen Moment des Videoclips.
Eine theatralische, schrille, laute
und überwältigende Inszenierung.

Blood and Glitter
Süß und bitter
so glücklich, dass man sterben könnte.

Heilige und Sünder
Blut und Glitzer
hinfallen und aufstehen.
Widersprüchlicher geht es kaum.


IV.            Blut  I

Über Blut reden wir nicht gerne.
Fast alle empfinden eine natürliche Ekelgrenze,
wenn Blut sichtbar ist.
Aber klar ist auch:
In jedem von uns fließt es.
Auch in mir, In uns allen.
Dickflüssig und rot, wie nichts anderes.
Und wenn es sichtbar wird,
dann ist man in Gefahr.
In Lebens-Gefahr.
Blut hat seinen Ort und seine Funktion.
Es gehört in den Körper,
um uns am Leben zu erhalten.
In den Adern folgt es seinem Kreislauf
und das Herz gibt den Takt vor.
Wenn das Blut im Körper fließt,
ist der Mensch am Leben.
Wenn zu viel Blut aus dem Körper herausfließt.
kann ein Mensch sterben.
Deshalb ist Rot auch eine Warnfarbe:
Wenn zu viel Rot sichtbar wird,
besteht Lebensgefahr.
Fließendes Blut hat deshalb oft
einen Gruseleffekt.
Es schockiert,
macht Aufmerksam und
versetzt Menschen in Alarmbereitschaft.
Wenn Blut fließt,
Blut sichtbar ist,
geht es um die Frage
nach Leben oder Tod.

  

V.                Blut II

So auch in der Bibel. 
Auch da geht es um die Frage nach Leben oder Tod,
wenn von Blut die Rede ist.
Dahinter steckt die Vorstellung,  
dass Versöhnung mit Gott möglich ist,
wo Blut fließt.
Wo das eine Leben für das andere eintritt.
Weil Dinge wieder gut zu machen sind,
und das nicht einfach so passiert.

Eine der spannendsten Geschichten
ist wahrscheinlich die von Abraham und Isaak.
Abraham war dabei, seinen Sohn zu opfern,
als Gott dem Einhalt geboten hat:
er will kein Menschenopfer.
Gott sei Dank -
im wahrsten Sinne des Wortes.
Und dann Jesus.
Auch er greift diese Bild auf.
Gibt seinen Jüngern Wein mit den Worten
„Das ist mein Blut“.
Kurz darauf stirbt er - 
einen blutigen Tod am Kreuz.  


VI.            Glitzer I

Das krasse Gegenteil dazu: Glitzer.
Im Film goldene Schnipsel
eines leichten, durch die Luft wirbelnden Materials.
Kleine Fragmente, zusammenhanglos.
Nicht in geordneten Bahnen,
sondern durcheinander.
Schillernd. Das Licht reflektierend.
Glitzer spiegelt Licht und Farbe
und ist in alle Richtungen beweglich.
Glitzer macht das Leben leichter.
Wenn etwas glitzert,
dann ist das ein Grund zur Freude.
Kein Grund zur Panik oder gar eine Warnung.
Glitzern tut eine Prinzessin  
und Goldkrümel auf der Geburtstagstorte.
Es glitzert das nagelneue 2-Euro-Stück in der Sonne.
Es glitzert der Strandsand in der Sommersonne und
der Eiskristall in der Januarsonne auch.
Es glitzert der Diamantring am Finger und
die wunderschöne Kette am Hals der Braut.
Der Liedschatten mit Glitzer
macht ein Gesicht noch strahlender,
als ein normales Make Up.
Und wenn man sagt, dass die Augen glitzern,
dann ist man vor Freude so glücklich,
dass man ein Tränchen verdrücken muss.  
Mit Glitzer verbinden wir die wunderschönen
Dinge des Lebens.
Besondere Momente.
Highlights, die es nur selten gibt.
Und man sagt: Mit ein bisschen Glitzer,
wird der Alltag viel schöner.


VII.          Glitzer II

Auch die Bibel
kennt die schönen Dinge des Lebens.
Das Feiern und das Lachen
und das Heilige.

Die Bundeslade,
in der die heiligsten Dinge aufbewahrt wurden
war überzogen mit feinstem Gold.
Sie kennt das Glitzern und den Glanz
von Naturschauspielen und
Edelsteine und Perlen als Schmuck
für besondere Momente.
Und am Ende, wenn alles gut ist,
- auch das was nach menschlichem Ermessen
nie wieder gut werden kann –
(Jesus nennt es Himmelreich
und vergleicht es mit einer Perle)
dann wird auch da nicht gespart
mit Gold, Glitzer und Edelsteinen.
Bis es soweit ist
wird das Leben gefeiert.
Wird Wertvolles verschenkt –
auch dem Kind in der Krippe wird Gold gebracht.
Wird großzügig geschmückt –
sogar die Gräber.
Und es wird gefeiert –
manchmal sogar im Überfluss.

 

VIII.       Blut UND Glitzer

Blood and Glitter
Süß und bitter
- Zeilen voller Widersprüche.
Hinfallen, aufstehen,
zum Sterben glücklich -
so widersprüchlich kennt man das Leben.
Kennen Menschen das Leben.
Kennt die Bibel das Leben.
Und Jesus auch.
Blut und Glitzer gehören zusammen
und zum gleichen Leben.
Das Bedrohliche und das Wunderbare -
beides findet gleichzeitig statt
auf diesem Planeten:
Ein Kind wird geboren
und ein anderes kommt ums Leben.
Der eine ist vor Freude aus dem Häuschen
und die andere am Boden zerstört.
Und manchmal gehört beides
zu unserem eigenen, einzigartigen Leben.
Blut und Glitzer,
Süßes und Bitteres gleichzeitig.
Noch nie hab ich das so extrem wahrgenommen
wie in der Zeit, als meine Ehe zerbrochen ist.
Da ging was kaputt und war schmerzhaft und schlimm.
Und gleichzeitig konnte ich
wieder ich selbst werden –
und habe meinen eigenen Wert wieder entdeckt.
Aber eben nicht ohne einen schmerzhaften Verlust.
Seither ist einer meiner Lieblingssprüche:
Never lose your Sparkle -
verlier‘ dein Funkeln, dein Glitzern nicht.

Blood and Glitter gehören zusammen.
Mehr noch:
die Erfahrung von Schmerz und Schönheit
bringt Menschen zusammen.
We are all from the same blood
- wir sind alle vom gleichen Blut.
So singt und musiziert und inszeniert das
Lord oft he Lost.
Und vielleicht gibt es nur wenig Musik
neben Dark Rock, Hard Rock oder Heavy Metal,
die das in dieser Gleichzeitigkeit
und in dieser Intensität zum Ausdruck bringt:
mal schrill, laut und gewaltig
und im nächsten Moment
melodisch, rhythmisch und zum Mitsingen.

Wir sind alle Menschen.
Und alle machen die Erfahrung
dieser Widersprüche,
im Kleinen, wie im Großen.
Auch hier in diesem Land,
ist vieles widersprüchlich:
Es gibt viel Reichtum,
UND viel Armut.
Wir haben ein Schulsystem,
das viel ermöglicht,
UND es gibt Kinder,
die keine Chance auf Bildung haben.
Wir investieren Millionen
in die medizinische Forschung,
UND Menschen sterben an Krebs.
Blut UND Glitzer. Gleichzeitig.
Beides gehört zu unserem Leben, 
zur manchmal harten Realität.

Was aber auch Realität, 
uns aber viel zu selten bewusst ist:
With broken wings, we learn to fly
We are blood and glitter
Mit gebrochenen Flügeln
lernen wir zu fliegen.
Wir sind Blut und Glitzer.
Wir sind zerbrochen
und heil zugleich.
Wir alle.  

 

IX.             Ich bin gewiss

Kein anderer als Jesus selbst
hat das am eigenen Leib durchlebt.  
Bis zum Ende.
Keiner war so zerbrochen wie er,
hat um sein Leben gekämpft
und verloren.
Und keiner ist so vollständig
ins Leben zurückgekehrt, wie er.
Hat geglitzert am Ostermorgen
und an den Tagen danach,
obwohl seine Narben noch sichtbar waren.
Und wer ihm begegnet ist,
hat von ihm gehört:  
Ich bins. Fürchte dich nicht!

Und so leihe ich mir Worte von Paulus,
der Blut und Glitzer kennt -
und den Auferstandenen auch.
Worte, die uns vielleicht sogar bekannt vorkommen:

Denn ich bin gewiss,
dass weder Blut noch Glitzer
weder Tod noch Leben,
weder Engel noch Mächte noch Gewalten,
weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 
weder Hohes noch Tiefes
noch irgendeine andere Kreatur
mich scheiden kann
von der Liebe Gottes,
die in Christus Jesus ist,
unserm Herrn. (Römer 8, 38f)
Amen.

 

 


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