Gottesdienst in der Eusebiuskirche Wendlingen am Neckar am 17.01.2021
Predigt zu Johannes 2, 1-11: Die Hochzeit zu Kana
I. Maria
Eine ziemliche Durststrecke waren die letzten 30 Jahre.
Zumindest an manchen Tagen.
Die Erinnerung an damals ist in ihrem Herzen.
Tief und fest.
Das was die Hirten gesagt haben –
und diese fremden Menschen
mit der ungewohnten Sprache,
deren Worte sie kaum verstand.
Damals. An der Krippe.
Im Stall von Bethlehem.
Und in den Wochen davor,
als der Engel vor ihr stand.
Engelworte hat er gesagt.
Worte, durch die sie mutig wurde.
Sie, das Mädchen.
Maria.
Jung war sie.
Aber dem Josef fest versprochen.
Dass er trotzdem bei ihr blieb:
für sie bis heute ein Wunder.
Ob alles wohl so kommt,
wie geglaubt, erhofft und ersehnt?
Von dieser Frage kann Maria ein Lied singen.
II. Jesus
Fast jeden Tag denkt sie darüber nach.
Aber ein Tag ist wie jeder andere.
Da ist wenig Göttliches zu sehen.
Ihr Sohn ist groß geworden.
Ein Mann.
Ein sehr normaler Mann.
Irgendwann wird alles so kommen:
für Gerechtigkeit wird er sorgen.
Und dafür, dass gebeugte und verbogene Seelen
heil werden können.
So hat es der Engel gesagt.
Ihr. Den Hirten.
Und Johannes, ihr Neffe, schien das auch zu ahnen. Oder zu wissen?
„Siehe, das ist Gottes Lamm!“
sagt Johannes über Jesus.
Siehe.
Vielleicht… vielleicht kommt jetzt seine Zeit.
Denkt sie einmal mehr.
Vielleicht, wird jetzt das Große sichtbar,
auf das wir alle warten.
Vielleicht.
Siehe.
Puh…
III. Maria die Erste
Und am
dritten Tage war eine Hochzeit zu Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da.
Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen.
Maria war da.
Dort, beim Fest.
Maria.
Nicht Josef.
Nicht irgendjemand.
Sie. Seine Mutter.
Die, die immer da war.
Sie war die Erste, die von ihm wusste.
Sie, die mit dem Engel alleine war, als „es“
passierte.
Die Erste, die ihn in ihrem Bauch spürte.
Die Tritte. Und irgendwann die Wehen.
Sie war die Erste, die ihn im Arm hielt,
die seine ersten Schritte begleitete.
Seine Tränen trocknete und ihm das Rechnen beigebracht hat.
Sie, die keinen Zweifel zuließ:
ihr Sohn ist ein besonderes Kind,
ein besonderer Mensch.
Der Engel hat das so gesagt.
Deshalb vertraut sie.
Maria, die seither wartet auf den Tag,
an dem alle verstehen - und sehen,
worauf sie immer noch hofft.
IV. Durststrecke
Und als der
Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus
spricht zu ihr: Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch
nicht gekommen.
Hochzeit.
Eigentlich ein Familienfest wie jedes andere
zu dieser Zeit.
Doch dann: Lockdown.
Das rauschende Fest wird zur Durststrecke.
„Sie haben keinen Wein mehr.“
War es mütterliche Intuition?
Weibliche Taktik?
Oder einfach die ihr eigene Art,
mit ihrem Sohn zu kommunizieren?
Maria kennt Durststrecken
und deshalb denkt sie lösungsorientiert.
Sie will abkürzen. Das Ding regeln.
Den Lockdown für beendet erklären.
Man weiß doch schließlich, was gut und richtig ist.
„Mutter!!“ (🙄🙄🙄) Klingt
Jesus da etwa genervt?
„Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“
Er lässt sich seinen Zeitplan
nicht aus der Hand nehmen.
Auch nicht bei Durststrecken.
Irgendwie kommt mir das bekannt vor.
Seit fast einem Jahr versuchen wir,
eine der größten globalen Dauerdurststrecken abzukürzen.
Fast ein Jahr versuchen wir
zum normalen Fest des Lebens zurück zu kehren.
Immer und immer wieder ein Versuch,
das Normalprogramm zu starten.
Und immer wieder geht uns der Saft aus.
Sie haben keinen Wein mehr!
sagt Maria.
Sie haben keine Bildungschance!
Sie haben kein Einkommen mehr!
Sie haben keine Sozialkontakte!
Sie haben keine Intensivbetten mehr!
Sie haben zu wenig Impfstoff!
„Meine Stunde ist noch nicht gekommen!“
sagt Jesus.
V. Hoffnungsträgerin
Seine
Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort
sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in
jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die
Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu
ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm.
„Was er euch sagt, das
tut.“
Maria sieht, was fehlt.
Aber sie erschöpft sich nicht in Krisenplänen,
undurchschaubaren Verordnungen und
Vorschlägen zur Beschaffung von Grundnahrungsmitteln.
Sie hält fest an ihrer Hoffnung.
Und sie sagt das sehr deutlich.
Was ER sagt, das tut.
Sie geht einen Schritt zurück.
Hinter Jesus.
Sie, die immer als Erste vornedran steht,
verweist auf ihren Sohn.
Gottes Sohn.
Siehe.
Nicht das Machen rettet die Situation,
sondern das Festhalten und das Vertrauen darauf,
dass Jesus weiß, was zu tun ist.
Und dann – erst dann – passiert das Wunder.
VI. Wunder
Als aber
der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste,
woher er kam – die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten –,
ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst
den guten Wein und, wenn sie trunken sind, den geringeren; du aber hast den
guten Wein bis jetzt zurückgehalten.
Ein Wunder.
Echt - das wär auch was für heute.
Für diese Durststrecke,
die uns allen jeden Tag mehr Mühe macht.
Über große Feste reden wir ja gar nicht mehr.
Es sind ja schon die kleinen Begegnungen
eine Gefahr.
Die Stunde der pandemiefreien Zeit
und des alten Lebens ist wohl noch nicht gekommen.
Aber was wäre,
wenn heute trotz allem Wunder geschähe?
Eins in mir?
Das wär doch was!
Ein Wunder verwandelt den Inhalt
meines Hoffnungskrugs
in Trost und Gelassenheit.
Ein Wunder lässt mich sagen:
ich bin behütet und getragen
bis zu einem guten Ende –
wann auch immer das sein wird.
Ein Wunder verwandelt meine Tränen
in satte Lebensfreude -
weil in mir selbst Gottes Stunde schon da ist.
Ein Wunder lässt mich
von der Hoffnung singen
wie Maria.
Überzeugter,
als ich es mir selbst zutraue.
Besser, als ich zu erbitten wage
und überfließender, als ich erwarte.
So ein Wunder - wär wunderbar.
Das ist das
erste Zeichen, das Jesus tat. Es geschah zu Kana in Galiläa, und er offenbarte
seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.
Amen
Mit dir, Maria singen wir
von Gottes Heil in unsrer Zeit.
Uns trägt die Hoffnung, die du trugst -
es kommt der Tag, der uns befreit.
Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht:
„Ich preise Gott, Magnificat.
Himmel und Erd hat er gemacht,
mein Gott, der mich erhoben hat.“
Du weißt um Tränen, Kreuz und Leid,
du weißt, was Menschen beugt und biegt.
Doch du besingst den, der befreit,
Weißt, dass das Leben letztlich siegt.
Dein Jubel steckt auch heute an,
österlich klingt er, Ton um Ton:
Großes hat Gott an dir getan,
Großes wirkt unter uns dein Sohn.
Hell strahlt dein Lied durch jede Nacht,
pflanzt fort die Lebensmelodie:
Es kommt, der satt und fröhlich macht,
der deinem Lied den Glanz verlieh.
(Eugen Eckert 1992)