Sonntag, 10. August 2025

Gute Zeiten - Schlechte Zeiten

Gute Zeiten - Schlechte Zeiten: 
Plakat: Mang

Familienforschung 
im Buch Tobit

Sommerpredigtreihe 2025 
"We are familiy!"

Gute Zeiten – Schlechte Zeiten: Familienforschung im Buch Tobit? Vielleicht haben Sie sich beim Lesen des Titels für diesen Gottesdienst gedacht: Was ist das denn? Gute Zeiten – Schlechte Zeiten kenn ich von RTL.
Aber Tobit oder auch Tobias?
Davon hab ich ja noch nie gehört!

Oder sie haben sich gedacht: Ist sie jetzt katholisch geworden?
In meiner Bibel steht nichts von Tobias, in der katholischen Bibel aber schon.
Gibt’s da womöglich  Unterschiede?

Vielleicht haben Sie auch gedacht: Oha! Sie predigt über ein „apokryphes Buch“ in der Bibel. Das ist ja spannend. Darf man das überhaupt?
Deshalb ein paar einleitende Worte vorweg.

Das Buch Tobit – oder Tobias – ist tatsächlich nicht in allen Ausgaben unserer Bibel enthalten. Es gehört zu den sogenannten „Spätschriften des Alten Testaments“, also zu den „apokryphen“, den verborgenen Schriften.
Sie entstanden in einer Zeit, in der das Alten Testament bereits als abgeschlossen galt. Die Kirchenväter waren sich an dieser Stelle nicht einig, wie sie die überlieferten Texte bewerten sollten. Luther und seine Mitarbeiter haben sie trotzdem ins Deutsche übersetzt, deshalb sind sie auch in einigen Ausgaben der Lutherbibel enthalten. Aber da sie nicht in Hebräisch vorlagen, wurden sie immer als „Sonderfall“ behandelt. Luther wird das Zitat nachgesagt: „Apocrypha. Das sind Bücher, die so nicht der Heiligen Schrift gleich gehalten und doch nützlich und gut zu lesen sind.“
Er hat die Texte also durchaus als relevant eingeordnet und ich ergänze:
sie sind nicht nur nützlich und gut, sondern auch teilweise richtig spannend! 
Deshalb also nun Tobias und seine Geschichte, in die wir uns jetzt hineinbegeben. 

Wer also ist Tobias?
Tobias ist ein Mann, der vieles erlebt hat. So viel, dass er zwischendurch mehrfach dachte: Jetzt ist es vorbei. Vom Leben ist er hart gezeichnet.

Mehrfache Neuanfänge in der Fremde, Gefangenschaft, die Abkehr seines Volkes vom jüdischen Glauben – Tobias hätte auch resignieren können, und man hätte ihn verstanden. Einfach aufgeben: in seiner Situation nachvollziehbar. Aber das tut er nicht. Er verlässt sich nicht auf äußere Umstände, sondern auf Gott. Zu 100%. Auch , nachdem er mit seiner Frau Hanna und seinem Sohn Tobias in Gefangenschaft geraten war und nach Ninive verschleppt wird. Andere hätten aufgegeben. Hätten resigniert.
Aber Tobias hat sich vorgenommen, Gott zu vertrauen und aus jeder Situation das Beste zu machen. Das macht er unter anderem dadurch sichtbar, dass er alles teilt, was er besitzt. Das ist ziemlich viel, deshalb kann er großzügig sein.

Eines Tages leiht er sogar einem Fremden von seinem Geld und bekommt von ihm einen Schuldschein. Das ist mindestens außergewöhnlich.
Außerdem geht er einem besonderen Ehrenamt nach: er ist eine Art illegaler „Bestatter“. In den Kriegswirren der damaligen Zeit bleiben die Toten einfach auf der Straße liegen. Ein unwürdiger Umgang für den gläubigen Mann.
Bei Nacht und Nebel sammelt Tobias die Toten ein und bestattet sie. Dabei riskiert er sein eigenes Leben. Eigentlich ist das verboten.
Tobias tut es trotzdem - im Vertrauen auf Gott. Und er ist fast schon fanatisch davon überzeugt, dass er das niemals verlieren wird.

Wir singen nun in mehreren Etappen ein Lied. Vielleicht wäre es auch das Lied von Tobias gewesen - wenn er es gekannt hätte. Es ist ein Lebensbegleit-Lied. Sozusagen eine Art "Titelmelodie"für die Soap des Lebens. Für Gute Zeiten und schlechte Zeiten.                                    

Lied:                           Meinem Gott gehört die Welt EG 408,1-2

Meinem Gott gehört die Welt, meinem Gott das Himmelszelt,
ihm gehört der Raum, die Zeit, sein ist auch die Ewigkeit.

Und sein eigen bin auch ich. Gottes Hände halten mich
gleich dem Sternlein in der Bahn; keins fällt je aus Gottes Plan.

Tobias ist sich sicher: nichts bringt ihn davon ab, Gott zu vertrauen. Der hat einen Plan. Aber dann ist etwas Einschneidendes passiert, mit dem Tobias nicht rechnen konnte. Im Schutz der Nacht ist er wieder als Bestatter unterwegs, als ihn die Müdigkeit überkommt. Er legt sich für ein Nickerchen neben die Stadtmauer und schläft ein. Wach wird er, als eine Schwalbe ihren Vogelschiss absetzt und damit Tobias‘ Augen trifft. Was für eine Sauerei. Nachdem die Augen ausgewaschen waren, stellt er fest: er ist vollständig blind. Eine Katastrophe! Von heute auf morgen ist sein Leben ein anderes. 
Und jetzt? Tobias zweifelt. Auch deshalb, weil er in 
der Zeit danach von vielen gefragt wird: „Wo ist denn jetzt dein Gott? Für ihn hast Du Almosen gegeben und die Toten begraben! Ausgerechnet dich lässt er im Stich!?“
Es sind Worte, die treffen. Tobias hat keine Antwort. Er wird öffentlich verhöhnt und gedemütigt. Eine unerträgliche Situation – auch für eine Ehe. Sogar Hanna stellt solche Fragen. Das war für Tobias besonders bitter. Dennoch ist er froh, dass Hanna da ist. Denn sie sorgt jetzt für das Familieneinkommen. Mehr noch: sie ist darin sogar erfolgreich, gewissermaßen macht sie Karriere.  
Die Folge davon: Tobias verbittert noch mehr. Er misstraut seiner Frau. Eines Tages bringt sie eine Ziege nach Hause, von ihrem selbst verdienten Gehalt bezahlt. „Wie sollen wir uns von deinem Gehalt eine Ziege leisten können? Das kann ja gar nicht sein!“ Er bezichtigt sie damit des Diebstahls. Traut ihr nicht zu, dass sie als Frau in der Lage ist, eine lebendige Ziege zu erwirtschaften.

Hanna ist enttäuscht und lässt ihn das wissen.  Das führt nicht nur zu einer handfesten Ehekrise zwischen den beiden, sondern zum völligen Zusammenbruch: Tobias will lieber tot sein als lebendig. Mit dem Leben hat er fertig. Das lässt er Gott wissen. Er klagt ihm seinen Schmerz und er spürt: Gott hört sein Gebet. Deshalb stellt er sich darauf ein, dass er bald sterben wird. Was sollte mit ihm auch noch anzufangen sein?

Szenenwechsel.

Zeitgleich in einer sehr weit entfernten Stadt ist Sara völlig verzweifelt.
Wie Tobias wird auch sie verhöhnt und gedemütigt, aber aus einem ganz anderen Grund: es geht um die Liebe.
Sieben Männer hat sie schon versucht zu heiraten, aber alle sterben in der Hochzeitsnacht. „Du Männermörderin!“ heißt es immer wieder und man sagt ihr nach, Sara sei von einem Dämon besessen.
Die Familie ist völlig ratlos. Noch eine Hochzeit, die mit einer Beerdigung endet, will niemand. Sara bringt ihren Schmerz darüber vor Gott. Zeitgleich mit dem verzweifelten Tobias betet sie.
Und dann passiert etwas total Verrücktes:
„In derselben Stunde wurden die Gebete dieser beiden von dem Herrn im Himmel erhört. Und der heilige 
Rafael, der Engel des Herrn, wurde gesandt, beiden zu helfen, weil ihr Gebet zu gleicher Zeit dem Herrn vorgebracht worden war.“ (Tob 3,24f) 
Im Himmel hat etwas gematcht, hat etwas zusammengefunden:
Die beiden Gebete von Tobias und Sara.

Lied:                           Meinem Gott gehört die Welt EG 408,3

Wo ich bin, hält Gott die Wacht, führt und schirmt mich Tag und Nacht;
über Bitten und Verstehn muss sein Wille mir geschehn.
 

Zurück zu Tobias: Gott hat sein Gebet gehört, deshalb regelt er jetzt seinen Nachlass. Er gibt seinem Sohn Tobias alles weiter, was ihm wichtig ist. Nicht nur seinen Glauben und sein Vertrauen in Gott. Er gibt ihm auch den alten Schuldschein über 10 Talente Silber, die er einst Gabael geliehen hatte. Das war eine Art Lebensversicherung, die sich Tobias nun zurückholen soll.
Der ist entrüstet. 

„Sag mal, geht’s noch? Wegen eines alten Schuldscheins soll ich nach Rages ins Gebiet der Midianiter latschen?  Und nur weil Du in deiner grenzenlosen Gutmütigkeit jemandem dein Geld geliehen hast? Das sind mehrere Tagreisen!“ Der junge Tobias ist not amused. Aber sein Vater ist hartnäckig: „Du musst den Weg ja nicht alleine gehen. Such Dir einen Begleiter!“ 
Und der – ich kürze an der Stelle ab - steht quasi schon vor der Tür, grüßt ihn freundlich und kennt, den Weg zu Gabael. Der Fremde verspricht dem Vater Tobias, den Sohn Tobias zu begleiten und ihn heil wieder zurückzubringen.
Spoiler: Es handelt sich um niemand anderes, als um den Engel Rafael. Aber als Engel gibt er sich nicht zu erkennen. „So zieht hin! Gott sei mit euch auf dem Wege, und sein Engel geleite euch!“.
Weder der alte Tobias noch sein Sohn wissen in diesem Moment, wie sehr dieser Satz zutrifft, mit dem sich Tobias auf den Weg macht.
„Alles wird gut!“ Tobias war voller Überzeugung. Ganz im Gegensatz zu Hanna. Die war in heller Aufregung: „Tobias!!! Wie kannst du nur? Wäre das verdammte Geld nicht gewesen, hättest Du ihn nie weggeschickt! Wie kommt man eigentlich drauf, fremden Leuten Geld zu leihen? Besser wäre, wir wären immer arm gewesen und hätten nie Geld besessen, dann hätten wir wenigstens unseren Sohn noch. Jetzt haben wir gar nichts mehr!“ Eskalationsstufe Dunkelrot. Durchatmen.

Der alte Tobias hört ruhig alles an. Natürlich hat Hanna Recht: mit Streit übers Geld bekommt man jede Familie ruiniert. Aber er ist sich sicher: Das wird gut ausgehen. Etwas anderes, kommt für ihn gar nicht in Frage.

Lied:                           Meinem Gott gehört die Welt EG 408,4-5

Täglich gibt er mir das Brot, täglich hilft er in der Not, 
täglich schenkt er seine Huld und vergibt mir meine Schuld.

Lieber Gott, du bist so groß, und ich lieg in deinem Schoß
wie im Mutterschoß ein Kind; Liebe deckt und birgt mich 
lind.

Der junge Tobias macht sich mit
seinem Begleiter auf den langen Weg.

Foto: Unsplash
Er erlebt seltsame Situationen. Am Fluss Tigris wird er von einem riesengroßen Fisch angegriffen. Sein Begleiter gibt ihm Tipps, wie er ihn besiegen kann. Er gewinnt den Kampf und der Fisch schmeckt.

Sein Begleiter rät ihm, Leber, Galle und Herz des Fisches mitzunehmen. Das sei Arznei. Tobias befolgt den Rat. Er lernt, dass Herz und Leber gegen Dämonen helfen, wenn man sie auf der Glut eines Feuers verbrennt.
Und dass sich die Galle verarbeiten lässt zu einer Salbe. Sie hilft angeblich gegen Augenleiden. Tobias denkt an seinen alten, blinden Vater.
Sie setzen ihren Weg fort und kurz darauf kehren die beiden Gefährten ein bei Reguel. Er ist über ein paar Ecken verwandt mit Tobias und hat eine Tochter: Sara. Ja, DIE Sara. Die, die nie mit einem Mann schlafen konnte, ohne dass der hinterher im Sarg hinausgetragen wurde. Sara, deren Gebet zusammen mit dem des alten Tobias erhört wurde. Weswegen der Engel in geheimer Mission unterwegs war. Aber davon wusste ja niemand.
Als Tobias klar wird, unter wessen Dach er sich befindet, bekommt er Panik. Er weiß von Sara und ihren gescheiterten Versuchen, einen Mann zu heiraten. Ihr wisst schon… der Buschfunk – auch damals schon.
Sollte er womöglich der Nächste sein, den man tot hinausträgt? Das Thema liegt offen auf dem Tisch. Zur damaligen Zeit war es üblich, über das Them,a "Hochzeit" zu sprechen, wenn ledige Männer und ledige Frauen in der Verwandtschaft zusammenkommen. Tobias weiß nicht, was er tun soll.
„Das kann ich meinen Eltern nicht antun! Ja, es ist verlockend, die einzige Tochter zu heiraten. Dann gehört mir nicht nur die Frau, sondern auch der ganze Besitz. Aber was hab ich davon, wenn ich sterbe? Mein Leben ist mir auch etwas wert!“

Auch die Eltern von Sara waren in großer Sorge. Bisher war es immer schief gegangen und jetzt… ausgerechnet einer aus der eigenen Verwandtschaft… was sollen denn die Leute denken?
Rafael sieht die Sache anders: „Es waren böse Männer, die Sara zur Frau wollten. Sie wollten nur ihren Körper und ihren Reichtum. Aber Saras Vertrauen in Gott war ihnen egal. Deshalb hatte das Böse Macht. Tobias, du vertraust auf Gott, so wie Sara. Deshalb sei mutig und heirate sie.
Aber höre jetzt noch einmal auf meinen Rat: lege die Leber des Fischs in der Hochzeitsnacht auf das Feuer, damit vertreibst Du das Böse. Und dann feiere Hochzeit mit Sara. Drei Tage lang. Du wirst sehen: ihr werdet mit vielen Kindern gesegnet sein.“   
Natürlich ist das jetzt die Kurzversion, die ich hier erzähle. Da war noch viel Zweifel und Drama dazwischen. ABER: Am Ende sind die beiden verheiratet. Niemand stirbt. Und auch die Eltern von Sara sind glücklich.
Zur Hochzeit eingeladen wurde übrigens Gabael, der mit dem Privatkredit. Er sollte zur Hochzeit kommen und das Geld gleich mitbringen, um die Reise nicht unnötig in die Länge zu ziehen. Gabael erscheint tatsächlich: um zu feiern und um seine alten Schulden zu bezahlen. Was für ein Fest!

Währenddessen in Ninive:  Der alte Tobias und Hanna sind ahnungslos. Ihr Sohn lässt auf sich warten. Tobias ist genervt. Er war doch fertig mit dem Leben! Nun lebt er immer noch und fragt sich: „Wurde mein Gebet tatsächlich erhört - oder war alles nur Einbildung?“  Zum Verzweifeln bleibt ihm allerdings keine Zeit: Er muss Hanna trösten. Die wird tatsächlich verrückt aus lauter Sorge um ihren einzigen Sohn. Ihr fällt es schwer, auf Gott zu vertrauen, aber der alte Tobias hält immer wieder daran fest.

Lied:                           Meinem Gott gehört die Welt EG 408,6

Leb ich, Gott, bist du bei mir, sterb ich, bleib ich auch bei dir,
und im Leben und im Tod bin ich dein, du lieber Gott!

Foto: Unsplash

Das Fest ist vorbei. Tobias will nach Hause zu seinen Eltern. Gemeinsam mit Sara macht er sich auf den Weg. Mit dabei: die Hälfte des Besitzes seines Schwiegervaters – Knechte, Mägde, Schafe, Kamele und andere Tiere. Und Raphael, sein Begleiter. Auf halber Strecke rät der ihm, gemeinsam mit ihm vorauszugehen. In seiner Tasche die Salbe aus der Galle des Fischs. Hanna sieht die beiden schon von weitem und rennt ihnen entgegen.
War das ein Wiedersehen! Beim alten Vater angekommen tut Tobias, was ihm Rafael gesagt hat: er schmiert etwas von der Fischgallensalbe in die Augen des alten Tobias. Wenige Minuten später kann er wieder sehen. Gott sei Dank! Das wird gefeiert!

Zu erzählen, gab es natürlich auch jede Menge.
Von guten und von schlechten Zeiten. Und davon, wie Gott die Wege von zwei Familien zusammengeführt hat.
Ein paar Tage später trifft Sara ein, zusammen mit den Mägden, Knechten und den vielen Tieren. Wer hätte gedacht, dass sich das Leben so zum Guten wenden würde?
Der alte Tobias kann gar nicht aufhören, Gott dafür zu danken und ihn laut zu loben. „Denn du, Gott, züchtigst und heilst wieder. Du führst hinab zu den Toten und wieder hinauf.“ Das hat er erlebt. Und gesehen. Mit den eigenen Augen. Und das war längst nicht das Ende für Tobias: Er, der mit dem Leben abgeschlossen hatte, wird Opa und Uropa – und lebt noch weitere 42 Jahre im Vertrauen auf Gott. Amen.