Sonntag, 24. Oktober 2021

Leben gibt es geschenkt!

Erntedank-Gottesdienst im Seniorenzentrum Taläcker 

am 28. September 2021


Ein großer Schrank, am Straßenrand.
Er ist etwa so hoch wie ich.
Und er hat weit geöffnete Türen nach beiden Seiten.
In seinem Inneren sind zwei Regalbretter.
Auf diesen Brettern liegt, was im Garten wächst:
Kartoffeln, Mini-Äpfel und Karotten in Tüten.
Kohlrabi, so groß wie Fußbälle
und Zucchini in allen Größen.
Erbsen und Bohnen, abgefüllt in Pappschalen.
In Einmachgläsern stehen riesige Petersilienbündel -
ich nenne sie immer „Küchensträuße“.
Und ein paar handgezogene Grünlilienstecklinge
in Joghurtbechern stehen da auch.
Unten im Regal liegt Brennholz für den Kaminofen.
Vor den geöffneten Türen
liegen Kürbisse in gelb und grün.
Da steht ein Eimer mit Grünkohl.
Und weil da ein Korb mit
roten und gelben Zwiebeln steht,
bleibt die Tür auch bei Wind offenstehen.
Zwischen all dem Gemüse
steht ein leeres Marmeladenglas
mit rostigem Schraubdeckel.
Da hinein legt man das Geld.
So viel, wie in krakeliger Schrift
auf den kleinen Klebeetiketten steht.
Oder auf den vergilbten Preislisten,
die mit rostigen Reißnägeln an die Tür gepinnt sind.
10 Kronen für eine Tüte Karotten.
und 25 Kronen für eine Tüte Kartoffeln.
Wieviel in den Tüten drin ist, weiß man nicht so genau.
Das ist auch unterschiedlich und nicht so wichtig.
Der Kilopreis variiert,
der Tütenpreis steht fest.
Manchmal verirrt sich auch ein Stein in den Kartoffeln.
Das ist in dieser Gegend nicht weiter schlimm.  
Dort weiß man:
Kartoffeln und Steine
sehen sich manchmal zum Verwechseln ähnlich.
Seither nennen wir die Kartoffeln „Steingemüse“.

Ich sage immer: Das ist mein Lieblings-Supermarkt.
Dort am Straßenrand,
in einem kleinen Dorf in Dänemark.
Jeder Besuch ist eine Überraschung.
Denn ich weiß nie, was es gibt.
Wieviel in den Tüten ist.
Ob ein Stein drin ist oder nicht.
Sicher ist nur: Es gibt immer Kartoffeln.
Die Box mit frischen Eiern ist immer leer.
Und es gibt immer irgendein Gemüse.
Gewachsen im Garte,
der zu diesem Schrank gehört.
Und zu diesem Haus.
In dem Menschen leben,
die Gemüse anbauen.
Überraschungsgemüse.
Täglich neu und frisch geerntet.

Jahr um Jahr
und Tag um Tag  
steht dieser Schrank am Straßenrand.
Ehrlich gesagt kann ich mich nicht daran erinnern,
wann er mir zum ersten Mal auffiel.
Wann ich zum ersten Mal
dort angehalten und gestaunt habe
über diese Mengen an Petersilie und Kartoffeln.
Und Rote Rüben in Herzform. 
Nie habe ich diesen Schrank leer angetroffen.
Oder gar verschlossen.
Dort am Straßenrand.
In meiner kleinen Welt gibt es ihn
schon immer.
Jahr um Jahr.  
Die Welt dreht sich weiter,
aber dieser Schrank steht da
mit seiner ganzen Fülle.

Ganz am Anfang der Welt gab Gott ein Versprechen.
Erntedank erinnert mich daran.
Und dieser Schrank in Henneby erinnert mich daran.
Er erinnert mich an das Versprechen Gottes.

Solange die Erde sich dreht, wird Leben sein:
Immer wieder wird kommen
Saat und Ernte,
Frost und Hitze,
Sommer und Winter,
Tag und Nacht. 
(1. Mose 8,22)

Der Schrank ist gefüllt.
Und mein Leben auch.
Das Leben geht weiter.
Wir Menschen gehen weiter.
Gott geht weiter.

Deshalb heißt Erntedank auch:
Für mich geht es weiter.
Für mich ist gesorgt. 

Gott sagt:
ich geb dir die Welt.
Einfach so.
Sie dreht sich.
Für dich und mich.
Und für uns alle.

Dafür muss ich auch nichts
in ein Marmeladenglas legen
mit rostigem Schraubdeckel. 

Leben gibt es geschenkt.  
Amen.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen