Gottesdienst im Grünen
bei der Jakobskirche BodelshofenSonntag Rogate, 22. Mai 2022
Lukas 11, 5-13
Dann sagte
Jesus zu seinen Jüngern:
»Stellt euch vor: Einer von euch hat einen Freund.
Mitten in der Nacht geht er zu ihm und sagt:
›Mein Freund, leih mir doch drei Brote!
Ein Freund hat auf seiner Reise bei mir haltgemacht.
Ich habe nichts im Haus, was ich ihm anbieten kann.‹
Aber von drinnen kommt die Antwort:
Lass mich in Ruhe!
Die Tür ist schon zugeschlossen,
und meine Kinder liegen bei mir im Bett.
Ich kann jetzt nicht aufstehen und dir etwas geben.‹
Das sage ich euch:
Schließlich wird er doch aufstehen und ihm geben,
was er braucht –
wenn schon
nicht aus Freundschaft,
dann doch wegen seiner Unverschämtheit.
Ich sage euch:
Bittet und es wird euch gegeben!
Sucht und ihr werdet finden!
Klopft an und es wird euch aufgemacht!
Denn wer bittet, der bekommt.
Und wer sucht, der findet.
Und wer anklopft, dem wird aufgemacht.
Welcher Vater unter euch
gibt seinem Kind eine Schlange,
wenn es um einen Fisch bittet?
Oder einen Skorpion, wenn es um ein Ei bittet?
Ihr Menschen seid böse.
Trotzdem wisst ihr, was euren Kindern guttut,
und gebt es ihnen.
Wie viel mehr wird der Vater im Himmel
den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.«
I.
Hilfe!
Der Junge,
der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd
sind zusammen unterwegs.
Unterwegs durch das Leben.
Sie bewältigen etliche Abenteuer zusammen,
aber sie stellen sich auch Fragen.
Wichtige Fragen.
„Was ist das Tapferste, das du je gesagt hast?“
fragte der Junge.
„Hilfe“, sagte das Pferd.
Das Pferd
ist mir sympathisch.
Denn ganz ehrlich:
ICH finde es viel einfacher, Dinge selbst zu tun.
Andere um Hilfe zu bitten: das fällt mir schwer.
Und manchmal starte ich viele Versuche,
ehe ich akzeptiere: Ich schaffe das nicht alleine.
Um Hilfe zu
bitten, das heißt:
ich bin mit meiner Kraft am Ende.
Ich bin mit meinem Wissen und Können am Ende.
Ich bin begrenzt in dem, was ich selbst steuern kann.
Und ich bin angewiesen auf einen Menschen,
der in der Lage ist, etwas zu verändern.
Die
Nachbarin, die mir Sonntag nachmittags mit Trockenhefe aushilft.
Der Kollege, der eine Bohrmaschine hat und weiß, wie man Lampen montiert.
Die Schwester, die einkauft und auch einen Korb schmutzige Wäsche versorgt,
während man im Bett liegt und sich auskuriert.
Der Freund, bei dem man mitten in der Nacht an die Tür klopft und um Brote
bittet.
II.
Bete!
Wie sollen
wir beten?
So fragten die Jünger.
Es ist ein simpler Vergleich, den Jesus bemüht,
um das mit dem Beten seinen Jüngern zu erklären.
Eine Situation, die jede*r kennt: Man braucht Hilfe,
wendet sich in der Not an einen Menschen,
von dem man Hilfe zu bekommen glaubt.
Und auch wenn es diesem Menschen
nicht in den Kram passt: er hilft.
Und wenn es nur deshalb ist,
weil man lange genug nervt.
Es ist aber
nicht nur ein simpler,
sondern ein alltäglicher Vergleich.
Es geht bei Jesus nicht um komplexe Sachverhalte
und schwierige Lebenskrisen, die zu bewältigen sind.
Es geht um ein ganz grundlegendes Bedürfnis: Brot.
Nichts ist zu klein, zu unscheinbar, zu wenig wichtig.
Das Alltägliche darf erbeten sein.
Und das auch noch zu den unmöglichsten Zeiten, nämlich mitten in der Nacht.
Beten, so
verstehe ich Jesus,
ist etwas ganz Alltägliches und Einfaches.
Keine Situation ist zu banal.
Kein Anliegen zu klein.
Kein Zeitpunk falsch.
Und genau da
ist mein Problem.
III.
Sorry – keine Zeit!
Vieles in
meinem Leben ist einfach zu selbstverständlich und ich muss erst gar nicht darum
bitten!
Es ist einfach da. Ungefragt.
Ja, oft auch verdient.
Manchmal unverdient und geschenkt.
Inzwischen bekommen wir langsam eine Vorstellung davon, dass Lebensmittelvorräte
knapp werden könnten, auch wenn fehlendes Salatöl ganz sicher noch keine existentielle
Not ist:
„Unser tägliches Brot gib uns heute“ – möglicherweise kommen wir ja auch wir
wieder an den Punkt, darum bitten zu müssen – für andere ist das aber längst
Alltag!
Und so wird das Gebet schnell zum zusätzlichen Termin.
Weil meine kleinen Nöte des Alltags gar keine wirklichen Anlässe zum Gebet sind
- und ich deshalb gar nicht dran denke, bei Gott anzuklopfen.
Aber warum
erzählt Jesus dann ausgerechnet von einer Situation voller Alltäglichkeiten,
wenn wir uns darin so schnell verlieren?
IV.
Den Draht nicht verlieren
Ich
unterstelle Jesus eine gewisse pädagogische Absicht,
wenn er Geschichten
erzählt.
Eine Art Dramaturgie.
Das Wichtigste kommt nämlich zum Schluss.
Nach der Bitte um die Alltäglichkeiten pointiert er gekonnt:
Wie viel mehr wird der Vater im Himmel
den Heiligen Geist denen geben, die ihn darum bitten.
Darum geht’s also. Um den Heiligen Geist.
Die Kraft, die Verbindung herstellt.
Verbindung zu Gott und zu Menschen.
Darauf kommts an.
Denn Jesus wird nicht immer da sein –
und langfristig muss es auch ohne ihn funktionieren.
Deshalb will Jesus, dass das mit dem Beten funktioniert
und erklärt es seinen Jüngern so bildhaft und pragmatisch.
Ich glaube, es geht Jesus gar nicht in erster Linie
um materielle
Grundbedürfnisse.
Es geht Jesus darum, dass Menschen in Kontakt sind,
in Kontakt bleiben.
In Beziehung. Miteinander und mit Gott.
Und am ehesten sucht der autonome und unabhängige Mensch
den Kontakt zu
anderen, wenn Hilfe benötigt wird.
Dann sieht man sich quasi gezwungen zur Kontaktaufnahme.
Anzuklopfen. Vor der
Tür zu stehen.
Vielleicht kommt daher das alte Sprichwort: Not lehrt beten.
V.
Den Draht nicht verlieren
Die
Herausforderung ist also,
in meinen Alltäglichkeiten den Draht nach oben nicht
zu verlieren.
Aber wie ist das zu schaffen?
Vielleicht, in dem man sich bei denen etwas abschaut, die es können.
Lernen möchte ich von denen,
die sich den Rhythmus des Alltäglichen zu Nutze
gemacht haben um zu Beten.
Menschen in Kommunitäten und Klöstern zum Beispiel.
Sie kennen einen großen Schatz an Erfahrungen und Ritualen,
um im Alltag immer
wieder zur Ruhe zu kommen.
Bei Gott anzuklopfen.
Sogar ganz strukturiert, und wenn man so sagen will: nach Stundenplan.
Nun krieg ich das in meinem Alltag auch nicht hin.
Aber wenn es 12 Uhr läutet und ich sitze am Schreibtisch, dann nehme ich mir
diesen einen Moment Zeit, um bei Gott anzuklopfen.
Ich mit meinen wenigen Worten,
die mir grade da durch den Kopf gehen.
Und manchmal beten wir sogar ein Vater Unser gemeinsam im Chat.
Online verbunden durch ganz Deutschland.
In guter Erinnerung ist mir auch die Erzählung der Mutter eines
Feuerwehrmannes. Sie sagte:
„Seit mein Markus bei der Feuerwehr ist,
bete ich jedes Mal, wenn ich ein Martinshorn höre.
Dass nicht noch mehr passiert und
dass denen geholfen werden kann, die Hilfe
brauchen.“
Der große
Theologe Karl Barth hat einmal gesagt:
„Wie man beten soll, das steht in der Bibel;
und was man beten soll, das steht in der Zeitung.“
Das Wort Zeitung braucht ein Upgrade:
Twitter, Tagesschau und der familiäre und
nachbarschaftliche Buschfunk
erfüllen denselben Zweck.
Anlässe zum Beten gibt es genug.
Die Frage ist: Was bringt MICH dazu, bei Gott
anzuklopfen?
Ich glaube, da gibt es kein Patentrezept dafür.
Jede*r braucht
hier einen eigenen, sprichwörtlichen Knoten im Taschentuch.
Aber es lohnt sich,
diesen zu finden.
Ein
Weiteres:
Ist Ihnen schon aufgefallen, dass ganz viele unserer Lieder,
die wir im
Gottesdienst singen, Gebete sind?
Singen verbindet.
Verbindet Menschen untereinander –
völlig egal, wie der Text geht.
Aber wenn der Text ein Gebet ist,
dann verbindet Singen auch mit Gott.
In der Kirche,
im Auto (wo es niemand hört, wenn es schräg ist),
beim Staubsaugen und Bügeln.
Beim Rasen mähen und Fliesen legen.
Beim Milchreis umrühren.
Im Stuhlkreis im Kindergarten und im Reli-Unterricht.
Lieder, die wir einmal gelernt haben,
vergessen wir nicht mehr und tragen sie im Herzen.
Wenn Worte nicht
oder nicht mehr da sind,
bleibt oftmals ein Lied.
Und wer einmal am Sterbebett gesungen hat weiß,
wie sich die Grenzen zwischen Himmel und Erde plötzlich verschieben.
Und warum
nicht ein Lied in die Spotify-Playlist schmuggeln,
das mich daran erinnert:
Du wolltest doch…
VI.
Wer anklopft, dem wird aufgetan
Letztendlich
sind es Anker im Alltag,
die wir damit bewusst setzen.
Mir hilft das sehr, um bei Gott anzuklopfen.
Und tatsächlich zu beten.
Auch wenn es nur ein Satz ist. Ein Gedanke.
Manchmal nur ein Wort oder ein Namen.
Oder ein Ort.
Es hilft mir in Verbindung zu sein mit Menschen,
mit der Welt, mit Gott.
Und so letztlich auch mit mir selber –
denn ich darf ja Gott um etwas bitten –
und dazu brauche ich auch den Draht
zu meinem eigenen, Inneren.
„Du gibst nicht auf, wenn du um Hilfe bittest“.
Sagte das Pferd. „Du weigerst dich, aufzugeben.“
Wer betet, wer Gott um Hilfe bittet für die kleinen und großen Nöte unserer Zeit,
weigert sich, aufzugeben.
Weigert sich, Not, Angst und Ungerechtigkeit hinzunehmen
und als Normalzustand zu akzeptieren.
Weigert sich, Liebeskummer, schlechte Noten, traurige Diagnosen,
schlechte Nachrichten und sorgenvolle Fernsehbilder
als das Ende der Geschichte zu hinzunehmen.
Wer betet ist in Verbindung mit der Hoffnung
und kann vertrauen:
Gott tut was.
Amen.
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